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IX.

Zur selben Zeit machte einer der Wächter, die Dan engagiert hatte, seine Runde um das Haus des Millionärs. Sein Patrouillengang schloß auch das Haus der Tochter ein. Die beiden palaisähnlichen Gebäude bildeten einen ganzen Häuserblock in der Fifth Avenue. Die Leute, die dort wohnten, hatten ihre eigenen Wagen, und nach Einbruch der Dunkelheit sah man nur noch wenige Fußgänger in der Gegend.

Wenn man in die beiden Häuser gelangen wollte, mußte man durch eine geschlossene Loggia gehen, die auf der Grenze zwischen beiden Grundstücken, etwa zehn bis zwölf Meter vom Gartenzaun entfernt, lag. Der Vorgarten bestand aus Rasenflächen, auf denen Büsche und Sträucher gepflanzt waren. Ein Weg führte zu einer höhergelegenen offenen Terrasse, die von einem Steingeländer eingefaßt war. Die Haustüren der beiden Gebäude, die dicht nebeneinanderlagen, führten auf diese Terrasse. Der Millionär bewohnte die rechts gelegene Villa.

Der Patrouillengang des Wächters begann an einem kleinen Tor, das sich in der Seitenstraße auf der Rückfront des Hauses befand. Er mußte diese Tür jedesmal aufschließen, wenn er daran vorüberkam, und mit der Taschenlampe auf den kleinen, gepflasterten Hof leuchten, der dahinterlag. Dann ging er zurück. Vorn mußte er den Vorgarten inspizieren und die Sträucher und Büsche auf der Terrasse ableuchten, ob sich niemand dort versteckt hatte. Ein Rundgang dauerte ungefähr fünf Minuten. Der Wachtmann trug eine Uniform, die der eines Polizisten ziemlich ähnlich war, nur war sie aus grauem Tuch hergestellt, um Verwechslungen zu vermeiden. Für alle Fälle war er mit Gummiknüppel und Revolver ausgerüstet.

Er war eifrig beschäftigt, alle möglichen Verstecke abzuleuchten, und bemerkte nicht, daß er selbst beobachtet wurde. Ein Mann, der genau dieselbe Kleidung wie er trug, hatte sich in dem Fahrweg des anderen Hauses hinter einem Gebüsch versteckt und sah durch das Steingeländer auf den Wachtmann.

Als dieser um die Ecke des Hauses bog, schlich sich der andere hinter die Ecke der Mauer der Villa von Miß Lawrence und wartete. Als der Wächter das erstemal zurückkam, fuhr zufällig ein Wagen auf der Straße vorüber, und der Fremde verhielt sich ruhig. Der Wächter schloß die kleine Tür auf, leuchtete mit der Taschenlampe hinein.

Als er das nächste Mal vorüberkam, war die Straße leer.

Der andere hatte sich kaum zwei Schritte von der kleinen Tür in der Mauer entfernt aufgestellt. Er wartete, bis er hörte, daß die Tür aufgeschlossen wurde, dann trat er geräuschlos hervor und schlug den Wachtmann von hinten auf den Kopf, als dieser sich vorbeugte, um den Hof abzuleuchten. Der Wächter sank vornüber, ohne einen Laut von sich zu geben. Der andere packte ihn schnell, trug den Bewußtlosen in den kleinen Hof und schloß die Tür.

Durch einen kurzen Blick vergewisserte er sich, daß alle Fenster in dem Haus von Miß Lawrence dunkel waren. Dann legte er den Mann auf den Boden, fesselte dessen Arme und Füße und verklebte ihm den Mund mit Leukoplast.

In wenigen Minuten war er fertig, und nun versah er den Wachtdienst genau so, wie es der wirkliche Wächter getan hatte.

Kaum war der neue Mann auf dem Posten, als plötzlich eine andere Gestalt sich aus dem Schatten des gegenüberliegenden Parkes löste, schnell die Straße überquerte und sich zwischen den Büschen auf der Terrasse versteckte. –

Als der Millionär und Dan nach der Rede in das Hotelzimmer zurückkehrten, schob Reed die Karten zusammen.

»Blöde Zeitvergeudung«, brummte der Millionär. »Man muß den Leuten immer etwas vormachen, die Wahrheit vertragen sie ja doch nicht.«

»Glauben Sie es ja nicht«, sagte Dan zu den anderen. »Es war eine verdammt gute Rede. Die Leute haben die Ohren gespitzt.«

Lawrence reichte Henry Waters den Zylinder. »So, jetzt wollen wir nach Hause fahren.«

»Mr. Lawrence, wenn es Ihnen recht ist, fahre ich mit Henry voraus«, sagte Dan.

»Gut«, entgegnete der Millionär gleichgültig. »Haben Sie einen besonderen Grund dafür?«

»Ich habe diesen ganzen Plan ausgedacht«, erwiderte Dan, »und ich kann nicht immer einen anderen im ersten Wagen fahren lassen. Eigentlich möchte ich das jeden Abend tun, bis Sie das Gebüsch und Gesträuch vor Ihrem Hause entfernen lassen. Dort kann sich jemand verstecken.«

»Zum Teufel, soll ich tatsächlich meinen Vorgarten ruinieren, weil mich ein paar Verbrecher bedrohen?«

Dan sagte nichts darauf.

»Nun gut, erinnern Sie mich morgen daran. Ich werde anordnen, daß die Sträucher verschwinden.«

Es war nur ein kurzer Weg vom Hotel bis zur Villa, und als die Limousine vor dem Hause hielt, war alles ruhig. Eine Anzahl Autos fuhren die Straße auf und ab, aber die Gehsteige waren verlassen. Nur ein Liebespaar ging langsam auf der einen Seite. Bevor Dan die Tür des Wagens öffnete, sah er sich scharf auf dem Grundstück um.

»Ich schätze diese Büsche durchaus nicht«, sagte er. »Wir wollen warten, bis der Wachtmann zur Stelle ist.«

Im nächsten Augenblick sahen sie, daß eine Gestalt in grauer Uniform um die Ecke kam, in den Vorgarten ging und alles ableuchtete. Als er um die nächste Ecke verschwand, gab Dan das Zeichen.

»Die Luft ist rein, kommen Sie mit!«

Dan ließ Henry einen Schritt vorausgehen, während die Limousine zur Garage fuhr. Als sie die Treppenstufen zur Terrasse hinaufgingen, reichte Dan Henry den Türschlüssel.

»Schließen Sie auf.«

Während Henry den Schlüssel nahm, hielt Dan hinter ihm Wache und sah plötzlich, daß sich ein Kopf über das Geländer hob, leise und geräuschlos wie ein Schatten. »Hinwerfen, Lawrence, hinwerfen!« schrie er.

Henry duckte sich blitzschnell zu Boden. Im selben Augenblick blitzte ein Schuß auf, und der Knall tönte unheimlich zwischen den hohen Steinwänden. Ohne Schaden zu tun, prallte das Geschoß von dem steinernen Türrahmen ab. Fast in der gleichen Sekunde sprang Dan über das Geländer.

Er stieß mit dem Mann zusammen, bevor dieser seine Waffe heben konnte, und warf ihn auf den Rücken. Die Waffe ging ein zweites Mal los, aber auch der Schuß fehlte. Die beiden rangen miteinander und wälzten sich auf dem Boden zwischen den Sträuchern. Dann konzentrierte Dan seine Aufmerksamkeit auf die Schußwaffe. Der Mann brachte ihm einen heftigen Schlag mit der linken Hand bei, aber Dan kümmerte sich nicht darum, solange er dessen rechte Hand mit der Waffe auf dem Boden festhalten konnte.

Das zweite Auto hielt am Straßenrand, und Reed eilte auf die Kämpfenden zu.

»Ich kann ihn festhalten«, rief Dan. »Nimm ihm den Revolver ab.«

Sein Freund trat mit dem Fuß auf das Handgelenk des Mannes, so daß dieser vor Schmerz aufschrie und die Waffe fahren ließ. Reed hob sie vom Boden auf und steckte sie in die Tasche.

Sie hielten den Mann fest, bis der Chauffeur Lawrence ins Haus begleitet hatte, dann brachten Dan und Reed den Gefangenen ebenfalls hinein. Der Vorfall erregte merkwürdigerweise wenig Aufmerksamkeit; die Leute der vorüberfahrenden Autos mußten die Schüsse gehört haben, aber niemand hatte angehalten. Und die wenigen Fußgänger dachten nur daran, sich in Sicherheit zu bringen.


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