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XXXVI.

Der Tote und der Gefangene wurden zur Polizeistation gebracht. Dan trugen sie ins Haus und legten ihn auf eine Couch nieder, während jemand Dr. Pulford telephonisch herbeirief.

Der Schuß hatte Dans linke Schulter durchbohrt, glücklicherweise aber den Knochen nicht verletzt. Der Arzt war bald zur Stelle, und nachdem er Dan verbunden und den Arm in eine Schlinge gelegt hatte, sagte er:

»Es ist nicht besonders schlimm, aber Sie müssen sich natürlich ruhig verhalten, wenn Sie das Wundfieber vermeiden wollen.«

»Für mich gibt es keine Ruhe«, erwiderte Dan leise. Immerhin willigte er ein, vorläufig liegenzubleiben.

Reed holte ihm andere Kleider, damit er sich umziehen konnte. Schließlich schickte Dan alle Leute aus dem Zimmer. In diesem Augenblick konnte er selbst seinen treusten Freunden nicht vertrauen, denn Julia und Reed waren Polizeibeamte.

Es war ihm unmöglich, liegenzubleiben. Bald stand er auf und ging im Zimmer auf und ab, während er eine Zigarette nach der anderen rauchte, um die Schmerzen seiner Wunde zu betäuben. Dabei überlegte er dauernd, was er noch tun könnte. Die drahtlose Station im Hause war wertlos, denn er kannte den Anruf von Joe Penmans Station nicht. Als einzigen Anhaltspunkt hatte er nur, daß er am Morgen irgendwo auf Long Island gelandet war, und zwar in einer Entfernung von ungefähr vierzig Meilen.

Als er aus dem Zimmer heraustrat, traf er seine Freunde in der Halle. Julia eilte zu ihm, und sie las seine Absicht in seinen Augen.

»Du darfst nicht ausgehen«, bestürmte sie ihn. »Wohin willst du? In diesem Zustand kannst du doch nichts ausrichten!«

Dan lächelte sonderbar, und Julia änderte ihre Taktik. »Laß mich mir dir gehen«, bat sie.

Dans harte Züge wurden milder. »Führe mich nicht in Versuchung.« Er schüttelte entschieden den Kopf. »Das ist unmöglich.«

»Wen willst du denn mitnehmen – Mr. Carrington?«

Sie sah auf den Mann, der zusammengebrochen in einem Sessel saß.

»Du siehst, du hast niemand außer mir, auf den du dich im Augenblick verlassen kannst«, sagte Julia eifrig.

»Ich dachte schon daran, den Bankwächter mitzunehmen, der ist stark und kräftig.«

»Aber er ist nicht gewandt genug«, protestierte Julia. »Du mußt einen wirklichen Kameraden haben, der dir auch beistehen kann.«

»Aber Liebling, du gehörst doch zur Polizei.«

»Nein«, entgegnete sie schnell. »Heute nicht, von jetzt an stelle ich mich unter dein Kommando. Traust du mir nicht?«

»Selbstverständlich traue ich dir, aber ich kann keine Frau mitnehmen.«

»Zweifelst du an meinem Mut?«

»Nein.«

»Kann ich nicht genau so schnell und sicher schießen wie ein Mann?«

»Das hast du ja eben bewiesen.«

»Wenn die Gefahr wirklich so groß ist, dann darfst du mich nicht zurücklassen. Wir beide gehören zusammen.«

»Gut, du hast mich überzeugt«, sagte Dan und lächelte. »Ja, ich brauche dich wirklich.«

Julia wurde rot vor Freude.

»Welche Befehle hast du für mich?«

»Verabschiede dich hier von allen und sage, daß du ins Polizeipräsidium zurückkehrst. Dann gehst du in die erste Telephonzelle, die du triffst, und rufst von dort aus den Roosevelt-Flugplatz an. Bestelle ein Wasserflugzeug, das sofort startbereit gemacht werden soll. Es muß vier Personen tragen können. Fahre so schnell wie möglich zum Flugplatz hinaus, und werde nicht ängstlich, wenn es ziemlich lange dauert, bis wir nachkommen können. Wir müssen erst die andern unliebsamen Leute, die uns folgen, abschütteln.«

Nachdem Julia gegangen war, wandte sich Dan an Carrington. »Ich werde einen letzten Versuch machen, um J. M. Lawrence zu finden. Vielleicht führt uns der schwache Anhaltspunkt, den ich habe, doch noch zum Ziel. Wollen Sie mitkommen?«

Der Privatsekretär schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er gebrochen, »ich bin bei solchen Dingen nicht zu gebrauchen. Ich falle Ihnen höchstens zur Last und hindere Sie.«

»Nun gut.«

Dan verbarg die Befriedigung, die er fühlte. »Dann werde ich den Mann von der Bank mitnehmen. Er kann den Koffer mit den Banknoten tragen.«

»Ich fürchte, daß keiner von Ihnen zurückkommt«, entgegnete Carrington hoffnungslos. »Und von dem Geld werden wir auch nichts mehr sehen.«

»Nun, jedenfalls wollen wir tun, was wir können«, entgegnete Dan zuversichtlich.

Er bestellte telephonisch das kleine, schwarze Auto mit dem zuverlässigen Chauffeur und ließ sich von dem Butler in das Haus von Miß Lawrence führen. Von dort kam er von dem hinteren Ausgange auf die Straße, wo auch der Wagen wartete, und stieg mit dem Mann von der Bank ein.

»Wir haben eine verteufelt schwere Aufgabe vor uns«, sagte Dan zu seinem Begleiter. »Wie heißen Sie?«

»John Dolan«, entgegnete der Wächter grinsend. Anscheinend hatte er keine Nerven.

Vor dieser Tür standen keine Neugierigen, aber sobald sie in die große Straße einbogen, merkte Dan, daß ihnen ein Taxi mit zwei Fahrgästen folgte. Sie machten keinen Versuch, ihre Gesichter zu verbergen, und Dan erkannte zwei Beamte aus dem Polizeipräsidium. Scofield gab also den Versuch noch nicht auf, die Täter zu fassen.

Es hatte keinen Zweck, den beiden durch schnelles Fahren entkommen zu wollen, denn sie wurden von allen Verkehrsschutzleuten durchgelassen. Dan mußte sich also auf seine Klugheit verlassen, und nach kurzer Überlegung gab er dem Chauffeur den Befehl, vor den Haupteingang des großen Zentralbahnhofs zu fahren.

»Wenn es uns gelingt, sie im Bahnhof abzuschütteln, können Sie uns beim Hotel Baltimore wieder aufnehmen.«

Der Trick gelang. Als sie in die Station eilten, hatten sie etwa vierzig Meter Vorsprung vor den Kriminalbeamten, und Dan wandte sich im Bahnhofsgebäude sofort scharf nach links. Er trat mit Dolan in die Apotheke, und sie mischten sich unter die Kunden, während die Beamten weiter in die Station hineinliefen. Kaum hatte Dan dies bemerkt, so verließ er den Laden durch eine andere Tür, die direkt auf die Straße hinausführte, und fünf Minuten später stiegen sie am Baltimore-Hotel in ihren Wagen.

Von dort ging die Fahrt geradeswegs zum Roosevelt-Flugplatz. Julia wartete schon neben einem großen Flugzeug – Dan musterte den Piloten und war mit ihm zufrieden, denn stahlharte blaue Augen blitzten in dem bronzefarbenen Gesicht. Allem Anschein nach hatte der Mann den Krieg mitgemacht und besaß eine vieljährige Erfahrung.

»Was ist in dem Koffer?« fragte Julia leise.

»Eine Million Dollars«, sagte Dan und grinste.

Julia lächelte, glaubte ihm aber nicht.

Es war bereits nach vier, als sie aufstiegen, und sie hatten nur noch zwei Stunden Tageslicht. Der Pilot richtete den Kurs auf die Long-Island-Bucht. Er flog nicht allzu schnell und auch nicht zu hoch die Küste entlang. Es war ein klarer, warmer Nachmittag, der viele Boote hinausgelockt hatte.

Über jedem Hafen kreiste der Pilot ein- bis zweimal, während Dan scharf nach dem Leichter Joe Penmans Ausschau hielt.

Schließlich flogen sie über das bewaldete Vorgebirge von Lloyd's Neck. Nur zwei oder drei Häuser standen dort in der Gegend, und Dan glaubte, daß er hier in der Nähe an Land gegangen sein mußte.

Man konnte vom Flugzeug aus das Wasser sehr gut überschauen; kein Fahrzeug konnte sich der Beobachtung entziehen.

Später flogen sie quer über die Bucht und suchten die Gewässer entlang der Connecticut-Küste ab, aber sie hatten ebensowenig Erfolg.


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