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XXX.

Die Kajüte war bedeutend besser ausgestattet, als es sonst auf einem Leichter der Fall ist. Zu beiden Seiten lagen dicke Polsterkissen auf den Truhen, und im Hintergrund befand sich ein angebautes Büfett. Ein sauberes Tischtuch war ausgebreitet.

Mr. Lawrence und Penman setzten sich, sahen einander an und grinsten. Jeder von ihnen war in seiner Art tüchtig. Einer der Leute servierte die Suppe.

»Soweit wären wir also gekommen, Mr. Lawrence«, begann Joe. »Wir beide können uns ja ruhig ins Gesicht sehen. Wir sind die zwei größten Verbrecher in den Staaten. Außerdem ist es mir eine Ehre, mit Ihnen zusammen zu sein.«

»Wie heißt eigentlich dieses Schiff?« fragte Lawrence beiläufig. »Ich habe den Namen nirgends entdecken können.«

»Für diese Reise haben wir ihn übermalt«, entgegnete Joe, »und das Schiff ›Incognito‹ getauft.«

»Nun, ich kann wenigstens mein Abendessen an Bord einnehmen, das hat mir immer die größte Freude gemacht. Wer hat übrigens diesen Plan ausgeheckt, Joe?«

Joe war in seiner Eitelkeit gekränkt und wurde ernst. »Sehe ich denn aus wie ein Kerl, dem man ins Ohr blasen muß, was er zu tun hat? Natürlich war es mein eigener Plan von Anfang bis zu Ende.«

»Nun, dann sagen Sie mir bitte auch, warum Sie während der letzten Tage zwei Scheinangriffe auf mich gemacht haben. Weder ich noch Dan haben das herausbringen können.«

»Das kann ich Ihnen sagen. Zwischen uns gibt es jetzt keine Geheimnisse mehr. Ein anderer möchte Sie gern beiseiteschaffen. Ich bin eigentlich kein Mann, der einen umbringt, dazu bin ich zu zartfühlend.« Er lachte. »Aber dieser andere Kerl ist zu mir gekommen und hat von mir verlangt, daß ich Sie erledige. Ich habe sein Geld genommen, und um ihn bei Laune zu halten, habe ich auch zum Schein zwei Mordversuche gemacht. Dadurch habe ich das nötige Geld aufgebracht, um mir dieses Boot zu verschaffen, und jetzt verdiene ich bei der Sache fünfmal soviel, als wenn ich Sie hätte erschießen oder sonst um die Ecke bringen lassen. Verstehen Sie jetzt, was ich meine?«

»Vollkommen klar. Wer ist denn dieser Herr, der mich durchaus ins bessere Jenseits befördern will?«

»Das müssen Sie nicht fragen, denn ich verrate andere Leute nicht. Außerdem weiß ich gar nicht, wer er ist. Ich habe durch seinen Bevollmächtigten mit ihm verhandelt.«

»Und wer ist das?«

»Von mir werden Sie das niemals erfahren. Aber ich will Ihnen etwas anderes sagen. Der Kerl war ziemlich dämlich, aber schließlich hat er doch herausgebracht, daß ich ihn nur an der Nase herumführe, und heute ist sein Bevollmächtigter zu Owney Randall gegangen und hat ihm einen dicken Stoß Banknoten gebracht. Kennen Sie Owney Randall?«

»Den Revolverhelden von Corlears Hook? Von dem habe ich schon gehört.«

»Owney Randall schickt seine Mordschützen unter der Leitung von Smoke Atchey aus. Heute nacht liegen sie mit vier Maschinengewehren in Ihrem Park auf der Lauer und warten, daß Sie nach Hause kommen.«

Mr. Lawrence warf Joe einen Blick zu und zog die Augenbrauen zusammen.

»Ist das nicht auch geschwindelt, Joe?«

»Nein. Ich mußte so schnell wie möglich arbeiten, um den anderen zuvorzukommen.«

»Nach Ihrer Erzählung haben Sie mir also heute abend das Leben gerettet«, sagte Lawrence kühl und brach ein Stück Brot ab.

»Natürlich habe ich das getan, Mr. Lawrence. Gar nicht zu reden von Ihren vier Leuten.«

»Ich sehe ein, daß Sie recht haben.«

»Hoffentlich vergessen Sie das nicht, wenn Sie Ihre Entscheidung treffen?«

»Joe, nach allem halte ich Sie tatsächlich für meinen Retter«, entgegnete Lawrence nüchtern.

Als der Millionär das Essen beendet hatte, schob er den Stuhl zurück und nahm seine Zigarettentasche heraus.

»Also, nun wollen wir einmal geschäftlich reden, Joe. Wieviel Lösegeld wollen Sie haben?«

»Wie ich Sie kenne, brauche ich nicht mit Ihnen zu feilschen«, entgegnete Joe etwas zurückhaltend. »Entweder nehmen Sie meinen Vorschlag an, oder Sie lassen es.«

»Das ist auch meine Meinung. Wenn ich Ihren Vorschlag ablehne, haben Sie eben Pech.«

»Das werden Sie nicht tun, Mr. Lawrence«, entgegnete Joe und grinste.

»Nun, wir werden sehen. Also, wie hoch ist Ihr Preis?«

»Eine Million Dollars.«

Die Zigarre von Mr. Lawrence zog nicht recht, und er rollte sie erst zwischen den Fingern, bevor er antwortete.

»Es wäre besser, wenn Sie sich mit der Hälfte begnügen würden«, meinte er dann.

»Fangen Sie nur nicht an zu handeln, Mr. Lawrence«, sagte Joe düster.

»Das tue ich nicht. Ich würde Ihnen ebensogut eine ganze Million als eine halbe zahlen, aber die Größe der Summe macht die Durchführung des Plans unnötig schwer.«

»Das muß ich riskieren.«

»Ich nehme an, Sie wollen die Summe in Gold ausbezahlt haben?«

»Selbstverständlich!«

Mr. Lawrence zog einen Bleistift aus der Tasche und machte eine Berechnung auf der Tischdecke.

»Eine Million Dollars in Gold würden etwa anderthalb Tonnen wiegen«, sagte er nach kurzer Zeit.

Joe sah unsicher zu Boden.

»Nun gut, dann muß ich eben Banknoten nehmen.«

»Die Leute reden über Millionen, als ob es Baumblätter im Herbst wären, besonders Leute, die keine Erfahrung damit haben. Eine Million ist wirklich eine große Summe. Der Versuch, sie in ein paar Stunden zusammenzubringen, würde bei den Bankleuten ungeheuer auffallen. Wenn überhaupt jemand einen derartig hohen Betrag auftreiben kann, dann ist es Dan. Aber es wird keine Kleinigkeit sein, und es ist viel wahrscheinlicher, daß Sie Erfolg haben, wenn Sie sich mit einer halben Million begnügen, als wenn Sie sich darauf festlegen, eine Million zu erhalten.«

»Ich will eine Million haben«, erklärte Joe hartnäckig.

»Schön, wenn die Sache schief geht, freuen sich meine Erben, daß Sie so habgierig waren. Haben Sie irgendeine Zerstreuung an Bord? Es wird ein ziemlich langer Abend werden.«

»Der Radioapparat steht direkt hinter Ihnen«, bemerkte Joe.

Mr. Lawrence wandte sich um und drehte an der Einstellung.

»Holen Sie Dan herein, er kann uns Gesellschaft leisten«, warf er hin. »Wir müssen die Sache für morgen sehr genau überlegen, und ich muß ihm noch viele gute Ratschläge geben, wenn die Sache gelingen soll. Sie können ja zuhören, wenn Sie wollen.«

»Nein, das geht nicht, Mr. Lawrence. Ich habe hier zwar zu bestimmen, aber ich darf meine Leute nicht zu sehr vor den Kopf stoßen; sie fürchten sich tatsächlich vor dem jungen Menschen.«

»Glauben die tatsächlich, daß er hexen kann? Gehen Sie wenigstens hinaus und sehen Sie zu, daß er anständig behandelt wird. Er muß jedenfalls in guter Form sein, wenn er morgen in mein Büro geht.«

Joes Gesicht rötete sich, als er diese ruhigen Worte seines Gefangenen hörte. Er war im Begriff, ärgerlich abzulehnen, aber dann überlegte er es sich und ging hinaus.


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