Ludwig Eichrodt
Gedichte in allerlei Humoren
Ludwig Eichrodt

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»Schwache Stimme«
eines
Lebendigen

            O Loos der Märtyrer! so bittersüß – sey's
Denn drum gewagt! Der plumpe Würfel fiel.
Ça ira – weine nicht, Georg-Odysseus!
Nur im Exil ist heute noch Asyl.
Der alte Ozean wird dich umrauschen,
Dich hat die schale Welt verkannt.
Nur seinen Liedern sollst fortan du lauschen,
Mit Menschen nimmer eitle Worte tauschen,
Seit jedes Herz ein Sykofant.

Einst rief ich euch: vom Haupt die Nebelkappen!
Zum Teufel mit der kahlen Klerisei!
A bas, so warnt' ich, mit den kecken Wappen,
Und frei zu seyn, seyd einmal nur so frei.
Jetzt kann euch meine Stimme nimmer retten,
Nachdem versäumt der Augenblick –
O knirschet nur in eure Sklavenketten,
Ihr macht nicht mehr die größte aller Wetten!
Verlor'ner Donner: republique.

Wer möchte heute seyn der Großen Tadler?
Im Aug' des Grollenden sind sie kein Dorn.
Wohl haß' ich den Verrat und seine Adler,
Doch Jene trifft mein einsam keuscher Zorn,
Die halben Weges feige stehen bleiben
Und mit Proklamationen nur
Ihr eignes Todesurtheil unterschreiben;
Der Freiheit Genius muß sich selbst entleiben,
Seitdem die Freiheit Sinekur.

Reißt ihr die Throne aus dem Mist der Erden,
Sie wuchern nach – das ist das Weltgericht.
So wird Europa niemals urbar werden,
Ihr Herren seyd die rechten Pflüger nicht.
Ihr werdet nun und nimmermehr Hellenen,
Das ist des Pudels letzter Kern –
So wenig als die Liebe mit Hyänen,
Kultur mit Barbarei sich läßt versöhnen,
Als Judith mit dem Holofern.

Ihr wollt den Geist in kranke Hürden pferchen,
Im Angesicht des jungen Morgenrot's?
Ihr wahrlich hört nicht schmettern seine Lerchen,
Seht unter Rosen nicht das Schwert des Tot's!
Noch ward kein Feldherr unter euch geboren,
Denn eure Schlachten waren Hohn.
Ich habe bessern Fahnen zugeschworen –
Zehntausend Griechen waren nicht verloren –
Doch ihr habt keinen Xenophon.

Kredenze, Lieb, die Qual nicht zu verlängern,
Die letzte Zähre unsres Vater Rhein!
Ein Pereat Europen's Müßiggängern!
So laß mich schlürfen diese Neige Wein.
Von nun an soll mein Lied verblutend feiern,
Das einst der Freiheit Gasse war,
Das Lied der Edeln, welcher nicht mit euern
Treulosen Flaggen wollte planlos steuern,
An Geist allein kein Proletar.

Nie blüht der Freiheit Lenz aus Trikoloren,
Millionen Oriflammen braucht der Lenz;
Ich aber predigte nur tauben Ohren,
Und eine Metze ward die Konsequenz . . .
Der Weise zieht mit trauernden Standarten
Auf stilles Eiland fern im Meer,
Des Herzens Frühling mag allein er warten,
Und der Entsagung rettende Kokarden
Steckt er sich auf, und liest Homer.

 


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