Ludwig Eichrodt
Gedichte in allerlei Humoren
Ludwig Eichrodt

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Südostdeutsche Lügenpoesie

1.
            In meinen Adern wühlt des Elends Wurm,
Seit mich die Eifersucht, die Furie, packte,
Durch alle Pulse der Begierde Sturm
Rast wie der Gott, der wundennackte.
Es feiern alle ruhigen Gedanken,
Sinn und Gefühl in wilder Brust sich zanken;
Es kocht mein Aug', es fiebert meine Stirne
Vor meinem leidenschaftdurchtobten Hirne.
Und in der Dichtung Brautbett stürzend,
Mein Geist in allen Fibern wüthet,
Ich dünke mich den wilden Padischah,
Der Schlachtgedanken in Umarmung brütet.
 
2.
Deßgleichen
Bin ein Sohn des heißen Süden
Wo die Purpurtraube glüht,
Bin ein Kind der Sonnenblüthen,
Das zum kühlen Norden zieht.

Wird mein tolles Feuerauge
Zünden in ein deutsches Herz?
Die Cigarre, die ich rauche,
Draußen lindern meinen Schmerz?

Jene schauerkalten Seelen,
Ob sie fühlen meine Gluth?
Doch, mein Herz, wird dir es fehlen,
Da der Genius in dir ruht?

Alle wird er noch verführen,
Dieser reizend wilde Sang.
Du wirst mir die Herzen rühren,
Süßer leiser Sporenklang!

 
3.
Aus den böhmischen Wäldern (d.h. ebenfalls deßgleichen)
Todt!? Nein, nicht todt! begraben nur,
Nein! nicht begraben – noch einmal geboren
Ist – Utisez: Zunge der Natur!
Es hat ein Genius nur sein Joch verloren.
Doch er ist todt, ja – todt.
Schreit auf, verwandte Geister!
O lieber hört' ich, daß mein bester Freund
Ein Schurke ward – ich, ein Verwaister,
Ließ' Vater, Mutter unbeweint.
Das Liebchen sey verdorben und gestorben
In wilder Schmach – ich selber wäre reif
Mit jedem Auswurf dieser Welt zu buhlen
Wenn dieser Jammer, den ich kaum begreif,
Wenn dieser Kunde thränenschwangre Kette
Den ganzen Frieden meiner Dichterbrust
Nicht heut, ach heut! erdrosselt hätte.

 


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