Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Papst Julius

            Halb vom Hades schon bezwungen,
Von Lemuren schon umschwebt,
Hat er doch sich losgerungen –
Sieh, er atmet! Sieh, er lebt!
Hinter seinen greisen Brauen
Flammts! Jetzt langt er nach dem Bart,
Zürnt und schilt den Tod mit rauhen,
Ungestümen Worten hart:

»Weg mir aus dem Angesichte,
Larven, die mir bleich gedroht!
Charon, aus dem Sonnenlichte
Weg ins Schilf mit deinem Boot!
Keine Macht ist dir gegeben,
Bis ich selbst dich rufen mag!
Heute hab ich noch zu leben
Einen vollgedrängten Tag!

Arzt, statt deiner faden Tropfen
Gib mir des Falerners Glut!
Lasse meine Pulse klopfen,
Wirf mir Feuer in das Blut!
Auf die Türen! Weg die Kissen!
Meine Feldherrn, tretet ein!
Meine Meister, lasst sie wissen,
Dass sie dreifach emsig sein!

Regst, Bramante, die geschickten
Hände du? Vollende doch!
Diese Augen, sie erblickten
Gerne deine Kuppel noch!
Michelangelo, willkommen!
Warum schaust du wieder scheel?
Dort erblick ich meinen frommen,
Meinen süssen Raphael!

Als den Hirten nicht des Lammes
Bildet mich als Mosen ab,
Der den Dränger seines Stammes
Niederschlug mit wuchtgem Stab –
Wo die Wasserstürze tosen
In die Brunnenschale jach,
Setzet, Meister, mich als Mosen,
Der die Felsenwand zerbrach!

Moses bin ich in dem Blitze
Sinais, in Rauch und Dampf:
Meine donnernden Geschütze
Enden flammend jeden Kampf!
Mit den neugegossnen Stücken
Bring ich Burg und Stadt zu Fall,
Schmettre Breschen, breche Lücken
In den stärksten Mauerwall!

Falkner, sprich, was macht mein Sperber,
Der die Klaue sich zerstiess?
Marschalk, sag wie lebt mein Berber,
Den zu scharf ich jagen liess?
Tummelt, Diener, zum Ergötzen
Mir im Hof ein feurig Tier!
Lasst es springen, lasst es setzen
Vor den alten Augen mir!

Helmt mir die gefurchte Stirne!
Harnischt mir die welke Hand!
Der Italien macht zur Dirne,
Jagt den Fremdling aus dem Land!
Reicht ein Schwert! Ich will es retten!
Ruft, Drommmeten, ruft zur Schlacht!
In der Faust zerrissne Ketten,
Schreit ich durch des Hades Nacht!«

 


 


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