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Die «unerwünschten Mäuler». – Nähr- und Pflegemütter. – Mädchenerziehung. – Eine Schwiegermutter wird gesucht. – Brautschaft ohne Liebesromantik. – Chinesische Hochzeit. – Die «heulende» Braut. – Chinesische Musik. – Der Hochzeitszug. – In der Dressur der Schwiegermutter. – Christliche Heirat. – Die störrische Braut. – Prospektus für junge Leser, die ihrer Mutter eine Schwiegertochter aus China verschreiben möchten.
Als Frucht unserer vielen Besuche mustergültiger Anstalten und sorgsam gesammelter Belehrungen seitens alteingessener Missionäre hatten wir auf unserer langen Reise bereits einen gewissen Einblick ins Volksleben, hauptsächlich in die unsere künftige Tätigkeit besonders interessierende Rolle der gelben Frau, gewonnen, und wir haben dies an den betreffenden Stellen schon kurz vermerkt.
Wir sollten nun einen ganzen Monat uns ausschließlich mit dieser Frage beschäftigen, um dann auf Grund eigener Erfahrung selbständig weiter zu bauen.
Es wäre somit an der Zeit, das Leben der Chinesin, das wir in früheren Kapiteln nur vorübergehend und stückweise kennen lernten, hier mehr übersichtlich und im Zusammenhang darzustellen, ohne das Obengesagte unnützerweise zu wiederholen.
Wie auf kaum einem andern Gebiete fernöstlicher Kultur stoßen wir gerade hier auf Volkssitten, die von den unsrigen grundverschieden sind. So verlockend und interessant indes ein eingehendes Studium derselben wäre, es ginge über das uns gesteckte Ziel hinaus. Deshalb zeichnen wir den allgemeinen Lebensgang der Chinesin nur in seinen Hauptzügen, unter Berücksichtigung der durch das Christentum bedingten Abweichungen.
Die ganze Bewohnerschaft von «Glücksheim» setzt sich, wie die jedes chinesischen Waisenhauses, aus weggeworfenen, ausgesetzten oder geschenkten Kindern zusammen.
Obwohl die Anstalt abgelegen und die Gegend dünner bevölkert ist als die von Hwangshihkang Vgl.: Hwangshihkang und seine Missionswerke S. 58 u. ff., ist der Zustrom doch stärker, denn im ganzen Land ringsum weiß man, daß hier die im eigenen Heim «unerwünschten Mäuler» freudige Aufnahme und mütterliche Pflege finden.
Im Laufe des Jahres 1930 wurden z. B. nicht weniger als 143 solcher armer Würmchen hier abgeliefert oder vor die Schwelle gelegt.
Gewöhnlich gibt man dem Ueberbringer für seine Mühewaltung eine Mahlzeit und ein gutes Trinkgeld, sonst hätte er ja wenig Interesse, ein so «wertloses» Wesen aufzulesen.
Mit der Aufnahme geht das Findelkind in den rechtmäßigen Besitz des Waisenhauses über, was sofort in einem Register eingetragen, und, sofern es sich um Anverwandte als Ueberbringer handelt, durch schriftlichen Verzicht festgelegt wird.
Die erste Sorge ist nun, das arme Wesen zu waschen, rein zu kleiden und auf seinen Gesundheitszustand zu prüfen. Meist lassen die ausgestandenen Strapazen, besonders Hunger und Wetterschäden, wenig Hoffnung es zu erhalten, weshalb sofort die Taufe gespendet wird.
Vom Missionärsstandpunkt aus ist damit das Hauptziel erreicht. Es herrscht keine große Trauer, wenn die gereinigte Seele ihren Flug zur ewigen Heimat nimmt und der kleine Leib auf den «Engelberg» getragen wird.
Aber man versucht doch alles Menschenmögliche, das Kind am Leben zu erhalten.
Zu diesem Zwecke wird es den paar Ammen übergeben, die ständig neben der Anstalt wohnen, bis in der Umgegend irgendeine Nährmutter gefunden ist, die es endgültig in Pflege nimmt.
Zur Zeit sind rund hundert Säuglinge so untergebracht, natürlich gegen Entschädigung.
Jeden Monat, an einem bestimmten Tage, müssen die Pflegemütter ihre Schützlinge zur Mission bringen, wo sie untersucht werden, und wo nach bestandener Kontrolle das Kostgeld ausbezahlt wird.
Wird Fahrlässigkeit festgestellt, so wird das Kind zurückbehalten und die Rabenmutter ihres Vertrauensamtes und Einkommens beraubt.
Das Waisenhaus stellt zweimal jährlich diesen seinen auswärtigen Mitgliedern je ein Sommer- und ein Winterkleidchen, welche samt und sonders von ihren älteren Schwestern in der Anstalt verfertigt werden.
Sobald das Kind der Ammenpflege entbehren kann und sein Verstand zu erwachen beginnt, also um das vierte Jahr, verbleibt es in der Anstalt.
Diese Bestimmung ist notwendig; denn wenn die Kinder größer sind, so ist es sehr schwer, sie von ihren Müttern zu trennen. Letztere sträuben sich manchmal schon bei jüngern und wollen sie nicht mehr herausgeben, ja versuchen sogar, andere unterzuschieben, weshalb jedes der Mission gehörige Kind mit einem unverletzlichen Kontrollzeichen versehen werden muß.
Diese Ammenwirtschaft wäre ja vom hygienischen Standpunkt aus gut, vorausgesetzt, daß ein einwandfreies Personal zur Verfügung stände, was leider in den armen, kinderreichen Volksklassen nicht immer der Fall ist.
Da in China keine Milchtiere gehalten werden und die Milch überhaupt verpönt ist, so erklärt sich einigermaßen die ungemein große Kindersterblichkeit.
Die meisten Waisenhäuser müssen sich eben mit den auswärtigen Nährmüttern behelfen, was bei der großen Zahl beträchtliche Kosten verursacht. –
Wir sind aber entschlossen, die anderwärts von befriedigendem Erfolg gekrönten Versuche mit Ziegen- oder Büffelmilch, welche seinerzeit auch hier gute Aussichten boten, aufs neue zu wagen.
Die Abteilung der Kleinen wird von den Katechistinnen in den üblichen Gebeten und den Hauptwahrheiten der Religion unterrichtet, bis etwa zum 7. und 8. Jahre.
Dann kommt die «große» Schule, wo die Elementarkenntnisse in der chinesischen Schrift gelehrt werden, sodaß sie wenigstens den Katechismus und die Religionsbücher lesen können. Damit haben sie schon einen gewaltigen Vorsprung vor den andern armen Kindern des Volkes, die keinerlei Schulunterricht genießen. Und dieser ist vollauf berechtigt, ja notwendig, da er hauptsächlich auf eine gründliche religiöse Bildung hinzielt.
Aber für sie als Kinder ärmster Herkunft, die später wieder in armen Verhältnissen ihren Weg durchs Leben gehen sollen, muß die Hauptaufgabe darin bestehen, sie in allen Fertigkeiten einer chinesischen Hausfrau tüchtig zu machen, wozu die Werkstätten und der Gemüsegarten eine günstige Gelegenheit bieten.
Das Waisenhaus ist zwar für diese heimatlosen, aufgelesenen Kinder ein wahres Mutterhaus, dem sie ihre Erhaltung, Erziehung und alles Gute verdanken. Aber das chinesische Mädchen soll nicht im Elternhaus bleiben, es muß «zum Tor hinaus», zu einer «Schwiegermutter». So will's die Landessitte, und bei den Heiden wird da nicht viel nach dessen Wunsch und Willen gefragt.
Damit kommen wir zu dem großen Wendepunkt im Dasein des chinesischen Weibes, wo das bisher abgeschlossene und unbeachtete Mägdlein ins Leben eintritt und zu seiner Geltung kommt, indem es verlobt und verheiratet wird. Dieses « wird» ist nicht eine leere Form, und dürfte nicht etwa ersetzt werden, wie in der Heimat, durch « sich verloben, sich verheiraten», weil tatsächlich die beiden Brautleute nichts dabei zu tun haben.
Das hochwichtige Geschäft der Verlobung und Verheiratung geht sie selber gar nichts an, sondern wird von den «Alten» besorgt, und zwar von den Altvätern der patriarchalischen Familie, hüben und drüben, nach Beratung mit den Eltern.
Mancher Leser mag ungläubig den Kopf schütteln vor einem solchen Rätsel. Deswegen müssen wir diesen Volksgebrauch, der Gesetzeskraft im Lande hat, in seinen Hauptzügen kurz darlegen.
Wenn der Storch durch die Wolken fliegt und da einen Prinzen, dort eine Prinzessin durchs Strohdach in die Hütte fallen läßt, so sind die Gefühle der Beschenkten oft ganz verschieden, mitunter sogar recht sorgenvoll.
Ein Junge, na, der ist immer willkommen, denn er wird beitragen, das Vermögen und den Ruhm der Familie zu vergrößern, und nach dem Tode der Eltern seinen Anteil bekommen, jedenfalls sich durchs Leben schlagen, wenn er's nicht gar zum Gelehrten, zum Staatspräsidenten oder sonst zu etwas Großem bringt. In einer Republik ist ja alles möglich! ... Welcher Papa wiegt sich nicht gern in solch goldenen Zukunftsträumen?
«Kann nicht auch ein Sattelmeier
Ein gelehrtes Söhnlein haben ... (Dreizehnlinden).»
Aber ein Mädel?! – das verbleibt ihm ja nicht, das muß er füttern und großziehen für andere, denn es wird Eigentum der anderen!
Darum beginnt schon gleich die Sorge, dessen Zukunft zu sichern, indem man ihm nicht etwa einen Bräutigam, sondern eine «Schwiegermutter» sucht.
Auch die Familie des Jungen sucht sich mit einer andern Familie zu «verschwägern». So treffen sich zwei Wünsche auf einer Bahn, die Sache geht voran, und endet wie ein Roman, mit Hochzeit. Doch fehlt's darin an Poesie und Abenteuer, Leidenschaft und Sündentaumel. Denn gemeiniglich kümmern sich Wickelkinder bitterwenig um Liebesromantik, Verlobungsfeste und Zukunftssorgen. Das sind Geschäfte der Eltern, welche sie mit Hilfe von Maklern erledigen.
Es sind gewöhnlich ältere Verwandte, aber auch Berufsvermittler, welche zwischen den beiden Familien hin- und herwandern, hier sorgfältig auskundschaften, wie die Vermögensverhältnisse des Zukünftigen, besonders aber der Charakter und Ruf der Schwiegermutter sind; wie auf der andern Seite das Milieu aussieht, ob die Familie ebenbürtig, die Schwiegertochter gelehrig, sanft, pietätvoll, arbeitstüchtig sei – und wie teuer sie wohl zu stehen käme .....
Dazu nimmt man sich Zeit, alles geht «maen maendi» mit Umsicht und Bedacht, manchmal jahrelang.
Endlich kommt es zur Verlobung, die so ziemlich die Form eines Handels annimmt.
Es werden auf großem, roten Papier zwei Urkunden aufgestellt und ausgetauscht und der Familie der Braut eine vereinbarte Geldsumme ausgehändigt, sozusagen der Kaufpreis, als Entgelt für die Auslagen, welche das Mädchen zu Hause verursacht.
Dieser Vertrag ist streng bindend und kann kaum ohne schwere Händel und Prozesse gekündigt werden, ja es ist leichter, eine eingegangene Ehe zu lösen, als eine Verlobung rückgängig zu machen.
Von nun an betrachten sich die beiden Familien als verwandt und tauschen gegenseitig Freundschaftsgeschenke aus.
Es wird kaum ein 10–12jähriges Mädchen geben, das nicht schon eine Schwiegermutter in Aussicht hätte.
Wenn die Kinder größer werden, so hören sie natürlich auch gelegentlich von der «andern Familie» reden und erfahren, daß sie verlobt sind; aber sie haben sich ganz teilnahmslos zu verhalten. Niemals werden sie sich sehen oder besuchen oder schreiben, noch viel weniger sprechen.
Ja, es gälte als Schmach und Schande, würde der Bräutigam auch nur das Heim seiner Zukünftigen betreten. Liebschaften mit all dem Drum und Dran sind unbekannt.
Haben die Verlobten das heiratsfähige Alter erreicht, durchschnittlich 16 Jahre für sie. 18 Jahre für ihn, so verständigen sich die beiden Familien in ähnlicher Weise, um den Hochzeitstag festzusetzen. Auch hierbei haben die Interessierten kein Stimmrecht.
Hat man einen Glückstag herausgefunden, so werden große Vorbereitungen getroffen, namentlich im Hause des Bräutigams, denn die ganze Verwandtschaft feiert mit. Das verursacht große Auslagen. Darum ist es eine schöne Sitte, daß die Eingeladenen ein angemessenes Geldgeschenk zur Bestreitung der Kosten voraussenden.
Das Wesentliche an der Hochzeit ist die feierliche Uebertragung der Braut in ihre neue Familie. Diese hat wiederum Geld und Geschenke in das Haus der Braut zu senden, um dieselbe würdig auszustatten.
Ein Einheiraten des Mannes in die Familie der Frau gibt es nicht, weil diese ja nicht erben kann.
Zur festgesetzten Stunde bildet sich die Hochzeitsprozession. Der Herr Bräutigam, im höchsten Feststaat, mancherorts mit roten Bändern um den Hut, folgt in einer schönen Sänfte dem oft beträchtlichen Zug, der mit Musik, Fahnen und Petarden ins Dorf der Braut zieht.
Dort wird ihm und seinen Freunden von den Schwiegereltern eine Erfrischung aufgetragen. Die gute Sitte will es, daß er sich steif wie eine Tanne verhalte, die größte Gleichgültigkeit der Welt zur Schau trage und sich um alles eher als um seine künftige Lebensgefährtin kümmere.
Uebrigens bekommt er sie auch gar nicht zu sehen. Denn in der Zwischenzeit wird sie in einem andern Raume von der Friseurin behandelt. Der jungfräuliche Zopf wird aufgelöst und zu einem Schopf gewunden, der mittelst langer Haarnadeln aufgesteckt wird. Sie trägt meist knallrote oder hellgrüne Hosen und grellfarbige, ja sogar goldgestickte Gewänder, welche, wie die Sänften und der übrige Pomp, geliehen sein können. Blumen und Ohrengehänge vervollständigen den Brautstaat.
Die «heulende» Braut.
Verschleiert wird sie von festlich gekleideten Ehrendamen unter Heulen und Weinen und Weheklagen Dieses eigentümliche Gebaren der chinesischen Bräute, das uns bei den Christinnen noch mehr auffällt, bedarf einer kurzen Erklärung. Die große Nationaltugend, deren sich jedes brave Kind der gelben Erde zu rühmen sucht, ist die Pietät, Anhänglichkeit und Dankbarkeit seinen Eltern gegenüber. Da nun das Mädchen bei der Heirat vollständig in die Familie des Bräutigams übergeht und die Seinen verläßt, so verlangt die kindliche Liebe, daß es zeige, welch großes Opfer es bringe, wie es nur widerstrebend sich trenne, also eine sehr pietätvolle Tochter sei, selbst wenn sie herzlich gerne sich ins Ehejoch spannen will. – Allerdings bangt den armen Kindern oft auch aufrichtig vor der unbekannten Zukunft. - aus dem elterlichen Haus hinausgezerrt und besteigt eine zweite mitgebrachte Sänfte, deren Fenstervorhänge sie allen neugierigen Blicken entziehen. Die Türe wird verschlossen und der Schlüssel dem Bräutigam übergeben.
Das ist das Zeichen zum Aufbruch. Das Orchester setzt wieder ein, und der Zug kehrt ebenso feierlich zurück. Je näher er dem Heimatsdorfe kommt, umso lauter blasen und schlagen die Musikanten, umso reichlicher werden Knallraketen verschossen, umso mehr Neugierige schließen sich an oder bilden Spalier.
Vor dem großen Hoftore wird Halt gemacht, der Bräutigam steigt aus, der Zeremonienmeister öffnet die Sänfte der Braut. Diese, immer noch verschleiert und gestützt von zwei Ehrendamen, überschreitet auf einem vor ihr ausgebreiteten roten Teppich die Schwelle.
Vor einem Altartisch, auf dem ein Götzenbild zwischen roten Kerzen thront, knien die Brautleute nieder und huldigen der Gottheit; darauf überreicht der Bräutigam der Braut, deren Schleier zurückgeschlagen wird, ein Schälchen Opferwein: sie trinken sich gegenseitig zu – und sehen sich zum erstenmale! –
Damit ist die Ehe geschlossen.
Dann machen beide den auf Sesseln sitzenden Alten den dreimaligen Kotou als Zeichen der kindlichen Ehrfurcht. Natürlich spielt in diesem feierlichen Augenblick die Musikkapelle «fortissimo». Nebenbei gesagt, wird das Orchester nach seiner Lungen- und Muskelkraft bewertet und gleicht in seiner Harmonie am ehesten einem Konzerte der berühmten Bremer Stadtmusikanten ...
Und nun beginnt das Schmausen und Feiern, das je nach dem Vermögen sich richtet. –
Im Hochzeitszuge selbst, oder auch in einem andern vorher organisierten Zuge, wird auf roten Tragbahren die Mitgift oder Aussteuer der Braut in ihr neues Heim getragen. Sie ist natürlich, wie der Hochzeitspomp, verschieden je nach dem sozialen und finanziellen Stande der Familien.
Auf dem Lande werden gewöhnlich ein paar Möbelstücke und andere Ausstattungsgegenstände, Hühner und dergleichen mitgegeben.
Reiche Geldprotzen lassen oft ein ganzes Vermögen in kilometerlangem Zuge durch die Stadt tragen, um zu zeigen, daß sie ihre Tochter nicht wollen darben lassen, «sie haben's ja.» –
Nun beginnt für die Neuvermählte ein neuer Lebensabschnitt. Sie geht vollständig in die Familie ihres Herrn Gemahls über und wird von der Schwiegermutter in die Schule genommen. – Und das ist oft eine recht harte Schule. Sind schon andere, ältere Schwägerinnen im Haus, so kommt sie unter sie, als Mädchen für alles.
Rechtlos, schutzlos, ist sie der Erziehungskunst, oft auch den Launen der Schwiegermutter ausgeliefert. Der Mann kann ihr nicht helfen, denn auch er untersteht machtlos der elterlichen Gewalt. Jede Auflehnung gegen dieselbe wird als Majestätsverbrechen geahndet.
Da bleibt der armen Schwiegertochter, die es schlecht geraten, nichts übrig als zu dulden, zu schweigen und zu weinen.
Sie mag sich allerdings mit dem Gedanken trösten, später auch mal Schwiegermutter zu werden und sich dann als Erzieherin zu entschädigen.
Solange ihre Eltern leben, denen sie von Zeit zu Zeit in Begleitung ihres Gatten einen Besuch machen darf, hat sie immerhin einen gewissen moralischen Rückhalt.
Eine andere, von der bösen Schwiegermutter sehr gefürchtete Waffe, ist ihre Zunge. Sie kann sich für schlechte Behandlung nicht besser rächen, als wenn sie mit zersausten Haaren hinausläuft und die Untugenden ihrer Herrin laut heulend und schreiend durch die Gassen schmettert, sodaß die «mitleidigen» Nachbarinnen ihre Köpfe zusammenstecken und ein strenges Ehrengericht über die böse « Soto» (Schwiegermutter) halten .... Vor der öffentlichen Dorfmeinung hat die Letztere gewaltigen Respekt, denn sie fürchtet, «das Gesicht zu verlieren» und beim Werben um eine andere Schwiegertochter, sich einen Korb zu holen.
Uebrigens gibt's auch brave Schwiegermütter, ganz glückliche Familienverhältnisse und gegenseitiges Verstehen, ja Lieben.
Wenn ein Stammhalter ankommt, so steigt das Ansehen der jungen Mutter und wächst mit ihrer Familie immer mehr. Sie erfreut sich seitens ihrer Nachkommenschaft all der Rücksicht, welche die chinesische Nationaltugend kindlicher Pietät vorschreibt.
Wird durch das Ableben des Altvaters oder durch schon vorherige Zuteilung der Erbschaft ihr Gemahl selbständig, dann wird sie die Herrscherin, wenigstens im Innern des Hauses, und vielleicht gar selbst Schwiegermutter; damit ist ihr irdisches Daseinsideal erreicht.
Man sollte meinen, daß es bei solch rein passiven Verbindungen viele unglückliche Ehen geben müßte. Dem ist aber nicht so. Ehescheidungen sind verhältnismäßig seltener als in manchen hochzivilisierten Ländern mit einer aufgeklärten, emanzipierten Jugend, die den Rat der Alten als freiheitsstörend mißachtet.
In dem patriarchalischen Heiratssystem Chinas fällt die gefahrvolle Liebschaftsromantik mit allen ihren blendenden, leidenschaftlichen, das Urteil verwirrenden Auswüchsen vollständig weg.
Die erfahrenen Alten gehen vor mit all der Klugheit, Berechnung, Leidenschaftslosigkeit wahrer Lebensweisheit. Alles wird bedächtig und gründlich erwogen. Zudem sind sie auf das Wohl ihrer Kinder bedacht und würden sie nicht leichtfertig einer übelbeleumundeten Schwiegermutter ausliefern, geradesowenig wie letztere einem noch so schön schillernden Hausdrachen ihre Türe öffnen würde.
Im Vorstehenden haben wir in allgemeinen Zügen Los des chinesischen Weibes unter der Herrschaft der heidnischen Landessitten gezeichnet, die gewiß manche Lichtseiten aufweisen, die unbedenklich im Christentum weiterbestehen, ja sogar andern christlichen Völkern empfohlen werden könnten.
In den zivilen Gebräuchen, mit Ausnahme einiger abergläubischer Beimischungen, wird daher auch nichts geändert.
Bei christlichen Ehen wird aber selbstverständlich die einschlägige kirchliche Gesetzgebung beobachtet, deren wesentliche Forderung die freie Einwilligung der Brautleute ist. Nur freie Verlobungen und Ehen werden als gültig anerkannt.
Aber auch hier werden alle diplomatischen Vorbereitungen von den Alten geleitet, und erst am Schluß wird das entscheidende Ja der Interessierten gefordert.
Bei diesen Zeremonien spielt die chinesische Sitte oft stark mit hinein, sodaß es mitunter zu komischen Szenen kommt.
Natürlich wird gesorgt, daß schon vorher die freie Zustimmung der Ehegatten festgestellt wird.
Es war uns einmal vergönnt, insgeheim Zeugen einer christlichen Verlobung und Heirat zu sein.
Zur Verlobung erschien der Freier in Begleitung seines älteren Bruders und Onkels im Sprechzimmer des Paters, der ihm die Bedeutung des Verlobungsvertrags kurz klarlegte.
Dann brachten eine Tante und eine Schwägerin unter vielen Stößen und Püffen und Zureden die Braut herein, die sich rasch in eine Ecke flüchtete und die Wände anstarrte. Die beiden «Liebenden» würdigten sich keines Blickes, schienen im Gegenteil sich zu fliehen und zu hassen wie zwei gleichnamige Pole.
Der Pater stellte die vorgeschriebene Frage, worauf der Junge auf Geheiß des Onkels mit einem festen Ja antwortete und auf dem Register mit dem Tuschepinsel seinen Namen unterzeichnete.
Dann ging er ganz rasch hinaus, die gegenüberliegende Wand betrachtend, aber unter der Türe doch einen verstohlenen Blick in den «Schmollwinkel» werfend.
Jetzt wurde das Mädchen aus seiner Ecke zum Tisch geschoben, wo es mit trotzigen Gebärden vor dem Verlobungsregister stand.
Auf die übliche Frage erst keine Antwort. Die Begleiterinnen redeten ihr zu, bis endlich ein halbverschlucktes Ja herauskam; dann noch ein Kreuz mit dem Pinsel, und nun gings spornstreichs davon wie nach einer bösen Tat ....
Bei der kirchlichen Trauung, die immer der feierlichen Ziviltrauung vorhergeht, geht's ähnlich her, zum nicht geringen Verdruß des jungen Missionärs, der es unterlassen, seine Leutchen vorher gehörig ins Zeug zu nehmen, damit wenigstens das Wesentliche des Ehekontraktes nicht durch diplomatische Grimassen gestört werde.
Die Brautleute rücken wieder getrennt an, jeder Teil mit seiner Begleitung, kommen auf verschiedenen Wegen zur Kirche, und, wo mehr als eine Eingangspforte vorhanden, auch durch verschiedene Türen ins Gotteshaus, er gewöhnlich zuerst. Vorne stehen nebeneinander die zwei rotüberdeckten Betstühle. Beide Brautleute knieen möglichst ans äußerste Ende, sie dreht sich überdies noch ostentativ von ihm ab, der Wand zu.
Das sakramentale Jawort gibt der Bräutigam meist ohne Schwierigkeit. Aber bei ihr hat's oft seine liebe Not. Es soll's niemand hören, und wenn sie im Herzen hundertmal Ja denkt und wünscht, so müssen die Ehrendamen und Zeugen oft alle Beredsamkeit und sogar noch stärkere Mittel anwenden, bis ein kurzes, leises, trotziges Ja herauskommt.
Der Priester atmet erleichtert auf. Das andere ist jetzt nur noch Chineserei!
Beim Händegeben streckt der Bursche auf Befehl seine Rechte aus, ohne indes nach ihr zu schauen. Die Braut hingegen weicht nur der Gewalt, die Ehrendamen bringen höchstens ihre Fingerspitzen zur dargebotenen Hand.
Ebenso «gewaltsam» wird der Brautring angesteckt und rollt nicht selten nachher in eine Ecke, wie man ein glühendes Eisen abschüttelt.
Nach der Messe ziehen die beiden «feindlichen Gruppen» auf getrennten Wegen wieder in ihr Heim, bis die feierliche Uebertragung der Braut, wie wir sie oben geschildert, stattfindet.
Einige Tage nach dieser Zeremonie kommen die Neuvermählten – diesmal aber zusammen, friedlich und versöhnt – um dem Pater ihre Aufwartung zu machen und ihren Dank abzustatten. Sie bringen einige Geschenke mit, die der Missionär durch noch größere Gegengeschenke wettmachen muß.
Bei den Waisenmädchen, die keine Eltern und Verwandte haben, müssen der Missionär bezw. die Missionärinnen, Vater- und Mutterstelle vertreten und für deren Zukunft Sorge tragen. So auch in Fukiatsung. Alles geht nach den Landessitten, unter Berücksichtigung ihres armen Standes. Weil sie aber als Mitgift eine tüchtige Ausbildung im Hauswesen besitzen, so herrscht rege Nachfrage, keine bleibt sitzen.
Die Freier müssen natürlich vom betreffenden Distriktmissionär ein Empfehlungsschreiben mitbringen, das auch den schwiegermütterlichen Leumund berücksichtigt.
Sollte unter unsern Lesern ein braver Bursche sein, «dessen Mutter gern eine Schwiegertochter» aus Glücksheim ins Haus nehmen möchte, wogegen weder ein kirchliches noch ein völkerrechtliches Hindernis besteht, so lassen wir die von der Waisenhausverwaltung gestellten, vom Werber zu erfüllenden Bedingungen kurz folgen Vgl. P. Karl Bilgermeier, O. F. M., im Jahresbericht der Franziskanermissionen. 1930, S. 28 ff., Hall, Tirol..
Vorbemerkt sei, daß alle Auslagen für Liebesbriefe, Ausflüge, Tanzboden, Flirt und Tand wegfallen, ja sogar jede Aussicht auf eine erfolgreiche Werbung ausschließen würden.
Dagegen wird, nebst einem erstklassigen religiössittlichen Führungszeugnis, naturgemäß verlangt, daß der Freier vermögend genug sei, Frau und Kinder redlich zu ernähren.
I. Zur Verlobung hat er zu stellen.
Für den Schreiber der Verlobungsurkunde 1 Diau Wir haben oben III die chinesischen Geldsorten erklärt. Durchschnittlich ist 1 Diau zu 1000 Sapeken ungefähr 2 Goldfranken. Teegeld, 2 Eheringe (brauchen weder aus Gold noch aus Silber zu sein, müssen aber glänzen!), ditto 1 Paar Ohrringe, 2 Haarnadeln, 1 Haarnetznadel, ein seidenes und geblümtes Kopftuch, 2 rote Pakete Zwieback, ein Stück Fleisch.
II. Für die Hochzeit oder das Heimholen der Braut:
7 Pakete Festbrötchen, 6 Pfund (à 650 gr.) Fleisch, 5 Dutzend Hühnereier, 20 Reisklöße in Palmblättern, 2 Hennen, 2 frische Fische, 2 Flaschen Reiswein.
Für die Träger 2 Pfund Fleisch, für die Türhüterin 200 Sapeken, für die Schneiderin 500, für die Friseurin 200, für die Sänftenräger je 200, für den Koch und seine Gehilfen 200, für die Träger der Geschenke 200 Sapeken Teegeld.
III. Der Waisenvater (Missionar) erhält:
2 Pakete Zwieback, 2 Pfd. Fleisch, 60 Diau (ungefähr 120 Goldfranken) zur Beschaffung der Brautausstattung; wenigstens 6 Pfd. Fleisch für seinen Haushalt und seine Gäste.
IV. Liste der Brautausstattung:
1 Lederkoffer mit Schloß, 14 chinesische Ellen (oder Fuß à 36 cm) Seidentuch, 12 Ellen blaues feineres Tuch, ebensoviel grobes Tuch, 14 Ellen schwarzer ausländischer Stoff, 50 Ellen einheimisches Tuch, 47 Ellen dunkelblaues Tuch, 40 Ellen weiße Baumwollstoffe, 2 Paar Tuchstrümpfe, eine gesteppte Wattedecke nebst Ueberzug und Futter, ein Moskitonetz mit 2 Haltern, 1 Spiegelkästlein, 1 Waschschüssel, 1 Kamm, 1 Regenschirm, 7 Paar Stoffschuhe, 32 Nägel für Regenschuhe, 2 Handtücher, 40 Ellen Schnüre, 1 Schere, ein Werktagskleid und ein Kleidchen für das «Kind der späteren Tage».
Außerdem wird je nach dem Vermögen musiziert und geschossen auf Kosten des Brautwerbers, was übrigens alles viel billiger, als in Europa; denn die Chinesen haben das Pulver erfunden!! –
Da «Glücksheim» das wahre «Niangkia», d. h. Mutterhaus dieser Mädchen ist, so kehren sie gerne wieder dahin zurück. Sie sind berechtigt an den großen Festen dort einige Tage zu verweilen, ein Privileg, das auch ihrem Gemahl zugute kommt.
Nach alter Sitte erhalten sie sogar einen Dollar als Geschenk, wenn sie mit ihrem ersten Prinzen anrücken.
Ihre Stellung in der christlichen Familie ist natürlich eine freiere, gesichertere als im Heidentum. Sie sind keine Sklavinnen, keine willenlose Ware, sondern die durch das Sakrament erhobenen, mit heiligen Rechten ausgestatteten Gefährtinnen des Mannes.
Das mag wohl ein Grund dafür sein, daß diese jungen christlichen Frauen der Kirche so treu ergeben und anhänglich sind. Denn ihr verdanken sie die großen Wohltaten, um die ihre heidnischen Schwestern sie beneiden. In ihrer neuen Umgebung wirken sie in der Regel eifrig für die Ausbreitung des Glaubens und bilden mit ihrem Hause den Kern der Christengemeinden und damit einer bodenständigen Kirche.