Jacob Burckhardt
Die Kultur der Renaissance in Italien
Jacob Burckhardt

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Auf welche Weise auch der Krieg den Charakter eines Kunstwerkes annahm, soll hier nur mit einigen Worten angedeutet werden. Im abendländischen Mittelalter war die Ausbildung des einzelnen Kriegers eine höchst vollendete innerhalb des herrschenden Systemes von Wehr und Waffen, auch gab es gewiss jederzeit geniale Erfinder in der Befestigungs- und Belagerungskunst, allein Strategie sowohl als Taktik wurden in ihrer Entwicklung gestört durch die vielen sachlichen und zeitlichen Beschränkungen der Kriegspflicht und durch den Ehrgeiz des Adels, welcher z. B. angesichts der Feinde um den Vorrang im Streit haderte und mit seinem blossen Ungestüm gerade die wichtigsten Schlachten, wie die von Crécy und Maupertuis, verdarb. Bei den Italienern dagegen herrschte am frühsten das in solchen Dingen anders geartete Söldnerwesen vor, und auch die frühe Ausbildung der Feuerwaffen trug ihrerseits dazu bei, den Krieg gleichsam zu demokratisieren, nicht nur weil die festesten Burgen vor den Bombarden erzitterten, sondern weil die auf bürgerlichem Wege erworbene Geschicklichkeit des Ingenieurs, Stückgiessers und Artilleristen in den Vordergrund trat. Man empfand dabei nicht ohne Schmerz, dass die Geltung des Individuums – die Seele der kleinen, trefflich ausgebildeten italienischen Söldnerheere – durch jene von ferne her wirkenden Zerstörungsmittel beeinträchtigt wurde, und es gab einzelne Condottieren, welche sich wenigstens gegen das unlängst in Deutschland erfundenePii II. Commentarii L. IV, p. 190 ad a. 1459. Handrohr aus Kräften verwahrten; so liess Paolo VitelliPaul. Jovius, Elogia. Man wird an Federigo von Urbino erinnert, »welcher sich geschämt hätte«, in seiner Bibliothek ein gedrucktes Buch zu dulden. Vgl. Vespas. Fiorent. den gefangenen feindlichen Schioppettieri die Augen aussstechen und die Hände abhauen, während er die Kanonen als berechtigt anerkannte und gebrauchte. Im grossen und ganzen aber liess man die Erfindungen walten und nützte sie nach Kräften aus, so dass die Italiener für die Angriffsmittel wie für den Festungsbau die Lehrer von ganz Europa wurden. Fürsten wie Federigo von Urbino, Alfonso von Ferrara, eigneten sich eine Kennerschaft des Faches an, gegen welche selbst die eines Maximilian I. nur oberflächlich erschienen sein wird. In Italien gab es zuerst eine Wissenschaft und Kunst des gesamten im Zusammenhang behandelten Kriegswesens; hier zuerst begegnen wir einer neutralen Freude an der korrekten Kriegführung als solcher, wie dies zu dem häufigen Parteiwechsel und zu der rein sachlichen Handlungsweise der Condottieren passte. Während des mailändisch-venezianischen Krieges von 1451 und 1452, zwischen Francesco Sforza und Jacopo Piccinino, folgte dem Hauptquartier des letztern der Literat Porcellio, mit dem Auftrage des Königs Alfonso von Neapel, eine RelationPorcellii commentaria Jac. Picinini, bei Murat. XX. Eine Fortsetzung für den Krieg von 1453 ibid. XXV. zu verfassen. Sie ist in einem nicht sehr reinen, aber fliessenden Latein im Geiste des damaligen humanistischen Bombastes geschrieben, im ganzen nach Cäsars Vorbild, mit eingestreuten Reden, Prodigien usw.; und da man seit hundert Jahren ernstlich darob stritt, ob Scipio Africanus major oder Hannibal grösser gewesenAus Missverstand nennt Porcellio den Scipio «Aemilianus», während er den Africanus maior meint., muss sich Piccinino bequemen, durch das ganze Werk Scipio zu heissen und Sforza Hannibal. Auch über das mailändische Heer mußte objektiv berichtet werden; der Sophist liess sich bei Sforza melden, wurde die Reihen entlang geführt, lobte alles höchlich und versprach, was er hier gesehen, ebenfalls der Nachwelt zu überliefernSimonetta, Hist. Fr. Sfortiae, bei Murat. XXI, Col. 630.. Auch sonst ist die damalige Literatur Italiens reich an Kriegsschilderungen und Aufzeichnungen von Stratagemen zum Gebrauch des beschaulichen Kenners sowohl als der gebildeten Welt überhaupt, während gleichzeitige nordische Relationen, z. B.: Diebold Schillings Burgunderkrieg, noch ganz die Formlosigkeit und protokollarische Treue von Chroniken an sich haben. Der grösste Dilettant, der je als solcherAls solcher wird er dann doch behandelt. Vgl. Bandello, Parte I, Nov. 40. im Kriegswesen aufgetreten ist, Macchiavelli, schrieb damals seine »arte della guerra«. Die subjektive Ausbildung des einzelnen Kriegers aber fand ihre vollendetste Aeusserung in jenen feierlichen Kämpfen von einem oder mehreren Paaren, dergleichen schon lange vor dem berühmten Kampfe bei Barletta (1503) Sitte gewesen istVgl. z. B.: De obsidione Tiphernatium, im zweiten Band der rer. italicar. scriptores ex codd. florent., Col. 690. Ein sehr bezeichnendes Ereignis vom Jahr 1474. – Der Zweikampf des Marschalls Boucicault mit Galeazzo Gonzaga 1406 bei Cagnola, Arch. stor. III, p. 25. Wie Sixtus IV. die Duelle seiner Gardisten ehrte, erzählt Infessura. Seine Nachfolger erliessen Bullen gegen das Duell überhaupt. Sept. Decretal. V. Tit. 17.. Der Sieger war dabei einer Verherrlichung gewiss, die ihm im Norden fehlte: durch Dichter und Humanisten. Es liegt im Ausgang dieser Kämpfe kein Gottesurteil mehr, sondern ein Sieg der Persönlichkeit und – für die Zuschauer – der Entscheid einer spannenden Wette nebst einer Genugtuung für die Ehre des Heeres oder der Nation.

Es versteht sich, dass diese ganze rationelle Behandlung der Kriegssachen unter gewissen Umständen den ärgsten Greueln Platz machte, selbst ohne Mitwirkung des politischen Hasses, bloss etwa einer versprochenen Plünderung zuliebe. Nach der vierzigtägigen Verheerung Piacenzas (1447), welche Sforza seinen Soldaten hatte gestatten müssen, stand die Stadt geraume Zeit leer und musste mit Gewalt wieder bevölkert werdenDas Nähere Arch. stor. Append. Tom. V, und ein Brief bei Baluz. Miscell. III, p. 158, mit Einzelheiten, welche das Heer Sforzas als eine der schrecklichsten Söldnerrotten der Welt erkennen lassen.. Doch will dergleichen wenig sagen im Vergleich mit dem Jammer, den nachher die Truppen der Fremden über Italien brachten; besonders jene Spanier, in welchen vielleicht ein nicht abendländischer Zusatz des Geblütes, vielleicht die Gewöhnung an die Schauspiele der Inquisition die teuflische Seite der Natur entfesselt hatte. Wer sie kennenlernt bei ihren Greueltaten von Prato, Rom usw., hat es später schwer, sich für Ferdinand den Katholischen und Karl V. im höhern Sinne zu interessieren. Diese haben ihre Horden gekannt und dennoch losgelassen. Die Last von Akten aus ihrem Kabinett, welche allmählich zum Vorschein kommt, mag eine Quelle der wichtigsten Notizen bleiben – einen belebenden politischen Gedanken wird niemand mehr in den Skripturen solcher Fürsten suchen.


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