Ludwig Eichrodt
Gedichte in allerlei Humoren
Ludwig Eichrodt

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Vierter Gesang

        Nach Chinesien, nach Chinesien!
Möcht' ich, wo ich nie gewesigen,
Wo die Seelen stille stehn:
Wo die Menschen wahrhaft wimmeln,
Frauen ihren Fuß verstümmeln,(*)
Und der Tusch am schwärzesten
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach dem philiströsen Japan
Laß mich schlagen leisen Trab an!
Wo sich der Beamte bläht.(*)
Wo die Angelegenheiten
Oeffentlichen Abbruch leiden,
Und man sich im Zirkel dreht.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Mongolien, nach Mongolien!
Dorten will ich mich erholigen,
Wo die Gränzen unbestimmt.
Wo Kirgisen und Kalmücken(*)
So sich ineinanderschicken,
Daß es Einen Wunder nimmt.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Sibirien, nach Sibirien!
Zu den wildgebornen Thierigen
Jetzt es meinen Busen drängt.
Wo die Bären murmelnd springen,
Wo in unwirthbaren Schlingen
Sich der biedre Zobel fängt.(*)
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Tscherkessien, nach Tscherkessien
Treibt es mich, den Unablässigen!
Wo im Auge Blitze sprühn;(*)
Wo die Panzerhelden rasen
Mit den kühnen Adlernasen,
Und die Leichenhügel blühn.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Weiter nach Mesopotamien
Laß mich ziehn in Gottes Namigen,
Dort, wo Milch und Honig fließt.
Wo die schrecklichen Kalifen
Einstens zu der Bulbul schliefen,(*)
Was der Türke jetzt genießt.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach dem überreichen Persien
Mach' ich schnell mich auf die Fersigen,
Wo der Schach den Matten spielt.
Wo der alte Zoroaster(*)
Für das allergrößte Laster
Einst das Schuldenmachen hielt.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Doch, o herrlichster Erzeuger,
Mir die Steuern nicht verweiger',
Wandr' ich nach Beludschistan!(*)
Wo aus der Hyänenwüste
Zu der muschelreichen Küste
Niedersteigt der böse Khan.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach dem wunderbaren Tübet
Wo die Katze maust, die Zibet,
Wandelt mich Gelüsten an.
Wo das Paradies gewesen,
Wo das Dalai-Lamawesen(*)
Unbeleckt vom Zeitenzahn –
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Ostindien, nach Ostindien
Möcht' auch ich den Pfad ergründigen.
Möcht' ich jetzt mit Hand und Ohr!
Wo die Elefanten kreisen,(*)
Wo die Enkel stiller Weisen
Singen den Bramanenchor.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach den heißen Sunda-Inseln
Laß mich nicht vergebens winseln,
Wo der Orang(*) Utang heißt,
Wo das Borneo sich breit macht,
Wo mit ungeheurer Streitmacht
Der Marattenhäuptling reist.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach dem Cape, nach dem Cape
Laß mich ziehn, geliebter Pape!
Wo die gute Hoffnung wächst.
Wo der Meridian, der schmale,(*)
Aus dem Hottentottenkraale
Den famosen Capwein hext.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach den Polen, nach den Polen
Brennen mir die raschen Sohlen,
Wo sich die Extreme fliehn.
Dorthin, wo der Eiswind wüthet,
Dorthin, wo der Aether siedet,
Nach dem Nord- und Südpol hin –(*)
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Kafferien, nach Kafferien
Will mich inn're Gluth verzehrigen!
Wo sich die Giraffe härmt.
Wo der Kaffer schrecklich händelt,
Wo das Gnu die Zeit vertändelt(*)
Und der Missionarius schwärmt.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Zum Aequator, zum Aequator(*)
Laß mich eilen, greiser Vator!
Wo die schwarze Linie glüht:
Wo der Wüstenkönig schreitet,
Wo der Neger Unrecht leidet,
Und der Mensch vor Götzen kniet.
Dahin, Alter, laß mich ziehn!

Nach Utopien, nach Utopien!
Laß mich ziehn nach allem Obigen,
Wo die luft'gen Schlösser sind.
Wo man lebt in ew'gen Freuden,
Wo kein Scheiden und kein Meiden,(*)
Und der Kommunismus grünt –
Dahin, Alter, laß uns ziehn!

 


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