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Dan schlief diese Nacht in seinem alten Heim und hatte mit seinem Freund Reed eine vertrauliche Unterhaltung. Reed, der ein ansehnliches Geschenk erhalten hatte, war wieder bei der Polizeitruppe.
Es war schon nach elf, als Dan im Büro des Millionärs erschien. Er ließ sich melden wie ein gewöhnlicher Besucher, brauchte aber nicht zu warten.
»Was soll denn diese Albernheit?« fuhr ihn Lawrence an. »Läßt sich anmelden! Hier ist Ihr Platz! Setzen Sie sich hin und machen Sie sich an die Arbeit. Wo waren Sie denn den ganzen Morgen? Und wo waren Sie die letzte Nacht?«
Dan erschrak zuerst ein wenig, aber dann grinste er.
»Ich wußte doch nicht, daß ich hier noch einen Posten habe.«
»Das habe ich zu entscheiden! Ich werfe Sie schon hinaus, wenn ich mit Ihnen fertig bin. Und ich erwarte, daß Sie hier aushalten, bis es so weit ist, verstanden?«
Dan kannte den Mann nun gut genug, um zu wissen, daß all diese äußere Bissigkeit nur ein Deckmantel für Gefühle anderer Art war. Tiefe Zuneigung verband ihn mit Lawrence, nachdem sie gemeinsam soviel Schweres durchlebt hatten, und deshalb tat es ihm leid, den Wunsch des alten Herrn nicht erfüllen zu können.
»Ich kann den Posten hier nicht auf die Dauer übernehmen.«
»Zum Teufel, was soll denn das heißen?« rief Mr. Lawrence aufgebracht. »Sind Sie sich zu gut dafür? Zahle ich Ihnen nicht genug?«
»Viel zuviel! Um die Bezahlung handelt es sich dabei nicht. Aber ich möchte auf eigenen Füßen stehen.«
»Stehen Sie vielleicht auf eigenen Füßen, wenn Sie als Polizist die Gegend abpatrouillieren?«
»Nein. Aber als Leutnant habe ich ein gut Teil Freiheit.«
»Hier in meinem Büro sind Sie der Mittelpunkt aller Dinge!«
»Das weiß ich. Aber ich bin nun einmal nicht zum Privatsekretär geboren. Ich passe nicht dazu.«
»Was ist der wahre Grund, Dan?«
»Sie sind eine zu mächtige, erdrückende Persönlichkeit«, erwiderte Dan ruhig. »Ich kann hier nicht ich selbst sein.«
Der Millionär war mit diesem Kompliment nicht unzufrieden. Er stand auf und klopfte Dan auf die Schultern.
»Sie können einen wirklich verrückt machen!« sagte er. »Aber Sie sind ein Mann nach meinem Herzen. Vielleicht ist das Büro hier tatsächlich zu klein für uns beide … Aber bei der Polizei wären Ihre Fähigkeiten wertlos!«
»Wertlos?« fragte Dan, bereit, für seine geliebte Polizeitruppe zu kämpfen.
»Ach, es sind feine Kerle. Niemand weiß das besser als ich. Aber bei denen bringen Sie es erst in mittleren Jahren zu etwas, und bis dahin ist Ihre Kraft verschwendet.«
Dan entgegnete nichts.
»Ich lasse Sie den Leuten einfach nicht!« erklärte Lawrence gebieterisch. »Sie müssen für mich arbeiten. Was wollen Sie sein? Präsident einer Bank oder einer Eisenbahngesellschaft? Oder liegt Ihnen die Industrie mehr?«
»Ich komme mir ja selbst lächerlich vor«, sagte Dan grinsend. »Aber wie wäre es, wenn Sie mich zunächst einmal zum Sekretär einer kleinen Eisenbahngesellschaft machten, während ich das Handwerk lerne?«
»Gut. Ich werde Sie bei der O.- und M. unterbringen. Sie ist nicht groß, aber sie wird wichtiger werden als ein Glied einem größeren System. Welches Gehalt erwarten Sie?«
»Was der Posten eben wert ist.«
»Sagen wir – fünftausend Dollar im Jahr.«
»Ich glaube, das ist zuviel.«
»Verdammter Junge! Ich bin nicht dazu da, mich hier mit Ihnen herumzustreiten! Sie können es annehmen oder ablehnen!«
»Gut, ich nehme an«, erklärte Dan grinsend.
»Mit Ihnen werde ich ja noch meine Mühe haben. Dieses verwünschte Selbstbewußtsein! Sind Sie vielleicht auch zu stolz, mit Ihrem Chef zu Abend zu speisen?«
»Nein«, erwiderte Dan lachend. »Darf ich Miß Dirmer auch mitbringen?«
»Natürlich.«
»Ich habe sie noch nicht gewonnen, aber jetzt habe ich große Hoffnung.«
Er telephonierte ans Polizeipräsidium und verabredete sich mit Julia für ein Uhr bei Angelo.
In dem Lokal wurde er freudig begrüßt; alle wollten ihm die Hand schütteln oder ihm auf die Schulter klopfen. Dan fühlte sich sehr geschmeichelt.
Julia wartete in der letzten Nische auf ihn, und sie sah hübscher aus als jemals. Mit einem befriedigten Lächeln ließ er sich neben ihr nieder.
»Hallo?« sagte sie kühl.
Der Ton ihrer Stimme wirkte auf Dan wie ein kalter Wasserstrahl.
»Ist das alles?« fragte er.
»Was hast du denn erwartet? Soll ich vielleicht eine Siegeshymne für den großen Helden anstimmen?«
»Am Sonnabend – «
»Am Sonnabend war es etwas ganz anderes«, erwiderte sie schnell. »Warum wolltest du mich eigentlich sehen?«
»Du gefällst mir wirklich! Besteht denn nicht eine gewisse Vereinbarung zwischen uns beiden?«
»Ach, das ist doch nun alles vorbei.«
»So!«
»Wie konnte ich denn voraussehen, was sich alles ereignen würde? Ein großer Mann wie du kann sich hohe Ziele stecken. Du mußt jetzt Miß Lawrence heiraten.«
»Sie ist achtunddreißig Jahre alt und eine Philantropin.«
»Welchen Unterschied macht das?« fragte sie ironisch. »Es wäre doch so romantisch! Und die Allgemeinheit erwartet es von dir.«
»Die Allgemeinheit soll sich zum Teufel scheren!« murmelte Dan.
»Übrigens habe ich gehört, daß du mir die Stellung gerettet hast. Dafür bin ich dir natürlich sehr dankbar. Nachdem du jetzt Leutnant geworden bist, hoffe ich, daß ich ab und zu unter deiner Leitung tätig sein kann.«
»Ich bleibe nicht bei der Polizei. Mr. Lawrence hat mir einen Sekretärposten bei einer Eisenbahngesellschaft angeboten.«
»Herzlichen Glückwunsch«, entgegnete Julia mit starrem Lächeln.
Es folgte ein peinliches Schweigen. Endlich fühlte Dan unter dem Tisch nach Julias Füßen und schloß sie zwischen seine eigenen ein.
»Julia«, sagte er leise, »du weißt doch, wie sehr ich mich nach dir sehne. Warum bist du so hart zu mir?«
Sie gab nach.
»Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?« erwiderte sie und senkte den Kopf. »Das wollte ich doch nur hören.«
Er nahm ihre Hände.
»Du hast mir niemals eine Möglichkeit dazu gegeben. Du hast mich immer verspottet.«
»Nun, ich bin eben keine Weinranke. Du bist dahergekommen, als ob du sagen wolltest ›Sieh, was für ein großer Mann ich bin!‹ und da habe ich eben geschwiegen. Es tut mir leid, Dan.«
»Schon gut, Liebling. Wahrscheinlich hast du recht gehabt.«
»Laß uns von hier fortgehen«, sagte sie plötzlich. »Sonst muß ich noch weinen.«
Als sie auf der Straße standen, überlegte sie es sich und weinte nicht. Glücklich, schweigend und Arm in Arm gingen sie nebeneinander her.
»Ich habe in der Zeitung gelesen«, sagte Julia schließlich, »daß Christie Lauderdale Nickolas Malata, den Bessarabier, heiratet.«
»Ja, das arme Kind! Sie hätte ein besseres Los verdient!«
»So!« Julia tat, als ob sie Dan ihren Arm entziehen wollte.
»Aber fange doch nicht schon wieder an!« sagte er warnend.
»Wohin bringst du mich eigentlich?« fragte sie argwöhnisch, als er sie selbstbewußt weiterführte.
»Zu einem Juwelierladen. Es fehlt noch ein Ring an deiner Hand.«
Ende.