Ludwig Eichrodt
Gedichte in allerlei Humoren
Ludwig Eichrodt

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Dachstubenpoesie der Lenautiker(*)

          Auf meine Liebe, die seitdem verwest,
Wie Geier gierig über Leichen,
Hinstürzten wieder der Verzweiflungspest
Glutäugige Gedanken ohne Weichen:
Erinnerung, des Wahnsinns Mutter sie,
Sammt ihrer hurtigen Schwester, Phantasie,
Erfaßte mich auf öder, weiter Reise –
Genossen, die der Zufall zu mir spie,
Schreckten die Geier und die Speise.

Durchs Thor der Wolken rollte voll und rund
Die brüllende Gewalt des Donnerlärmes,
Wie Jovis Zorn, verkündet durch den Mund
Des fußbeschwingten, redekund'gen Hermes.
Dann Todtenstille – über Moos und Uld,(*)
Gleichwie Verstummen wegen arger Schuld,
Gleich einem bösen lastenden Gewissen,
So schweigt der See, deß vor'ge Tageshuld
Ein Mord aus seiner Brust gerissen.

Ha, wie der Blitz in's wüste Wasser zischt
Und greller Schein die Felsen blendet,
Nicht anders, wenn ein Hoffnungsstrahl sich mischt
In eine Brust, die qualenvoll verendet.
Jetzt rasseln Schloßen in das bange Thal,
Weiß, groß, gedrängt, in zügelloser Zahl,
Wie Sparterpfeile in den Knäul der Perser,
Wie Kürassiere auf der Stätte blutger Wahl
Rückprallen vor dem Klang der Mörser.

Und Nacht durchflutet rauschend die Natur:
Ein Fluch des scheidend zornigen Tages,
Und wieder donnerts wie ein Rütlischwur
Von tausend Männern rauhen Schlages.
So ritten wir durch's krachende Gehölz –
Bis uns der purpurkalte Farbenschmelz
Im Osten schauerte sein Licht entgegen,
Bis, hinter uns der ungeheure Fels,
Wir trabten auf vertrauten Wegen.

 


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