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Eine halbe Stunde später stand Dan vor dem großen Schreibtisch des Millionärs. Der alte Mann hatte sich in seinen Sessel zurückgelehnt und betrachtete Dan mit zusammengezogenen Augenbrauen.
»Ich danke Ihnen, daß Sie mir Gelegenheit geben, Sie zu sprechen«, begann Dan.
»Sie brauchen mir nicht zu danken«, entgegnete Lawrence kühl. »Ich war neugierig und wollte wissen, warum Sie noch einmal zu mir kamen. Ist es die gekränkte Unschuld des ehrlichen Mannes oder die bodenlose Unverschämtheit eines gemeinen Schuftes?«
Dan antwortete nichts darauf.
Nachdem ihn der Millionär eine Zeitlang beobachtet hatte, fuhr er fort: »Ich kann es im Augenblick auch nicht sagen, Ihr Gesicht ist so ausdruckslos wie die Wand dort drüben.«
Dans Züge wurden noch härter. »Ich kann nicht für mich selbst sprechen. Wenn ich für einen anderen eintreten sollte, würde es mir leicht fallen.«
»Warum sind Sie denn hergekommen?«
»Sie sind ein Mann von großer Erfahrung«, entgegnete Dan ernst, »Sie müssen die Charaktere der Menschen zu beurteilen verstehen, sonst hätten Sie nicht so beispiellosen Erfolg im Leben gehabt. Stellen Sie mich auf die Probe. Tun Sie alles, was Sie wollen!«
»Wie ging denn eigentlich heute morgen die Verhandlung im Polizeipräsidium aus?«
Dan gab einen kurzen, klaren Bericht.
»Hm«, war das einzige, was der Millionär darauf sagte.
»Wollen Sie nicht noch mehr Fragen an mich richten? Sie können doch dadurch sicher herausbekommen, ob ich Ihnen die Wahrheit sage.«
»Zum Donnerwetter, ich bin kein Anwalt. Eine Frage soll genug sein … Woher hat dieser Kerl soviel von Ihnen gewußt? Ich meine, daß Sie ein Mädel haben, daß Ihr Vorgesetzter Ihnen versprach, Sie zu befördern? Und vor allem, wie kam er zu Ihrer Waffe?«
»In die Pension, in der Reed und ich wohnen, ist vor einiger Zeit ein neuer Mieter eingezogen. Meiner Meinung nach muß er mit diesem Whitey unter einer Decke stecken. Wahrscheinlich ist er nur dorthin gekommen, um auszukundschaften. Es war ein freundlicher, liebenswürdiger Mensch, aber Reed und ich haben niemals unsere Privatangelegenheiten mit ihm besprochen. Es bleibt nur übrig, daß er es von unserer Wirtin erfahren hat, der wir alles erzählt haben.«
»Ja, aber wie kam er zu der Waffe?«
»Vermutlich hat er sich in mein Zimmer geschlichen, als ich schlief, und sie aus der Schublade entwendet. Sie lag in meinem Schreibtisch, aber ich habe ihn niemals abgeschlossen.«
Dan machte eine Pause und betrachtete ängstlich das Gesicht des Millionärs. Aber er konnte in dessen Zügen nichts lesen. »Bedenken Sie doch eins«, sagte er dann eifrig. »Wenn es stimmen sollte, daß ich Whitey die Waffe gab, mußte ich doch zwei Revolver haben, denn ich hatte gestern abend auch eine Schußwaffe bei mir. Wenn ich aber zwei Waffen hatte, würde ich ihm doch nicht ausgerechnet den Revolver geben, durch den ich mich verraten hätte!«
»Nun verteidigen Sie sich aber sehr geschickt«, entgegnete Lawrence sachlich.
Er erhob sich und ging wie gewöhnlich auf dem Teppich auf und ab. Nach einiger Zeit blieb er stehen. »Sie sagten, daß Sie Urlaub genommen haben?«
»Ja.«
»Nun, das paßt mir.«
Dan drehte sich schnell um. »Meinen Sie –?« fragte er verwirrt.
»Mir war es von jeher unangenehm, daß Sie zwei Chefs hatten«, erwiderte der Millionär, und es leuchtete schelmisch unter den buschigen Augenbrauen auf. »Wenn ein Mann für mich arbeitet, soll er auch nur für mich allein da sein!«
»Sie glauben nicht, was das für mich bedeutet!« sagte Dan, der sich vor Freude und Dankbarkeit kaum noch beherrschen konnte.
»Reden wir nicht mehr darüber. Ich bin beruhigt … Morgen abend gebe ich das Festessen, zu dem ich meine intimsten Feinde eingeladen habe.
Natürlich müssen Sie auch dabei sein, denn es war ja Ihre Idee.«
Dan hatte sich wieder gefaßt. »Nein«, entgegnete er fest. »Ich habe Ihnen gleich gesagt, daß es nicht nach meinem Sinn ist.«
»Nun ganz gleich, Sie sind jedenfalls die Ursache, daß mir der Gedanke gekommen ist«, entgegnete Lawrence und lachte leise. »Nehmen Sie den Block, ich will Ihnen einen Brief diktieren.«