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III.

Die Büroräume von J. M. Lawrence lagen im zweiten Geschoß des Gebäudes der National Columbia-Bank, die dem Millionär gehörte. Es war eins der ältesten Häuser in der Wall Street, und die einfachen, fast ärmlichen Räume waren oft in den Zeitungen beschrieben worden. Lawrence verachtete den Luxus, mit dem sich moderne Finanzgrößen umgaben, und gestattete nicht, daß in seinen Zimmern auch nur das geringste geändert wurde.

Als die Gefahr bestand, daß auf der anderen Seite der Straße ein Wolkenkratzer gebaut werden sollte, kaufte er die Ecke und ließ ein zweigeschossiges Haus auf dem Grundstück errichten. Dabei setzte er jedes Jahr ein paar hunderttausend Dollar zu, aber er hatte die Genugtuung, daß Sonnenschein auf seinen Schreibtisch fiel. Durch nahezu fürstliche Gesten wie diese zeigte der alte Herr, welche Macht er besaß.

Die Räume von Lawrence lagen bei den Hauptbüros der Indiana South Western-Eisenbahngesellschaft, die ebenfalls ihm gehörte. Obwohl seine Umgebung einfach war, wußte er doch, wie er sich vor Leuten schützen konnte, die nur seine Zeit unnütz in Anspruch nahmen, und Dan mußte den gewöhnlichen Instanzenweg durchmachen. Das junge Mädchen in der Telephonzentrale übergab ihn einem Boten, der ihn zu einem Sekretär brachte, einem elegant gekleideten jungen Mann. Dieser betrachtete Dan mit einem etwas sauren Lächeln und musterte ihn von Kopf bis zu Fuß.

»Ach so, Sie kommen vom Polizeipräsidium«, sagte er dann. »Sie werden erwartet.«

Nachdem er noch einige belanglose Fragen gestellt hatte, führte er ihn zu dem vornehmen Privatsekretär, der Carrington hieß. Auch dieser hatte einige Fragen an Dan, tat sehr von oben herab und vertraute dann den jungen Mann einem kleinen alten Diener an.

»Sie kommen von der Polizei?« fragte der mit einem verschmitzten Lächeln.

Dan antwortete nicht.

Nun kam er in das Wartezimmer für wichtige Besucher.

»Sie brauchen nicht lange zu warten, es ist nur noch eine vor Ihnen.«

Diese »eine« war eine junge Dame, die Dan den Rücken zukehrte, als er eintrat. Sie befand sich in Begleitung einer Gesellschafterin, die schon ziemlich alt und vertrocknet aussah und aufgeregt zu sein schien.

Als sich die junge Dame umwandte, erschrak Dan beinahe vor ihrer Schönheit. Sie hatte rotblonde Haare, meerblaue Augen und eine zarte Hautfarbe. Ihre Kleidung war mit erlesenem Geschmack auf ihre Persönlichkeit abgestimmt. Ein unbeschreiblicher Zauber ging von dieser Frau aus. Sicher würde jeder Mann, der sie auch nur ein einziges Mal gesehen hatte, sein Leben lang an sie denken.

Dan machte ein möglichst gleichgültiges Gesicht wie stets, wenn er heftig erregt war. Er tat es instinktiv aus Selbsterhaltungstrieb, denn eine solche Frau war gefährlich wie Gift.

Die meerblauen Augen betrachteten Dan gelassen, dann schauten sie weg. Aber gleich darauf blickten sie wieder zu ihm hinüber, und sie schienen unangenehm berührt zu sein, weil Dans Gesicht abgewandt war. Die junge Dame biß sich auf die Lippen. Plötzlich wandte sie sich etwas herablassend an ihn, wie es manchmal die Art königlicher Schönheiten ist.

»Können Sie mir eine Zigarette geben? Ich schmachte nach ein wenig Rauch.«

Die Gesellschafterin machte sich an ihrer Handtasche zu schaffen, aber sie wurde durch einen Blick zur Ruhe gebracht.

»Gewiß«, sagte Dan und nahm ein Päckchen Zigaretten heraus.

Während er ihr Feuer gab, warf sie ihm einen Blick zu, durch den sie ihn beeindrucken wollte. Sie hatte die Lider halb gesenkt und sah verführerisch schön aus, aber er schaute nur auf das Streichholz. Sie wandte sich ab, und ihre Nasenflügel bebten leicht. Plötzlich sprach sie ihre Begleiterin an.

»Liebling, wenn ich noch länger hier in diesem entsetzlichen Loch warten muß, werde ich ohnmächtig. Gehen Sie mal schnell fort und kaufen Sie eine Flasche Riechsalz im nächsten Geschäft.«

»Gewiß, selbstverständlich!«

Die Dame verließ sofort das Wartezimmer, und so blieben die beiden allein.

Die junge Dame kam langsam auf Dan zu, und wieder hatte sie die Augenlider halb gesenkt. Aber er sah hartnäckig zum Fenster hinaus.

»Ist es Ihnen nicht auch furchtbar, wenn man Sie warten läßt?«

»Ein Mann muß sich daran gewöhnen.«

»Aber ich bin nicht daran gewöhnt!«

»Nun, vielleicht haben Sie es früher mit anderen auch so gemacht?« entgegnete er langsam und vielsagend.

»Soll das ein Scherz sein?«

»Sie haben ihn herausgefordert.«

Sie betrachtete ihn, als ob er zu einer Art von Menschen gehörte, die ihr bisher noch nicht begegnet war, aber im nächsten Augenblick änderte sie das Thema. »Sind Sie Soldat?« fragte sie sanft.

»Nein. Wie kommen Sie darauf?«

»Sie sehen aus wie ein Offizier. Sie halten sich so gerade, und Sie haben so breite Schultern.«

Die Schmeichelei machte Dan nur noch vorsichtiger. Er erwiderte nichts darauf.

»Sie scheinen aber noch sehr jung dafür zu sein, daß Sie schon in Geschäftsverbindung mit dem großen Herrgott Lawrence stehen.«

»Er hat mit allen möglichen Leuten zu tun.«

»Gehören Sie Finanzkreisen an?«

Dan grinste. »Sehe ich so aus?«

»Nein. Aber das weiß man niemals genau.«

Sie betrachtete ihn neugierig, wandte aber den Kopf halb zur Seite, um es nicht merken zu lassen. »Warum wollen Sie Lawrence sprechen?« erkundigte sie sich gleichgültig.

Dan ließ sich das doch nicht gefallen.

»Fragen Sie die Leute immer so aus?« entgegnete er kühl.

Das Blut stieg ihr ins Gesicht. »So hat noch niemals jemand zu mir gesprochen«, entgegnete sie ärgerlich und drehte ihm beleidigt den Rücken zu. Dan wartete, daß sie sich beruhigen sollte.

Schließlich wandte sie sich auch wieder um und lächelte. »Sie müssen nicht so viel auf das geben, was ich sage«, begann sie freundlich. »Ich bin durch allzu viele Schmeicheleien verdorben. Es ist wirklich erfrischend, einmal einen Mann zu treffen, der ruhig sagt, was er denkt.«

Dans Gesicht blieb ausdruckslos. Er war allerdings bereit, ihr auf halbem Wege entgegenzukommen.

»Schließlich ist es kein Geheimnis, was ich mit Mr. Lawrence zu tun habe, ich wollte mir nur nicht kommandieren lassen. Ich suche eine Stellung.«

»Empfängt Lawrence denn solche Leute persönlich?« erwiderte sie ungläubig.

»Oh, ich habe mich durch viele Instanzen durcharbeiten müssen, ehe ich hierherkam.«

»Was für eine Stellung wollen Sie haben?«

»Ich bewerbe mich um einen Sekretärposten.«

Sie verzog den Mund leicht. »Begnügen Sie sich damit?«

»Nein. Aber wie meinen Sie das?«

»Nun, ich hoffe, Sie bekommen den Posten«, entgegnete sie liebenswürdig. »Dann können wir uns öfter treffen.«

»Danke. Ich werde mich nun vor allem deshalb um die Stellung bemühen.«

»Sie können auch recht nett sein, wenn Sie wollen.« Sie warf ihm einen Blick zu, der ihn im Innersten traf.

Aber er wich aus. »Ich könnte noch viel netter sein, wenn ich mich nicht so sehr vor Ihnen fürchtete.«

»Was, Sie fürchten sich vor mir?« rief sie und schaute ihn mit ihren blauen Augen so groß und unschuldig an wie ein kleines Kind.

»Sie sind eine gefährliche Frau!«

Nun leuchteten ihre Augen freudig auf. »Ach, das ist der Grund! Ach, wenn Sie nur absichtlich so abscheulich zu mir waren, macht es nichts aus. Ich dachte, Sie könnten mich wirklich nicht leiden!«

»Sie sind tatsächlich gefährlich«, sagte Dan grimmig.

In diesem Augenblick kam der alte Diener herein. Seine Bewegungen hatten etwas Schleichendes, und er hatte einen lauernden Blick. »Wollen Sie bitte mitkommen, Miß Lauderdale.«

Sie verließ das Wartezimmer, warf Dan aber vorher noch einen lächelnden Blick zu. »Auf Wiedersehen!«

Dan blieb allein und war aufs höchste erstaunt. Also das war Miß Lauderdale! Christie Lauderdale!

Donnerwetter, das ist doch seine Freundin! dachte er.

An diesem Tage schien Lawrence nicht in besonderer Stimmung zu sein, denn nach zehn Minuten kam Christie wieder aus dem Privatbüro heraus. Ihre Augen schössen wütende Blitze, und sie hatte die schönen roten Lippen zusammengepreßt, daß sie nur noch eine dünne Linie bildeten. Der kleine alte Diener machte sich mit ihr zu schaffen. Er lief um sie herum und rieb aufgeregt die Hände. Sie fegte an Dan vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Inzwischen war die Gesellschafterin zurückgekehrt und wartete geduldig mit dem Riechsalz in der Hand.

»Ein ganz unmöglicher Mensch, einfach unglaublich!« rief Christie ihr stürmisch zu.

Der Diener wollte verzweifeln. Die alte Dame folgte verschüchtert Christie, als diese das Zimmer verließ.

Dans Blicke folgten den beiden erstaunt. Er hätte viel darum gegeben, zu erfahren, was im Privatbüro vorgefallen sein mochte. Als er sich wieder umwandte, stand der kleine alte Diener neben ihm und betrachtete ihn mit seinen scharfen, listigen Augen, die in merkwürdigem Gegensatz zu seinem sonst so liebenswürdigen Wesen standen. Er begann wieder die Hände zu reiben, aber Dan hatte den lauernden Bück bemerkt und war nachdenklich geworden.

»Mr. Woburn, würden Sie so liebenswürdig sein, näherzutreten. Mr. Lawrence möchte Sie sprechen.«


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