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Es ist bemerkenswert, dass die höhern Orden, also die Benediktiner mit ihren Abzweigungen, trotz ihres grossen Reichtums und Wohllebens weit weniger perhorresziert waren als die Bettelorden; auf zehn Novellen, die von frati handeln, kommt höchstens eine, welche einen monaco zum Gegenstand und Opfer hat. Nicht wenig kam diesen Orden zugute, dass sie älter und ohne polizeiliche Absicht gegründet waren und sich nicht in das Privatleben einmischten. Es gab darunter fromme, gelehrte und geistreiche Leute, aber den Durchschnitt schildert einer von ihnen, FirenzuolaVgl. S. 376 f. Er war der Abt der Vallombrosaner. Die Stelle, hier frei übersetzt, findet sich Opere, vol. II, p. 208 in seiner zehnten Novelle. – Eine einladende Schilderung des Wohllebens der Kartäuser in dem S. 373 zitierten Commentario d'Italia, fol. 32, s., wie folgt: »Diese Wohlgenährten in ihren weiten Kutten bringen ihr Leben nicht hin mit barfüssigem Herumziehen und Predigen, sondern in zierlichen Corduanpantoffeln sitzen sie in ihren schönen Zellen mit Zypressengetäfel, und falten die Hände über dem Bauch. Und wenn sie je einmal sich von der Stelle bemühen müssen, so reiten sie gemächlich auf Maultieren und fetten Pferdchen wie zur Erholung herum. Den Geist ermüden sie nicht zu sehr durch Studium vieler Bücher, damit das Wissen ihnen nicht statt ihrer mönchischen Einfalt einen Luzifershochmut beibringe.«
Wer die Literatur jener Zeiten kennt, wird zugeben, dass hier nur das zum Verständnis des Gegenstandes Notwendigste mitgeteilt istPius II. war aus Gründen für Abschaffung des Zölibates; Sacerdotibus magna ratione sublatas nuptias maiori restituendas videri, war eine seiner Lieblingssentenzen. Platina, Vitae Pontiff. p. 311.. Dass eine solche Reputation von Weltklerus und Mönchen bei Unzähligen den Glauben an das Heilige Oberhaupt erschüttern musste, springt in die Augen.
Was für schreckliche Gesamturteile bekommt man da zu hören! Wir teilen schliesslich nur eines davon mit, weil es erst neuerlich gedruckt und noch wenig bekannt ist. Guicciardini, der Geschichtschreiber und vieljährige Beamte der mediceischen Päpste, sagt (1529) in seinen AphorismenRicordi, N. 28, in den Opere inedite, Vol. I.: »Keinem Menschen missfällt mehr als mir der Ehrgeiz, die Habsucht und die Ausschweifung der Priester, sowohl weil jedes dieser Laster an sich hassenswert ist, als auch weil jedes allein oder alle sich wenig ziemen bei Leuten, die sich zu einem von Gott besonders abhängigen Stand bekennen, und vollends weil sie unter sich so entgegengesetzt sind, dass sie sich nur in ganz absonderlichen Individuen vereinigt finden können. Gleichwohl hat meine Stellung bei mehrern Päpsten mich gezwungen, die Grösse derselben zu wollen meines eigenen Vorteils wegen. Aber ohne diese Rücksicht hätte ich Martin Luther geliebt, wie mich selbst, nicht um mich loszumachen von den Gesetzen, welche das Christentum, so wie es insgemein erklärt und verstanden wird, uns auferlegt, sondern um diese Schar von Nichtswürdigen (questa caterva di scelerati) in ihre gebührenden Grenzen gewiesen zu sehen, so dass sie entweder ohne Laster oder ohne Macht leben müssten.«
Derselbe Guicciardini hält denn auch dafürRicordi, N. 1, 123, 125., dass wir in betreff alles Uebernatürlichen im Dunkel bleiben, dass Philosophen und Theologen nur Torheiten darüber vorbringen, dass die Wunder in allen Religionen vorkommen, für keine besonders beweisen und sich am Ende auf noch unbekannte Naturphänomene zurückführen lassen. Den bergeversetzenden Glauben, wie er sich damals bei den Nachfolgern Savonarolas zu erkennen gab, konstatiert er als ein kurioses Phänomen, doch ohne bittere Bemerkung.
Gegenüber von solchen Stimmungen hatten Klerus und Mönchtum den grossen Vorteil, dass man an sie gewöhnt war und dass ihr Dasein sich mit dem Dasein von jedermann berührte und verflocht. Es ist der Vorteil, den alle alten und mächtigen Dinge von jeher in der Welt gehabt haben. Jedermann hatte irgendeinen Verwandten im Priesterrock oder in der Kutte, irgendeine Aussicht auf Protektion oder künftigen Gewinn aus dem Schatz der Kirche, und in der Mitte von Italien sass die römische Kurie, welche ihre Leute bisweilen plötzlich reich machte. Doch muss man sehr hervorheben, dass dies alles die Zunge und die Feder nicht band. Die Autoren der lästerlichen Komik sind ja selber meist Mönche, Pfründner usw.; Poggio, der die Fazetien schrieb, war Geistlicher, Francesco Berni hatte ein Kanonikat, Teofilo Folengo war BenediktinerFreilich ein sehr unbeständiger., Matteo Bandello, der seinen eigenen Orden lächerlich macht, war Dominikaner und zwar Nepot eines Generals dieses Ordens. Treibt sie ein Uebermass des Sicherheitsgefühles? oder ein Bedürfnis, die eigene Person von der Verrufenheit des Standes zu sondern? oder jene pessimistische Selbstsucht mit dem Wahlspruch: »Uns hält's noch aus«? Vielleicht war etwas von allem dabei. Bei Folengo wirkt freilich schon das Luthertum kenntlich einVgl. dessen u. d. Namen Limerno Pitocco gedichteten Orlandino, cap. VI, Str. 40, s. cap. VII, Str. 57. cap. VIII, Str. 3, s., bes. 75..
Die Abhängigkeit von Segnungen und Sakramenten, von welcher bereits (S. 134 ff.) bei Anlass des Papsttums die Rede gewesen ist, versteht sich bei dem gläubigen Teil des Volkes von selbst; bei den Emanzipierten bedeutet und bezeugt sie die Stärke der Jugendeindrücke und die gewaltige magische Kraft altgewohnter Symbole. Das Verlangen des Sterbenden – wer er auch sein mochte – nach priesterlicher Absolution beweist einen Rest von Höllenfurcht, selbst bei einem Menschen wie jener Vitellozzo (a. a. O.) war. Ein belehrenderes Beispiel als das seinige wird schwer zu finden sein. Die kirchliche Lehre von dem Character indelebilis des Priesters, woneben seine Persönlichkeit indifferent wird, hat soweit Früchte getragen, dass man wirklich den Priester verabscheuen und doch seine geistlichen Spenden begehren kann. Freilich gab es auch Trotzköpfe wie z. B. Fürst Galeotto von MirandolaDiario Ferrarese, bei Murat. XXIV, Col. 362., der 1499 in einer bereits sechzehnjährigen Exkommunikation starb. Während dieser ganzen Zeit war auch die Stadt um seinetwillen im Interdikt gewesen, so dass weder Messe noch geweihtes Begräbnis stattfand.
Glänzend tritt endlich neben all diesen Zweideutigkeiten hervor das Verhältnis der Nation zu ihren grossen Busspredigern. Das ganze übrige Abendland liess sich von Zeit zu Zeit durch die Rede heiliger Mönche rühren, allein was wollte dies heissen neben der periodischen Erschütterung der italienischen Städte und Landschaften? Zudem ist z. B. der einzige, der während des 15. Jahrhunderts in Deutschland eine ähnliche Wirkung hervorbrachteEr hatte einen deutschen und einen slawischen Dolmetscher bei sich. Auch S. Bernhard hatte einst am Rhein desselben Mittels bedurft., ein Abruzzese von Geburt gewesen, nämlich Giovanni Capistrano. Diejenigen Gemüter, welche einen so gewaltigen Ernst und einen solchen religiösen Beruf in sich tragen, sind damals im Norden intuitiv, mystisch; im Süden expansiv, praktisch, verbündet mit der hohen Achtung der Nation vor Sprache und Rede. Der Norden bringt eine Imitatio Christi hervor, welche im Stillen, anfangs nur in Klöstern, aber auf Jahrhunderte wirkt; der Süden produziert Menschen, welche auf Menschen einen kolossalen Eindruck des Augenblickes machen.
Dieser Eindruck beruht wesentlich auf Erregung des Gewissens. Es sind Moralpredigten, ohne Abstraktion, voll spezieller Anwendung, unterstützt von einer geweihten, aszetischen Persönlichkeit, woran sich dann von selbst durch die erregte Phantasie das Mirakel anschliesst, auch gegen den Willen des PredigersCapistrano z. B. begnügt sich, über die Tausende von Kranken, die man ihm brachte, das Kreuz zu machen und sie im Namen der Dreieinigkeit und seines Meisters S. Bernardino zu segnen, worauf hie und da eine wirkliche Genesung erfolgte, wie in sollen Fällen zu geschehen pflegt. Der Chronist von Brescia deutet dies so an: »er tat schöne Wunder, doch erzählte man viel mehr als wirklich war.«. Das gewaltigste Argument war weniger die Drohung mit Fegefeuer und Hölle, als vielmehr die höchst lebendige Entwicklung der maledizione, des zeitlichen, in der Person wirkenden Fluches, der sich an das Böse knüpft. Die Betrübung Christi und der Heiligen hat ihre Folgen im Leben. Nur so konnte man die in Leidenschaft, Racheschwüre und Verbrechen verrannten Menschen zur Sühne und Busse bringen, was bei weitem der wichtigste Zweck war.
So predigten im 15. Jahrhundert Bernardino da Siena, Alberto da Sarzana, Giovanni Capistrano, Jacopo della Marca, Roberto da Lecce (S. 442) und andere; endlich Girolamo Savonarola. Es gab kein stärkeres Vorurteil als dasjenige gegen die Bettelmönche; sie überwanden es. Der hochmütige Humanismus kritisierte und höhnteSo z. B. Poggio, de avaritia, in den Opera, fol. 2. Er findet, sie hätten es leicht, da sie in jeder Stadt dasselbe vorbrächten und das Volk dümmer entlassen dürften als es gekommen sei usw.; wenn sie ihre Stimme erhoben, so dachte man seiner nicht mehr. Die Sache war nicht neu, und ein Spöttervolk wie die Florentiner hatte schon im 14. Jahrhundert die Karikatur davon, wo sie sich auf seinen Kanzeln blicken liess, malträtieren gelerntFranco Sacchetti, Nov. 72. Verfehlte Bussprediger sind bei allen Novellisten ein häufiges Thema.; als Savonarola auftrat, riss er sie doch soweit hin, dass bald ihre ganze geliebte Bildung und Kunst in dem Glutfeuer, das er entzündete, zusammengeschmolzen wäre. Selbst die stärkste Profanation durch heuchlerische Mönche, welche mit Hülfe von Einverstandenen die Rührung beliebig in ihren Zuhörern hervorzubringen und zu verbreiten wussten (vgl. S. 495 f.), war nicht imstande, der Sache selbst zu schaden. Man fuhr fort, über gemeine Mönchspredigten mit erdichteten Wundern und Vorzeigung falscher ReliquienVgl. die bekannte Posse im Decamerone VI, Nov. 10. zu lachen und die echten grossen Bussprediger hochzuachten. Dieselben sind eine wahre italienische Spezialität des 15. Jahrhunderts.
Der Orden – in der Regel der des heiligen Franciscus, und zwar von der sogenannten Observanz – schickt sie aus je nachdem sie begehrt werden. Dies geschieht hauptsächlich bei schwerer öffentlicher oder Privatzwietracht in den Städten, auch wohl bei schrecklicher Zunahme der Unsicherheit und Unsittlichkeit. Ist dann aber der Ruhm eines Predigers gewachsen, so begehren ihn die Städte alle auch ohne besondern Anlass; er geht wohin ihn die Obern senden. Ein besonderer Zweig dieser Tätigkeit ist die Kreuzpredigt gegen die TürkenWobei die Sache wieder ganz eigentümliche Farben annahm. Vgl. Malipiero, Ann. venet., Arch. stor. VII, I, p. 18. – Chron. venerum, bei Murat. XXIV, Col. 114. – Storia Bresciana, bei Murat. XXI, Col. 898.; wir haben es aber hier wesentlich mit der Busspredigt zu tun.
Die Reihenfolge der Predigten, wenn eine solche methodisch beobachtet wurde, scheint sich einfach an die kirchliche Aufzählung der Todsünden angeschlossen zu haben; je dringender aber der Moment ist, um so eher geht der Prediger unmittelbar auf das Hauptziel los. Er beginnt vielleicht in einer jener gewaltig grossen Ordenskirchen oder im Dom; binnen kurzem ist die grosse Piazza zu klein für das von allen Gegenden herbeiströmende Volk, und das Kommen und Gehen ist für ihn selbst mit Lebensgefahr verbundenStor. Bresciana bei Murat. XXI, Col. 865.. In der Regel schliesst die Predigt mit einer ungeheuern Prozession, allein die ersten Stadtbeamten, welche ihn in die Mitte nehmen, können ihn auch da kaum vor den Leuten sichern, welche ihm Hände und Füsse küssen und Stücke von seiner Kutte schneidenAllegretto, Diarî sanesi, bei Murat. XXIII, Col. 819..
Die nächsten Erfolge, welche sich am leichtesten ergeben, nachdem gegen Wucher, Vorkauf und unehrbare Moden gepredigt worden, sind das Eröffnen der Gefängnisse, d. h. wohl nur die Freilassung ärmerer Schuldgefangenen, und das Verbrennen von Luxussachen und Werkzeugen gefährlichen sowohl als unschuldigen Zeitvertreibes: als da sind Würfel, Karten, Spiele aller Art, »Maskengesichter«, Musikinstrumente, Gesangbücher, geschriebene ZauberformelnInfessura (bei Eccard, scriptores II, Col. 1874) sagt: canti, brevi, sorti. Ersteres könnte auf Liederbücher gehen, dergleichen wenigstens Savonarola wirklich verbrannt hat. Allein Graziani (Cron. di Perugia, Arch. stor. XVI, I, p. 314) sagt bei einem ähnlichen Anlass, brieve incante, was ohne Zweifel brevi e incanti zu lesen ist, und eine ähnliche Emendation ist vielleicht auch bei Infessura ratsam, dessen sorti ohnehin irgendeine Sache des Aberglaubens bezeichnen, etwa ein wahrsagendes Kartenspiel. – Zur Zeit des Bücherdruckes sammelte man auch z. B. alle Exemplare des Martial für den Scheiterhaufen ein. Bandello III, Nov. 10., falsche Haartouren usw. Dies alles wurde auf einem Gerüste (talamo) ohne Zweifel zierlich gruppiert, oben drauf etwa noch eine Teufelsfigur befestigt und dann Feuer angelegt (vgl. S. 400).
Nun kommen die härtern Gemüter an die Reihe; wer längst nicht mehr gebeichtet hat, beichtet nunmehr; ungerecht vorenthaltenes Gut wird zurückgegeben, unheilschwangere Schmähreden werden zurückgenommen. Redner wie Bernardino da SienaS. dessen merkwürdige Biographie bei Vespasiano Fiorent. p. 244, s. – und die bei Aen. Sylvius, de viris illustr., p. 24. gingen sehr emsig und genau auf den täglichen Verkehr der Menschen und dessen Sittengesetz ein. Wenige unserer heutigen Theologen möchten wohl eine Morgenpredigt zu halten versucht sein »über Kontrakte, Restitutionen, Staatsrenten (monte) und Ausstattung von Töchtern«, wie er einst im Dom von Florenz eine hielt. Unvorsichtigere Prediger begingen dabei leicht den Fehler, so stark gegen einzelne Menschenklassen, Gewerbe, Beamtungen loszuziehen, dass sich das aufgeregte Gemüt der Zuhörer sofort durch Tätlichkeiten gegen diese entludAllegretto, l. c., Col. 823; ein Prediger hetzt das Volk gegen die Richter (wenn nicht statt giudici etwa giudei zu lesen ist), worauf dieselben bald in ihren Häusern wären verbrannt worden.. Auch eine Predigt des Bernardino da Siena, die er einmal in Rom (1424) hielt, hatte ausser dem Brand von Putz- und Zaubersachen auf dem Kapitol noch eine andere Folge: »Hernach«, heisst esInfessura, l. c. Im Todestag der Hexe scheint ein Schreibfehler zu liegen. – Wie derselbe Heilige vor Arezzo ein verrufenes Wäldchen umhauen liess, erzählt Vasari III, 148; v. di Parri Spinelli. Oft mag sich der erste Busseifer an Lokalen, Symbolen und Werkzeugen so ziemlich erschöpft haben., »wurde auch die Hexe Finicella verbrannt, weil sie mit teuflischen Mitteln viele Kinder tötete und viele Personen verhexte, und ganz Rom ging hin es zu sehen.«