Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Schutzgeister

Aus Goethe-Jahrbuch 1887

          Nahe wieder sah ich glänzen
Meiner Firne scharfe Grenzen,
Meiner Alpen weisse Bünde,
Wurzelnd tief im Kern der Schweiz;
Wieder bin ich dort gegangen,
Wo die graden Wände hangen
In des Sees geheime Gründe
Mit dem dunkelgrünen Reiz.

Nimmer war ein Tag so helle,
Niemals reiner meine Augen,
Erd und Himmel einzusaugen,
Meine Schritte gingen sacht;
Schauend pilgert ich und lauschte,
Weil ein guter Weggeselle
Heimlich Worte mit mir tauschte
Von der Berge Herzensmacht.

Traulich fühlt ich seine Nähe
Und mir ward, ob ich ihn sähe,
Und er sprach: »Vor manchen Jahren
Bin ich rüstig hier gereist,
Hier geschritten, dort gefahren!«
Und er lobte Land und Leute,
Dass sich meine Seele freute
An dem liebevollen Geist.

Und er wies auf ein Gelände:
»Hier an einem lichten Tage
Fand ich eure schönste Sage
Und ich nahm sie mit mir fort.
Wandernd hab ich dran gesonnen;
Was zu bilden ich begonnen,
Legt in Schillers edle Hände
Nieder ich als reichen Hort.«

Da er seinen Bruder nannte
Und mir drob das Herz entbrannte,
Wars, als schlügen weite Flügel
Sausend über mir die Luft,
Schwingen, die den Raum besiegen,
Wie sie nicht um niedre Hügel
Flattern, Schwingen, die sich wiegen
Herrschend über Berg und Kluft.

Selig war ich mit den beiden,
Dämmerung verwob die Weiden,
Und ich sah zwei treue Sterne
Über meiner Heimat gehn.
Leben wird mein Volk und dauern
Zwischen seinen Felsenmauern,
Wenn die Dioskuren gerne
Segnend ihm zu Haupte stehn.

 


 


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