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»Seine Silvesterbowle.«

(Humoreske.)

Schon seit etlichen Tagen ging er mit wahrhaft verklärtem Gesicht umher – er, unser Freund Leopold, der würdige Tertianer mit den nußbraunen Locken und den Wangen wie Milch und Blut.

Groß und stramm war er, in der schrecklichen Lebenszeit eines Jungen stehend, wo er nicht »Fisch und nicht Fleisch« ist; linkisch, tölpelhaft, bis zum Stolpern verlegen, wenn Damenaugen ihn musterten.

Aber frisch, blühend und kraftstrotzend sah er aus, daß allen Eltern bei seinem Anblick das Herz im Leibe lachte, und darauf tat sich sein Vater ganz besonders viel zugute.

»Ja, mein Leopold wird eben vernünftig erzogen,« sagte er. »Sie sollten 'mal sehen, wie der große Lümmel täglich noch seine zwei Liter Milch trinkt, abends seinen Mehlbrei oder eine Suppe löffelt und mittags einhaut wie ein Drescher, wenn die Knödel auf den Tisch kommen! Bier und Wein? Gott soll mich vor der Sünde bewahren, meinen Kindern Spirituosen zu gestatten, solange sie noch die Schule besuchen!«

Und bei dieser Ansicht beharrte der vernünftige Vater mit außerordentlicher Strenge.

Kein Wunder, wenn für Pold diese seltene, verbotene Frucht zum Ziel all seiner kühnsten Träume und phantastischen Hoffnungen wurde!

Und nun heulte der Schneesturm durch die Straßen der kleinen Gebirgsstadt und säumte Poldchens Ohren blaurot und blies ihm so eiskalt durch Mark und Bein, daß jeder andere Mensch sich vor Unbehagen geschüttelt hätte – aber Leopold ging mit strahlend glücklichem Angesicht umher und dachte: »Dieses Wetter ist wie geschaffen für mich und mein Glück. – Wie wird bei solcher Kälte die Silvesterbowle, der märchenhafte Glühwein, von welchem ich schon so viel Rühmliches gehört habe, schmecken!«

Ganz besonders feierlich sollte Silvester in diesem Jahre im Hause meiner Eltern begangen werden. Die nächstbefreundeten Familien – und es gab deren eine ganze Anzahl – sollten, nebst deren größeren Kindern, das neue Jahr bei uns erwarten, und die Pause zwischen dem Abendbrot und den ersehnten zwölf Glockenschlägen gedachten wir junges Volk ganz besonders hübsch durch verschiedenartige scherzhafte Vorträge und Aufführungen auszufüllen.

Ich glühte vor Eifer und hatte diverse lyrische Aufführungen für die »Größeren« ersonnen, welche allgemeinen Beifall fanden.

Sodann war ich auf die geniale Idee gekommen, ein schauerlich-schönes Possenspiel: »Der Schinderhannes« zu verfassen, nach historischen Quellen, denn der vielgenannte Räuberhauptmann hatte auch auf dem Gute meines Großvaters sein Wesen getrieben, ausnahmsweise aber als guter Geist, weil Großvater die alte Mutter des Banditen gegen rohe Gewaltthätigkeiten der Bauern geschützt hatte.

Also ich hatte, daran anknüpfend, eine Räuberkomödie verfaßt, auf welche Schiller hätte neidisch werden können.

Die Gäste versammeln sich; auch die Eltern unseres Freundes Alphons, welchem die würdige Vaterrolle im »Schinderhannes« anvertraut war, erscheinen, aber – ohne Alphons! Blitzartig durchzuckt mich die Ahnung von Schrecklichem.

»Wo bleibt Alphons?«

»Ja, meine liebe Nataly – der arme Junge läßt sich tausendmal entschuldigen. Bis zum letzten Moment hoffte er noch, daß sich sein Zustand bessern würde, aber leider findet er sich so unwohl, daß er zu Bett mußte. Kein Wunder! Die halbe Marzipantorte hat der Bengel auf einen Satz verschlungen! – Hätte man das ahnen können, würde sie meine Frau verschlossen haben.«

Ich war außer mir, ganz verzweifelt! Mit gerungenen Händen stürzte ich zu den andern Mimen in das Nebenzimmer und teilte die Schreckensbotschaft mit.

Mein Freund Karl von Hülsen, welcher martialisch aussah und Großartiges in der Rolle des Schinderhannes leistete und nicht umsonst seit Wochen Hahnenfedern gesammelt haben wollte, war furchtbar in seinem Zorne, aber auch genial in rettenden Einfällen.

»Wenn der Herr Alphons sich verfressen hat, werden wir um seinetwillen noch lange nicht unsere Aufführung schwinden lassen!« grollte er, schlug voll gönnerhafter Wucht den mit offenem Mund andachtsvoll lauschenden Pold auf die Schulter, daß er in die Knie knickte, und fuhr fort: »Hier ist ja ein wahres Prachtexemplar von Bengel! Dick und fett genug, um selbst ›Naukes‹ Vater sein zu können! Marsch, Pold, setz' dich in einen stillen Winkel und lerne flink die Rolle des Alphons!«

Poldchen verfärbte sich. »Ich – Theater spielen?« stammelte er entsetzt. »Das kann ich nicht – ich – ich lispele ja ein bißchen!«

»Ganz Wurst! Es gibt auch lispelnde Väter. Marsch, hierher! – Lies ihm mal seine Rolle vor, Taly!«

»Liebes, bestes Poldchen, bitte, bitte, hilf uns aus der Verlegenheit!« flehte ich in süßen Schmeichellauten. »Ich werde deine Rolle ganz abkürzen, du brauchst nur ein paar unbedeutende Worte zu sagen – und ich flüstere dir alles ins Ohr, du sollst wirklich nicht in Verlegenheit kommen!«

»Ich geniere mich aber so sehr!« stöhnte Pold.

»Unsinn! Genieren! Vor wem denn? Es sind ja lauter gute Freunde hier! Und dann – wenn du es recht gut machst, verspreche ich dir, daß du zwei Gläser Glühwein und zwei Berliner Pfannkuchen extra als Belohnung bekommen sollst! Ja? Einverstanden?«

Das Wort »Glühwein« übte eine geradezu zauberhafte Wirkung.

Das runde Gesicht Leopolds erstrahlte! Er hatte sich schon seit vierzehn Tagen wie ein Unsinniger auf das eine Glas gefreut, welches Papa erlaubt hatte, und nun sollte es gar noch zwei heimliche extra geben!

»Zwei! Aber so, daß es Papa nicht sieht!« akkordierte er.

»Ja, auf mein Wort!«

»Gut, dann spiele ich. Aber nicht zu viel sprechen! Sag mir, was ich thun muß!«

»Gar nicht viel! – Also, wenn der Vorhang aufgeht, sitzest du an einem Tisch, vor dir steht eine Flasche Wein und ein Glas –«

»Eine Flasche Wein?« stammelt Pold.

»Ja, aber während des Spieles darfst du keinen Wein trinken, das würden deine Eltern sehen, wir füllen Wasser in die Flasche.«

»Hm –« machte Polo; »was weiter?«

»Du siehst dich besorgt um –«

»Wie mache ich das?«

»Mach nur ein recht dummes Gesicht, das wirkt ebenso!« belehrte ihn Karl.

»Also du machst ein dummes Gesicht und sagst: ›Wo nur das Mädchen bleiben mag!‹ – Dann schenkst du dir ein Glas Wein ein –«

– »Wein?!«

»Na ja – aber aus der Wasserflasche!«

»Ach so!«

»Und wenn du getrunken hast, trete ich selbst ein und erzähle dir voll Entsetzen, dass ich den Schinderhannes gesehen habe.«

»Kinder, zu Tisch!« ruft meine Schwester durch die Türe – und wir sehen, daß die Großen die Salons verlassen. Das ist ein Moment, den man nicht versäumen darf, namentlich wenn es Karpfen gibt!

»Pold, du setzest dich neben mich!« flüsterte ich hastig. »Ich studiere dir noch während des Essens deine Rolle ein.«

Leopold seufzt. Er würde lieber recht ungestört »gefuttert« haben, er hatte sich das so schön gedacht, aber was hilft's! – Zwei Glas Glühwein extra!! – Man setzt sich.

Ein Kopf biegt sich an der Tafel vor, und eine Stimme ruft: »Leopold, wenn du nachher ein Glas Bowle trinken willst, dankst du jetzt für Wein!« Der Sohn macht ein gehorsames Dienerchen. In seinen Augen blitzt etwas wie stiller Triumph. – Zwei Glas extra!! –

Der polnische Karpfen hörte an unserer Ecke nur ein Thema: Leopolds Rolle.

»Wo nur das Mädchen bleiben mag!« – Er sagte es schon ganz nett.

»Sehr gut! – Recht besorgt und voll Angst.«

Das liebe Poldchen kaute mit vollen Backen. »Wo nur das Mädchen bleiben mag!« stieß er hervor. »Und dann vergiß nicht zu trinken!« – Er nickt und grunzt und ißt.

Die Tafel wird aufgehoben, und während sich die älteren Herrschaften auf den »reservierten Plätzen« gegenüber der kühn improvisierten Bühne niederließen und ein junger Leutnant in humoristischer Weise von dem alten Jahre Abschied nahm, stand ich ruhmesgierig »hinter den Kulissen«, auf den Beifallsturm zu warten, denn die Dichtung nannte mich ihre jugendliche Mutter. Aber der ganze Eindruck krankte für mich unter einem Selbstgespräch, welches ich sogar noch mit beifälligem Lächeln und Nicken belohnen mußte.

Neben mir stand Poldchen, welchem sich beim Anblick der Bühne und der eifrig schauenden Menschen davor die Haare im Kulissenfieber sträubten. »Wo nur das Mädchen bleiben mag! – trinkt. Wo nur das Mädchen bleiben mag! – trinkt!« tönte es angstgepreßt an mein Ohr, oft, sehr oft, so oft, daß ich schließlich ganz nervös ward und das »alte Jahr« von mir sich verabschiedete, ohne daß ich so recht von Herzen bei all den charmanten, kleinen Neckereien und Anspielungen hätte mitlachen können.

Armes Poldchen! Ich erachtete es beinah als Erlösung, als mich eine Hand von rückwärts an dem Hängezopf faßte und mich liebevoll in den Hintergrund zog.

»Du mußt dich ja anziehen; es ist die höchste Zeit! Und du auch, Pold – komm mit!«

Ich stürmte davon und verwandelte mich in fliegender Hast in ein Bauernmädchen – aber, o weh! – Ich hatte mir meine Sachen so hübsch bequem zurechtgelegt, und nun hatten sich Hedwig und Minna vor mir angezogen – und alles war in der Eile durcheinandergeworfen worden.

Das verzögerte meine Kostümierung etwas. Auf der Straße lärmten schon die verschiedenen weinseligen Silvesterstimmen, und an die Türe klopfte man stürmisch.

»Ich komme!« schrie ich atemlos und stürzte im nächsten Moment auf die Szene.

Als ich auf die Bühne blickte, bot sich mir ein unbeschreiblich komischer Anblick – – der Vorhang war schon hochgezogen. An dem hölzernen Tisch saß Poldchen, der würdige Vater der blonden Liesbeth.

Die graue Jagdjoppe meines Vaters hing in genialem Faltenwurf um ihn herum und war über den Händen ungeniert »aufgerüffelt« oder auf Hochdeutsch »aufgekrämpt«, so daß das rot und gelb gestreifte Futter in realistischer Weise wirkte.

Ein bunter Wollschal um den Hals markierte den Bauersmann, ein paar Hände voll Mehl in den braunen Locken und schreckliche, schwarz gemalte Runzeln in den frischen Wangen deuteten das erhöhte Alter an. –

Poldchen saß da wie ein Unglücksmensch, welchen die Angst versteinert hat.

Die Füße hatte er in der Beklemmung seines Herzens ganz einwärts gestellt, und in der unklaren Bemühung, ein besorgtes Gesicht zu machen, verdrehte er die Augen, daß sie einem Gehängten alle Ehre gemacht haben würden. Nun sollte er sprechen. Er schluckte ein paarmal – und schluckte, als ob er ersticken müßte.

Noch hielt das Publikum Stimmung, denn man war höflich und lachte nur dann, wenn es von den Mimen programmäßig verlangt wurde.

»Wo nur das Mädchen bleiben mag!«

Gott sei Dank, nun war es heraus!

Ich atmete tief – tief auf – ein Luftschnappen der Erleichterung – aber gleichzeitig ein Knacks – Es wird auf einmal unheimlich lose um meine Taille – –

Fürchterlich! Das Schnurband meines Mieders ist gerissen!

Da sich das Unglück auf meinem Rücken ereignet hatte, war ich vollständig hilflos und beim besten Willen nicht in der Lage, den Schaden schnell zu reparieren.

Voll Entsetzen wende ich mich an Fräulein Hedwig, welche neben mir steht.

»Um Gotteswillen, Hedchen – mein Band ist geplatzt! – Ich muß auf die Bühne! Erbarme dich und knote es, so schnell es geht, zusammen!«

Hedchen ist sofort bereit, und während sie – ebenso aufgeregt wie ich – an mir herumzerrt und -zieht, sehe ich Poldchen mit eckigem, marionettenhaftem Ruck die Hand heben, um nach der Flasche zu fassen.

»Ach Gott – ist denn Wasser in der Flasche?« flüsterte ich.

»Ich weiß es nicht,« erwidert Hedwig.

Pold trinkt aus einem grünen Glase, das man gewählt hatte, um über den Inhalt der Flasche zu täuschen.

Unglückliches Poldchen! Ich starre ihn entsetzt an, wie er die große Weinflasche hebt, sein Glas füllt und es gehorsam leert.

»Bist du fertig, Hedchen?«

»Nein … noch nicht … das Band ist zu kurz geworden.« – Poldchen wartet.

Seine Augen rollen angstvoll hin und her.

» Wo nur das Mädchen bleiben mag!« klingt es abermals heiser, wie die Stimme eines Raben, an mein Ohr.

Leopold sitzt wie eine Pagode und wagt sich nicht zu rühren.

Voll Todesverachtung greift er abermals zu der Flasche, schenkt ein und trinkt aus lauter Verlegenheit jedesmal das ganze Glas leer. Unglücklicher – soviel kaltes Wasser!

»Nataly – wo bleibst du denn!?« stürzt Karl mit vorwurfsvollem Grollen zu mir heran; die Hahnenfedern auf seinem Schlapphut wirbeln zum Entsetzen furchtbar vor meinen Augen.

Eine Pferdedecke ist malerisch um seine Schultern geschlagen, das Gesicht starrt von brauner Schminke und Kohlenstrichen, und ein Schnurrbart riesigster Dimensionen läßt mich erschauern.

»Das Schnurband ist gerissen!« stöhne ich.

»Donnerwetter!«

»Geben Sie mir 'mal einen Dolch, daß ich den Knoten hier abschneiden kann!« jammert Hedwig, und ich fühle, daß mir die Tränen näher stehen als silvesterliches Lachen.

Karl wählt unter den furchtbaren Mordinstrumenten, mit welchen er sich bis an die Zähne bewaffnet hat, ein sehr blankes, scharfes Etwas – – meinem umflorten Blick deuchte es, als sei es unser Tranchiermesser. –

»Halt still –«

» Wo nur das Mädchen bleiben mag!« ertönt es abermals von der Bühne – ohne jede Modulation, mechanisch, rauh, krächzend und dabei herzergreifend vorwurfsvoll.

Abermals gluckert es im Glas – –

»Hedwig, ich beschwöre dich, mach schnell!!« Der Spießgeselle Hering, welcher später von rechts auf der Bühne erscheinen mußte – Schinderhannes nannte ihn Harung, weil dies seiner Ansicht nach martialischer klang und zündender wirkte – dieser Hering-Harung mußte der engen Raumverhältnisse wegen hinter dem Ofen verborgen stehen, eine Situation, welche schon bei den Proben im ungeheizten Zimmer recht anstrengend gewesen war, jetzt aber, bei gutem Dauerbrand, an die drei Männer im feurigen Ofen gemahnen mußte. Hering-Harung schnitt uns denn auch zu allem Überfluß die beängstigendsten Grimassen, welche auf sein sofortiges Ableben gedeutet werden konnten, und weil Hedchen keinen fahrlässigen Mord an ihm begehen wollte, so zitterte sie derart vor Aufregung, daß sie erst recht nicht zu Ende kam.

»Wo nur das Mädchen bleiben mag!« klang es zum fünften Male in unverändertem Tonfall von Poldchens Lippen, aber sein Gesicht färbte sich blaurot, und die Schweißtropfen rannen ihm in glänzenden Bächen über die Wangen auf den Schal hernieder. Das Publikum war längst unruhig geworden. Erst lächelte man – dann lachte man – jetzt dröhnte ein schallendes, unbändiges Gelächter durch das Zimmer.

Pold trank – trank abermals und endlich auch den Rest der großen Flasche.

»Fertig!« stöhnte Hedwig auf – und ich stürzte, wie aus der Pistole geschossen, auf die Bühne.

Donnernder Applaus empfing mich. –

Vater Pold starrte mich mit verglasten Augen an. Ich schnurrte meine aufregende Erzählung vom Schinderhannes herunter und expedierte den schwergeprüften, alten Bauersmann, so gut und so schnell es ging, hinter die Kulissen. Dann traten Hering-Harung und Schinderhannes in Aktion. – Wir waren lebhaft beschäftigt und so völlig bei der Sache, daß wir des armen Poldchens nicht mehr gedachten.

Seit ihrer Jugendzeit, wo man den Schinderhannes noch auf dem Kasperletheater vorführte, hatten sich die »Alten« im Zuschauerraum nicht so herzlich mehr amüsiert wie heute, und, von Beifall überschüttet, zogen wir uns zurück.

Man rief uns – man rief auch stürmisch nach Pold.

Wo war er? –

Man suchte und fand ihn.

Ein Bild des Jammers saß er in der Garderobe und hielt sich den Kopf. Es war ihm über die Maßen unwohl.

Seine Eltern nahten und musterten ihn voll Sorge. »Natürlich, das ungewohnte Abendbrot, die Aufregung ist dem Jungen in den Magen gefahren!« sagte der Papa, »Gott sei Dank, daß er nicht auch noch Wein getrunken hat!«

Draußen johlten die Menschen »Prosit Neujahr!« Die Glocken klangen, jubelndes Hallo tönte aus den Salons, wo die Jugend übermütig von Tischen und Stühlen herab in das neue Jahr hineinsprang und den dampfenden Gläsern liebliche Glühweindüfte entströmten.

Wir alle tranken, nur Poldchen nicht; er ward immer elender, und des Daseins ganzer Jammer faßte ihn an.

Man forschte nach der unbegreiflichen Ursache seiner Erkrankung, und nun stellte sich heraus, daß er statt Wasser – Wein getrunken hatte, schweren Rheinwein – eine ganze Flasche voll! In der Hast hatte man sich vergriffen. Da ward Leopold heimexpediert, in einem Zustande, der an Alkoholvergiftung grenzte. Zum Glück erholte er sich wieder, aber über mich, der er an allem die Schuld gab, hat er geschimpft, solange ich ihn kenne. Und wie hat er geschimpft! Erst kläglich vorwurfsvoll – dann immer kräftiger – schließlich wie ein Rohrspatz, es wundert mich, daß er nicht extra Kritiker geworden ist, um selbst jetzt noch weiterschimpfen zu können!

Aus Rache hat er mich auch nicht geheiratet – wie dies erst seine reelle Absicht gewesen – und einen heiligen Schwur hat er getan und ihn zeitlebens gehalten: er spielte nie und nimmer wieder am Silvesterabend Theater!



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