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XVI.

Die Gesellschaft, die der Millionär gab, war eine großartige Angelegenheit. Henry Waters hatte an dem Abend frei, aber Reed Garvan gehörte zu den Gästen, um die Zahl vollzumachen.

Im allgemeinen lebte Lawrence ziemlich einfach, aber an diesem Abend wollte er seinen Gästen imponieren. Wheatley, der Butler, stand an dem Büfett, und drei junge Diener servierten. Die Mitte des Tisches wurde von einem großen Blumenstück eingenommen; es waren Orchideen aus den Gewächshäusern des Millionärs. Außerdem speisten die Gäste von dem berühmten Goldservice.

Reed warf Dan einen vielsagenden Blick zu. »Donnerwetter«, sagte er leise, »ich hätte mir doch nie träumen lassen, daß ich noch einmal von goldenen Tellern essen würde!«

J. M. Lawrence saß am Kopfende der Tafel. Zu seiner Rechten hatte er D. D. Beddington, zu seiner Linken Ashley Barnes. Dan hatte den Platz gegenüber dem Hausherrn. Rechts von ihm saß der Bessarabier Malata, links Reed. Die Tafel war so groß, daß die einzelnen Gäste durch einen beträchtlichen Zwischenraum voneinander getrennt waren. Beddington trug eine Brille, um möglichst harmlos auszusehen, und sprach dauernd in einer etwas abgerissenen Weise, um seine wirklichen Gedanken zu verbergen. Barnes hatte einen langen, dünnen Kopf und volles Haar. Eine Locke hing ihm halb in die Stirn. Die lange Nase und der etwas schiefe Mund machten ihn so häßlich, daß er überall auffiel.

Malata war etwas untersetzt und versuchte, durch elegante Kleidung Eindruck zu machen. Aber sein rotes Gesicht und seine etwas blutunterlaufenen Augen verrieten doch seine Herkunft.

Alle drei wandten sich häufig an ihren Gastgeber, lächelten ihm zu und sagten ihm die ausgesuchtesten Komplimente.

»Mein Gott, das ist ja eine fabelhafte Ausstattung! Glänzend gelungen!«

»Nun, J. M. Lawrence weiß zu leben. Er versteht auch, seinem Essen den nötigen Hintergrund zu geben. Wir brauchten mehr Leute seiner Art in Amerika.«

Man erhob sich spät vom Tisch. Der Millionär und Dan waren zufällig die letzten, die den Speisesaal verließen, und Lawrence warf dem Detektiv einen fragenden Blick zu.

»Sie haben nun Gelegenheit gehabt, sich die Leute genauer anzusehen. Welcher von ihnen will mich meuchlings um die Ecke bringen lassen?«

»Ich weiß es nicht. Alle drei scheinen dazu fähig zu sein.«

»Beddington ist der schlaueste, Barnes der hinterlistigste und Malata der brutalste von ihnen. Nun können Sie wählen.«

Auf der Südseite des Hauses lagen mehrere Empfangsräume, die wundervoll durch alte Kristallkronen erhellt wurden. Hier hatte Lawrence seine hervorragendsten Kunstschätze aufgestellt, und es bereitete ihm ein besonderes Vergnügen, Barnes umherzuführen und seinem Rivalen alle die prachtvollen Glasschränke zu zeigen, in denen er die besten Stücke seiner Sammlungen verwahrte. Barnes bewunderte alles mit einem giftigen Lächeln. Die beiden anderen folgten. Beddington machte Bemerkungen in seiner abgerissenen Art, Malata schwieg. Dan und Reed blieben in der Nähe der Tür, die in die Halle führte.

Der Rundgang durch die Räume wurde durch den Butler Weathley unterbrochen, der Miß Lauderdale meldete.

Christie erschien in dem glänzenden Kostüm, in dem sie im letzten Akt auf der Bühne auftrat. Die schwarzen Augenbrauen und das heftige Rot ihrer Lippen gaben ihr ein exotisches Aussehen. Sie betrachtete die vier Millionäre am anderen Ende des Raumes wie eine Jägerin, die ihre Beute wittert, und vermied es, die beiden Sekretäre anzusehen, die an der Tür standen. Aber als sie an Dan vorüberkam, sagte sie unauffällig:

»Hallo, mein hübscher Junge! Sie haben also die Stelle bekommen!«

Dan erwiderte nichts, und Reed sah ihn erstaunt an.

»Du hast mir nie ein Wort gesagt, daß du sie kennst.«

»Warum sollte ich auch?«

Inzwischen eilten die drei Gäste Christie entgegen und wetteiferten darin, ihr Komplimente zu sagen. Nur Lawrence wartete am anderen Ende des Saales, daß sie zu ihm kommen sollte. Sie ging auch auf ihn zu und reichte ihm die Wange zum Kuß.

»Hallo, den Mund!«

»Zuviel Schminke schmeckt nicht gut«, erwiderte Lawrence liebenswürdig.

Die Besichtigung der Kunstschätze wurde fortgesetzt, aber Ashley Barnes blieb zurück. Er folgte den anderen in einiger Entfernung mit Christie, die sich für Kunst überhaupt nicht interessierte und das auch offen zeigte. Der Abstand zwischen ihnen und den anderen wurde immer größer, und als Lawrence mit seinen beiden Begleitern in den anliegenden Raum ging, setzten sie sich auf ein kleines Sofa und blieben dort. Dan und Reed folgten Lawrence.

Ashley Barnes grinste Christie an und spielte mit ihrer Hand. Trotz seiner Häßlichkeit hatte er bei Frauen Glück wegen seiner kühnen, herausfordernden Art. »Das ist ja ein unerwartetes Vergnügen«, sagte er leise.

Sie sah ihn unter ihren schönen Augenlidern an.

»Seit Monaten bewundere ich Sie aus dem Zuschauerraum, aber ich habe niemals zu hoffen gewagt, daß ich Sie einmal einen Augenblick für mich allein haben würde.«

»Ich glaube kein Wort von dem, was Sie sagen.«

Er fuhr fort, ihr Komplimente zu machen.

»An Ihrer Seite fühle ich mich wieder jung und werde romantisch. Ich wünschte nur, ich könnte etwas für Sie tun, was es auch wäre!«

»Ist das Ihr Ernst, oder ist nur die schwüle Luft daran schuld?«

»Ich meine jedes Wort so, wie ich es sage. Sie können ja einen Versuch mit mir machen!«

»Sie sind sehr reich?« bemerkte Christie beiläufig.

Er lachte. »Ja, die Leute sagen es wenigstens. Kein Mann ist reich nach seiner eigenen Schätzung.«

»Wenn Sie tatsächlich reich sind, könnten Sie etwas für mich tun.«

»Und das wäre?«

»Sie könnten mir das Geld geben für mein nächstes Stück, in dem ich die Hauptrolle spiele.«

Barnes erschrak nun doch etwas. Er lachte und rieb sich die Oberlippe. »Wieviel wäre dazu nötig?«

»Das weiß ich nicht«, erwiderte Christie gleichgültig. »Ich dachte, Sie wären reich, sonst hätte ich die Sache gar nicht erwähnt.«

»Sie sind wirklich fabelhaft!« sagte er entzückt und küßte ihr die Hand. »Sie sollten eigentlich nicht gezwungen sein, für Ihren Lebensunterhalt zu arbeiten.«

Sie lächelte ihn an.

»Wer ist denn der Direktor, der die ganze Sache leitet?«

»Das würde ich in eigener Person tun.« Christie warf ihm einen bezaubernden Blick ihrer blauen Augen zu. »Darauf kommt es mir ja eben an. Ich habe es satt, immer anderen gehorchen zu müssen. Jeder im Theater glaubt, er könnte mir befehlen.«

Barnes lehnte sich ein wenig im Sofa zurück, so daß er ihr Gesicht studieren konnte. Er kalkulierte, und Christie, die die Männer genau kannte, wußte instinktiv, wie er über die Sache dachte.

»Ich bin halb bereit, es zu tun, aber ich komme dadurch an den Bettelstab!«

»Ich könnte Sie dafür küssen!« Christie sah ihn mit einem Blick an, der ihn bezaubern sollte.

»Fahren Sie fort!«

Sie tat es nicht. »Was für einen Schlag würde das für Lawrence bedeuten«, sagte sie halblaut und sah auf ihre Hände.

Barnes lächelte hämisch. »Kann ich Sie einmal besuchen, damit wir die Sache näher besprechen können?«

»Gewiß, Sie sind mir jederzeit willkommen. Ich wohne im Hotel Champlain.«

»Ich werde mich vorher telephonisch anmelden, damit ich unseren gemeinsamen Freund nicht bei Ihnen treffe«, entgegnete er listig.

»Ich bin nicht das Eigentum von Lawrence«, entgegnete sie scharf. »Ich empfange, wen ich will.«

»Gewiß, trotzdem möchte ich ihm nicht gern in Ihrer Wohnung begegnen.« Er erhob sich. »Wir wollen jetzt wieder zu den anderen gehen.«

Als sie in den nächsten Saal traten, sahen sie ein wenig zu unschuldig aus. Dan betrachtete die beiden scharf, während er selbst von Reed beobachtet wurde, der unruhig geworden war.

»Dan, um Himmels willen«, flüsterte er ihm leise zu, »du wirst dich doch nicht in die Frau vergaffen?«

Dan fuhr zusammen. »Bist du verrückt? Hältst du mich wirklich für einen so dummen Jungen, daß ich mich in die Freundin unseres Boß verlieben könnte?«

»Sie ist eine ganz gefährliche Verbrecherin«, warnte Reed.

»Möglich. Aber sie ist wunderschön«, fügte Dan hinzu und stöhnte plötzlich.

Reed sah ihn bestürzt an. »Bist du tatsächlich schon so weit in sie verschossen, daß es schon zu spät ist?«

Dan riß sich zusammen. »Red' doch nicht solchen Unsinn. Wir haben hier unsere Pflicht zu tun.«

»Stimmt!« erklärte Reed und atmete erleichtert auf.


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