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XVIII.

Christie trug einen schimmernden Mantel aus Silberbrokat, als sie in der großen Halle auf Dan wartete. Sie sah ihn mit ihren rätselvollen Sphinxaugen an, aber er verriet sich nicht.

»Kommen Sie«, sagte sie kühl und wandte sich zur Tür.

Der kleine schwarze Wagen, den J. M. und Dan gewöhnlich benutzten, wartete vor der Haustür. Kaum hatte er sich in Bewegung gesetzt, als Christie unvermutet den Kopf auf Dans Schulter legte.

»Wenn ich müde bin, brauche ich eine Schulter, um daran auszuruhen«, erklärte sie.

»Gewiß«, erwiderte Dan grimmig. »Sie steht Ihnen zur Verfügung.«

»Und sie ist wundervoll breit und angenehm.«

Sie fuhren eine Weile schweigend, dann sagte sie plötzlich etwas scheu. »Können Sie mich nicht halten? Das Auto fährt so unruhig, ich werde dauernd hin und her geschleudert.«

»Ganz wie Sie wünschen«, entgegnete Dan und legte einen Arm um sie.

»Sie gehören wohl zu diesen schweigsamen, starken Männern, von denen man soviel hört?« sagte sie zornig.

»Ja, Sie haben recht.«

»Trotzdem haben Sie ein Herz, und ich fühle, wie es schlägt.«

»Es muß ja wohl schlagen, wenn man leben will.«

»Es schlägt aber schneller als sonst.«

Dan sagte nichts, und sie fuhren wieder eine Weile schweigend weiter. Aber unwillkürlich senkte sich sein Kopf tiefer und tiefer, bis schließlich seine Wange ihr Haar berührte.

Es hatte einen so wunderbaren Duft, den er nicht kannte.

»Halten Sie mich fester«, sagte Christie leise.

Dan fuhr zusammen und richtete sich auf. »Sie sitzen jetzt vollkommen ruhig und sicher.«

Christie hob plötzlich den Kopf und schob unwillig seinen Arm fort.

»Ach, wie ich Sie hasse!« sagte sie und lehnte sich in ihre Ecke zurück.

Er erwiderte nichts.

Kurz darauf hielten sie vor dem glänzenden Hotel, in dem Christie wohnte. Dan half ihr aus dem Wagen und begleitete sie über die Straße zu der großen Halle. Dort blieb er stehen, um sich von ihr zu verabschieden.

»Wollen Sie nicht mit nach oben kommen?« fragte sie zu seinem größten Erstaunen.

Dan stand wie versteinert und hielt den Hut in der Hand. »Aber das – das gehört nicht zu meinem Auftrag.«

»Nun, es ist aber mein Wunsch«, erklärte sie. »Kommen Sie, ich will Ihnen noch etwas zu trinken geben.« Mit diesen Worten ging sie weiter.

Dan zögerte, folgte ihr dann aber niedergeschlagen zum Fahrstuhl.

Sie führte ihn in einen schönen, prachtvoll dekorierten Salon. Mit einer Gesellschafterin, einer Zofe, einer Haushälterin, einem Hund und einer Anzahl von Lieblingsvögeln bewohnte sie im Hotel eine Reihe von Räumen. Die Gesellschafterin erschien sofort, um ihre Herrin zu begrüßen, und Christie stellte den Gast nachlässig vor.

»Mr. Woburn – Mrs. Blackie … Ach, meine Liebe, unterhalten Sie doch den Herrn, bis ich es mir bequem gemacht habe.« Dann verschwand sie.

Mrs. Blackie warf Dan einen skeptischen Blick zu. »Ich dachte, Miß Christie wollte heute abend Mr. Lawrence besuchen?« begann sie, nur um etwas zu sagen.

»Wir kommen von dort. Ich bin einer der Sekretäre von Mr. Lawrence.«

»Ach so. Ein wundervoller Mann, dieser Mr. Lawrence. So reich und so vornehm! Ich fürchte mich fast zu Tode, wenn ich ihn sehe, aber er fasziniert mich!«

Dan ließ sie ruhig reden. Er hatte den Kopf abgewandt und blickte düster auf den Teppich.

Christie kehrte gleich darauf in einem prachtvollen Hausanzug aus schwarzer Seide zurück, den ein vielfarbiger Gürtel zierte. Sie wußte nur zu gut, daß schwarz die Farbe war, die ihre Schönheit ins rechte Licht setzte. Sie hatte sich abgeschminkt, und ihre eigene zarte Hautfarbe wirkte noch viel schöner und verführerischer als die künstliche Aufmachung. Dan sah sie ausdruckslos an.

»Gehen Sie ruhig zu Bett, Liebling«, sagte sie gleichgültig zu Mrs. Blackie. »Ich gebe ihm nur noch etwas zu trinken, dann schicke ich ihn nach Hause.«

Die Gesellschafterin verabschiedete und entfernte sich.

Gleich darauf trat ein älteres Mädchen herein und brachte auf einem Tablett Whisky, Sodawasser und Eis.

»Stellen Sie es drüben auf den Tisch, Maud«, sagte Christie. »Ich brauche Sie dann nicht mehr.«

Es war Dans Gewohnheit, sich jedes neue Gesicht zu merken, und unauffällig beobachtete er das Mädchen. Sie war sehr sauber gekleidet und schien nur die gehorsame Dienerin zu sein, aber ihre blaßgrauen Augen hatten einen etwas hinterhältigen Blick.

Als sie gegangen war, machte Christie eine Handbewegung nach dem Tablett. »Ich möchte nur eine Spur Whisky, aber Sie können sich ruhig einen kräftigen Trank mischen.«

Während Dan damit beschäftigt war, die Gläser zu füllen, trat sie an eine der Glastüren und öffnete sie. Als sie sich dann umwandte, hob sie die Arme, so daß die weiten Ärmel zurückfielen. Ihre schöne Haltung faszinierte ihn.

»Ach, bringen Sie bitte die Gläser heraus.«

Sie führte ihn auf eine Terrasse hoch über der großen Stadt. Erleuchtete Fenster erstrahlten in den Hochhäusern rings um sie her. Christie ließ sich in einem bequemen, geflochtenen Schlafsessel nieder und streckte die Hand nach dem Glas aus.

»Stellen Sie Ihren Stuhl hier neben mich!«

Dan folgte der Aufforderung. Alles in ihm sträubte sich gegen sie, und doch wußte er, daß er ihr nicht widerstehen konnte.

»Warum hassen Sie mich?« fragte Christie vorwurfsvoll.

»Das ist eine seltsame Frage«, entgegnete er und lachte kurz auf.

»Sie hassen mich. Noch nie hat mich ein Mann so angesehen, wie Sie es jetzt tun. Und dabei sind Sie doch so nett, wenn Sie lustig sind. Könnten wir nicht Freunde werden?«

»Ich wünschte, wir könnten. Es wäre auch möglich, wenn Sie offen zu mir sein wollten.«

»Ich bin von Natur aus offen und ehrlich, aber durch das Leben beim Theater bin ich natürlich davon abgekommen. Niemand ist mir gegenüber offen und ehrlich, und die Männer lieben es auch nicht, wenn Frauen aufrichtig sind. Sie erwarten immer sehnsüchtige Blicke und schmachtendes Lächeln.«

»Dann versuchen Sie wenigstens, mir gegenüber ehrlich zu sein.«

»Nein«, sagte sie und warf ihm einen Blick unter ihren halbgeschlossenen Lidern zu. »Ich glaube nicht, daß ich es könnte. Ihnen gegenüber nicht.«

»Warum denn nicht?«

»Sie haben zu große Anziehungskraft für mich.«

Dan blickte düster vor sich hin. »Das ist ja gerade das, was ich meine. Ein Mann weiß nie, woran er ist!«

»Sie glauben es also nicht?«

»Nein, so sprechen Sie zu jedem Mann.«

»Ich meine es aber ernst.«

Dan stand auf. »Ich hätte nicht mit Ihnen nach oben kommen sollen«, erwiderte er rauh.

Auch Christie erhob sich, schnell und geschmeidig wie eine Katze, und trat nahe an ihn heran.

»Ich meine es ernst«, wiederholte sie einschmeichelnd.

»Sie haben bereits vier Millionäre, die Ihnen nachlaufen. Lassen Sie mich aus dem Spiel. Ich gehöre nicht, in diese Klasse!«

»Haben Sie jemals zwischen diesen Millionären und sich selbst einen Vergleich gezogen?«

»Warum geben Sie sich mit ihnen ab?« fragte Dan ärgerlich. »Sie sind eine berühmte Frau, ein Liebling des Publikums, Sie können ein paar tausend Dollar die Woche verdienen – warum sind Sie damit nicht zufrieden?«

»Sie verstehen das nicht. Ruhm ist das Unsicherste auf der Welt, und es gehört viel Geld dazu, berühmt zu bleiben. Wenn ich nicht Geld hinter mir hätte, würde ich schnell in Vergessenheit geraten.«

»Das kann ich begreifen.« Ihre Worte hatten ihn ernüchtert. »Aber lassen Sie mich zufrieden.«

»Darf ich niemals dem Zug meines Herzens folgen, nur weil ich mich mit Millionären gutstellen muß?«

»Ich komme jedenfalls nicht in Betracht!«

»Warum nicht?«

»Darauf wollen wir nicht näher eingehen.«

»Ich werde Sie aber doch für mich gewinnen. Sie können mir nicht auf die Dauer widerstehen.«

»Ich warne Sie, ich kann sehr häßlich werden – wenn man mich reizt.«

Christie schloß die Augen. »Wie verlockend! Das dürfen Sie nie einer Frau sagen, die Sie in Ruhe lassen soll.«

Dan erwiderte nichts.

Sie begleitete ihn wieder in den Salon. »Es ist wohl besser, daß Sie gehen«, sagte sie und zuckte die Schultern.

Dan sah sie traurig an. Nun, da sie ihn aufforderte, zu gehen, wollte er es nicht. »Es ist ein schrecklicher Gedanke für mich, daß Sie mich für einen Grobian und einen ungehobelten Menschen halten.«

»Das tue ich nicht«, entgegnete sie, ohne ihn anzusehen.

Er schaute sich um. Rings an den Wänden hingen viele Photos. »Das ist ein wunderbares Zimmer. Ich wünschte, ich dürfte hierherkommen.«

»Sie dürfen jederzeit kommen, wann Sie wollen.«

»Nein, ich werde nie wieder hierher zurückkehren!«

Christie wandte sich plötzlich um und trat auf ihn zu. Ihr Blick war unergründlich, und ihre Lippen bebten leicht. »Dan«, sagte sie leise. »Und wenn wir uns nicht wiedersehen sollten – nur dieses eine Mal!«

Sie hob das Gesicht. Ihre Augen schimmerten feucht.

Ein leises Stöhnen entrang sich seiner Brust. Es war mehr, als er ertragen konnte. »Ach, Christie!«

»Du bist so lieb, wenn du nicht böse dreinschaust – wenn auch du der Stimme deines Herzens folgst«, flüsterte sie kaum hörbar.

Er schloß sie in die Arme und wollte sie gerade küssen, als er ein Bild an der Wand hinter ihr bemerkte. Es war ein junger Mann, der schön gewesen wäre, hätte er nicht diese nichtssagenden, farblosen Augenbrauen gehabt. Dan ließ Christie los, als ob ihn eine Schlange gestochen hätte.

»Wer ist das?« fragte er brüsk.

Sie drehte sich bestürzt um. »Wer? … Was meinst du?«

»Dieses Bild.« Dan zeigte darauf.

»Das ist mein Bruder! Warum regst du dich denn so auf?«

Seine Züge verhärteten sich. »So, das ist Ihr Bruder?« Mit einer heftigen Geste wies er auf die Photographien. »Sind das alles Ihre Brüder? Ihre Familie muß ja riesengroß sein.«

Christies Augen blitzten ärgerlich auf. »Ich verstehe nicht, was Sie wollen. Nur der eine hier ist mein Bruder – sind Sie denn ganz verrückt geworden?«

Dan hatte sich wieder in der Gewalt. Sie hatte keine Macht mehr über ihn. »Kommen Sie oft mit ihm zusammen?« fragte er und lächelte grimmig. »Besucht er Sie hier in Ihrer Wohnung? Ich möchte ihn gern treffen.«

»Aber warum stellen Sie nur alle diese Fragen?« erwiderte sie argwöhnisch. »Er ist gerade kein Mann, auf den ich stolz sein könnte, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß er mein Bruder ist … Ich kann Ihnen auf Ihre Frage nicht antworten.«

»Das habe ich auch kaum erwartet.«

»Aber ich habe alles gemeint, wie ich es sagte«, erklärte sie leidenschaftlich. »Ich könnte dir etwas sein, was ich noch nie einem Manne war.«

»Es war nicht sehr klug von Ihnen, dieses Bild an der Wand hängen zu lassen«, entgegnete er hart. »Aber für mich war es ein Glück, daß ich es im rechten Augenblick sah!«

»Gehen Sie«, sagte sie düster. »Wenn ich jetzt schlecht werde, sind Sie daran schuld!«

»Ja, ich gehe!«


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