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Andere glänzende Pantomimen dieser Art gab es in Bologna bei der Hochzeit des Annibale Bentivoglio mit Lucrezia von EstePhil. Beroaldi orationes; nuptiae Bentivoleae.; statt des Orchesters wurden Chöre gesungen, während die Schönste aus Dianens Nymphenschar zur Juno Pronuba hinüberfloh, während Venus mit einem Löwen, d. h. hier nur einem täuschend verkappten Menschen, sich unter einem Ballett wilder Männer bewegte; dabei stellte die Dekoration ganz naturwahr einen Hain vor. In Venedig feierte man 1491 die Anwesenheit estensischer FürstinnenM. Anton. Sabellici Epist. L. III, fol. 17. durch Einholung mit dem Bucintoro, Wettrudern und eine prächtige Pantomime »Meleager« im Hof des Dogenpalastes. In Mailand leitete Lionardo da VinciAmoretti, Memorie etc. su Lionardo da Vinci, p. 38, s. die Feste des Herzogs und auch diejenigen anderer Grossen; eine seiner Maschinen, welche wohl mit derjenigen des Brunellesco (S. 441) wetteifern mochte, stellte in kolossaler Grösse das Himmelssystem in voller Bewegung dar; jedesmal wenn sich ein Planet der Braut des jüngern Herzogs, Isabella, näherte, trat der betreffende Gott aus der Kugel hervorWie die Astrologie dies Jahrhundert bis in die Feste hinein verfolgte, zeigen auch die (undeutlich geschilderten) Planetenaufzüge beim Empfang fürstlicher Bräute in Ferrara. Diario Ferrarese, bei Muratori XXIV, Col. 248, ad a. 1473. Col. 282, ad a. 1491. – Ebenso in Mantua. Arch. stor. append. II, p. 233. und sang die von Hofdichter Bellincioni gedichteten Verse (1489). Bei einem andern Feste (1493) paradierte unter andern schon das Modell zur Reiterstatue des Francesco Sforza, und zwar unter einem Triumphbogen auf dem Kastellplatz. Aus Vasari ist weiter bekannt, mit welch sinnreichen Automaten Lionardo in der Folge die französischen Könige als Herren von Mailand bewillkommnen half. Aber auch in kleinem Städten strengte man sich bisweilen sehr an. Als Herzog Borso (S. 78) 1453 zur Huldigung nach Reggio kamAnnal. Estens. bei Murat. XX, Col. 468, s. Die Beschreibung ist undeutlich, und überdies nach einer inkorrekten Abschrift gedruckt., empfing man ihn am Tor mit einer grossen Maschine, auf welcher S. Prospero, der Stadtpatron, zu schweben schien, überschattet durch einen von Engeln gehaltenen Baldachin, unter ihm eine drehende Scheibe mit acht Musikengeln, deren zwei sich hierauf von dem Heiligen die Stadtschlüssel und das Szepter erbaten, um beides dem Herzog zu überreichen. Dann folgte ein durch verdeckte Pferde bewegbares Gerüst, welches einen leeren Thron enthielt, hinten eine stehende Justitia mit einem Genius als Diener, an den Ecken vier greise Gesetzgeber, umgeben von sechs Engeln mit Fahnen; zu beiden Seiten geharnischte Reiter, ebenfalls mit Fahnen; es versteht sich, dass der Genius und die Göttin den Herzog nicht ohne Anrede ziehen liessen. Ein zweiter Wagen, wie es scheint, von einem Einhorn gezogen, trug eine Caritas mit brennender Fackel; dazwischen aber hatte man sich das antike Vergnügen eines von verborgenen Menschen vorwärts getriebenen Schiffwagens nicht versagen mögen. Dieser und die beiden Allegorien zogen nun dem Herzog voran; aber schon vor S. Pietro wurde wieder stille gehalten; ein hl. Petrus schwebte mit zwei Engeln in einer runden Glorie von der Fassade hernieder bis zum Herzog, setzte ihm einen Lorbeerkranz auf und schwebte wieder emporMan erfährt, dass die Stricke dieser Maschinerie als Guirlanden maskiert waren.. Auch noch für eine andere rein kirchliche Allegorie hatte der Klerus hier gesorgt; auf zwei hohen Säulen standen »der Götzendienst« und die »Fides«; nachdem letztere, ein schönes Mädchen, ihren Gruss hergesagt, stürzte die andere Säule samt ihrer Puppe zusammen. Weiterhin begegnete man einem »Cäsar« mit sieben schönen Weibern, welche er dem Borso als die Tugenden präsentierte, welche derselbe zu erstreben habe. Endlich gelangte man zum Dom, nach dem Gottesdienst aber nahm Borso wieder draussen auf einem hohen goldenen Throne Platz, wo ein Teil der schon genannten Masken ihn noch einmal bekomplimentierten. Den Schluss machten drei von einem nahen Gebäude niederschwebende Engel, welche ihm unter holdem Gesange Palmzweige als Sinnbilder des Friedens überreichten.
Betrachten wir nun diejenigen Festlichkeiten, wobei der bewegte Zug selber die Hauptsache ist.
Ohne Zweifel gewährten die kirchlichen Prozessionen seit dem frühen Mittelalter einen Anlass zur Maskierung, mochten nun Engelkinder das Sakrament, die herumgetragenen heiligen Bilder und Reliquien begleiten, oder Personen der Passion im Zuge mitgehen, etwa Christus mit dem Kreuz, die Schächer und Kriegsknechte, die heiligen Frauen. Allein mit grossen Kirchenfesten verbindet sich schon frühe die Idee eines städtischen Aufzuges, der nach der naiven Art des Mittelalters eine Menge profaner Bestandteile verträgt. Merkwürdig ist besonders der aus dem Heidentum herübergenommeneEigentlich das Isisschiff, das am 5. März als Symbol der wieder eröffneten Meerfahrt ins Wasser gelassen wird. – Die Analogie im deutschen Kult s. bei Jac. Grimm, Deutsche Mythologie. Schiffwagen, carrus navalis, der, wie schon an einem Beispiel bemerkt wurde, bei Festen sehr verschiedener Art mitgeführt werden mochte, dessen Name aber vorzugsweise auf dem »Karneval« haften blieb. Ein solches Schiff konnte freilich als heiter ausgestattetes Prachtstück die Beschauer vergnügen, ohne dass man sich irgend noch der frühern Bedeutung bewusst war, und als z. B. Isabella von England mit ihrem Bräutigam Kaiser Friedrich II. in Köln zusammenkam, fuhren ihr eine ganze Anzahl von Schiffwagen mit musizierenden Geistlichen, von verdeckten Pferden gezogen, entgegen.
Aber die kirchliche Prozession konnte nicht nur durch Zutaten aller Art verherrlicht, sondern auch durch einen Zug geistlicher Masken geradezu ersetzt werden. Einen Anlass hiezu gewährte vielleicht schon der Zug der zu einem Mysterium gehenden Schauspieler durch die Hauptstrassen einer Stadt, frühe aber möchte sich eine Gattung geistlicher Festzüge auch unabhängig hievon gebildet haben. Dante schildertPurgatorio XXIX, 43 bis Ende, und XXX, Anfang. – Der Wagen ist laut Vs. 115 herrlicher als der Triumphwagen des Scipio, des Augustus, ja als der des Sonnengottes. den »trionfo« der Beatrice mit den vierundzwanzig Aeltesten der Offenbarung, den vier mystischen Tieren, den drei christlichen und den vier Kardinaltugenden, S. Lucas, S. Paulus und andern Aposteln in einer solchen Weise, dass man beinahe genötigt ist, das wirkliche frühe Vorkommen solcher Züge vorauszusetzen. Dies verrät sich hauptsächlich durch den Wagen, auf welchem Beatrice fährt und welcher in dem visionären Wunderwald nicht nötig wäre, ja auffallend heissen darf. Oder hat Dante etwa den Wagen nur als wesentliches Symbol des Triumphierens betrachtet? Und ist vollends erst sein Gedicht die Anregung zu solchen Zügen geworden, deren Form von dem Triumph römischer Imperatoren entlehnt war? Wie dem nun auch sei, jedenfalls haben Poesie und Theologie an dem Sinnbilde mit Vorliebe festgehalten. Savonarola in seinem »Triumph des Kreuzes« stelltRanke, Gesch. der roman. und german. Völker, S. 119. Christus auf einem Triumphwagen vor, über ihm die leuchtende Kugel der Dreifaltigkeit, in seiner Linken das Kreuz, in seiner Rechten die beiden Testamente; tiefer hinab die Jungfrau Maria; vor dem Wagen Patriarchen, Propheten, Apostel und Prediger; zu beiden Seiten die Märtyrer und die Doktoren mit den aufgeschlagenen Büchern; hinter ihm alles Volk der Bekehrten; in weiterer Entfernung die unzähligen Haufen der Feinde, Kaiser, Mächtige, Philosophen, Ketzer, alle besiegt, ihre Götzenbilder zerstört, ihre Bücher verbrannt. (Eine als Holzschnitt bekannte grosse Komposition Tizians kommt dieser Schilderung ziemlich nahe.) Von Sabellicos (S. 90 ff.) dreizehn Elegien auf die Mutter Gottes enthalten die neunte und die zehnte einen umständlichen Triumphzug derselben, reich mit Allegorien ausgestattet, und hauptsächlich interessant durch denselben antivisionären, räumlich wirklichen Charakter, den die realistische Malerei des 15. Jahrhunderts solchen Szenen mitteilt.
Weit häufiger aber als diese geistlichen Trionfi waren jedenfalls die weltlichen, nach dem unmittelbaren Vorbild eines römischen Imperatorenzuges, wie man es aus antiken Reliefs kannte und aus den Schriftstellern ergänzte. Die Geschichtsanschauung der damaligen Italiener, womit dies zusammenhing, ist oben (S. 172, 205) geschildert worden.
Zunächst gab es hie und da wirkliche Einzüge siegreicher Eroberer, welche man möglichst jenem Vorbilde zu nähern suchte, auch gegen den Geschmack des Triumphators selbst. Francesco Sforza hatte (1450) die Kraft, bei seinem Einzug in Mailand den bereitgehaltenen Triumphwagen auszuschlagen, indem dergleichen ein Aberglaube der Könige seiCorio, fol. 401: dicendo, tali cose essere superstitioni de' Re. – Vgl. Cagnola, Arch. stor. III, p. 127.. Alfonso der Grosse, bei seinem EinzugS. oben S. 250. – Vgl. S. 36, Anm. 14 – Triumphus Alphonsi, als Beilage zu den Dicta et Facta, von Panormita. – Eine Scheu vor allzu grossem triumphalem Glanz zeigt sich schon bei den tapferen Komnenen. Vgl. Cinnamus I, 5. VI, 1. in Neapel (1443), enthielt sich wenigstens des Lorbeerkranzes, welchen bekanntlich Napoleon bei seiner Krönung in Notredame nicht verschmähte. Im übrigen war Alfonsos Zug (durch eine Mauerbresche und dann durch die Stadt bis zum Dom) ein wundersames Gemisch von antiken, allegorischen und rein possierlichen Bestandteilen. Der von vier weissen Pferden gezogene Wagen, auf welchem er thronend sass, war gewaltig hoch und ganz vergoldet; zwanzig Patrizier trugen die Stangen des Baldachins von Goldstoff, in dessen Schatten er einherfuhr. Der Teil des Zuges, den die anwesenden Florentiner übernommen hatten, bestand zunächst aus eleganten jungen Reitern, welche kunstreich ihre Speere schwangen, aus einem Wagen mit der Fortuna und aus sieben Tugenden zu Pferde. Die GlücksgöttinEs gehört zu den rechten Naivetäten der Renaissance, dass man der Fortuna eine solche Stelle anweisen durfte. Beim Einzug des Massimiliano Sforza in Mailand (1512) stand sie als Hauptfigur eines Triumphbogens über der Fama, Speranza, Audacia und Penitenza; lauter lebendige Personen. Vgl. Prato, Arch. stor. III, p. 305. war nach derselben unerbittlichen Allegorik, welcher sich damals auch die Künstler bisweilen fügten, nur am Vorderhaupt behaart, hinten kahl, und der auf einem untern Absatz des Wagens befindliche Genius, welcher das leichte Zerrinnen des Glückes vorstellte, musste deshalb die Füsse in einem Wasserbecken stehen haben. Dann folgte, von derselben Nation ausgestattet, eine Schar von Reitern in den Trachten verschiedener Völker, auch als fremde Fürsten und Grosse kostümiert, und nun auf hohem Wagen, über einer drehenden Weltkugel ein lorbeergekrönter Julius CäsarDer oben S. 447 f. geschilderte Einzug des Borso von Este in Reggio zeigt, welchen Eindruck der alfonsinische Triumph in ganz Italien gemacht hatte., welcher dem König in italienischen Versen alle bisherigen Allegorien erklärte und sich dann dem Zuge einordnete. Sechzig Florentiner, alle in Purpur und Scharlach, machten den Beschluss dieser prächtigen Exhibition der festkundigen Heimat. Dann aber kam eine Schar von Catalanen zu Fuss, mit vorn und hinten angebundenen Scheinpferdchen und führten gegen eine Türkenschar ein Scheingefecht auf, ganz als sollte das florentinische Pathos verspottet werden. Darauf fuhr ein gewaltiger Turm einher, dessen Tür von einem Engel mit einem Schwert bewacht wurde; oben standen wiederum vier Tugenden, welche den König, jede besonders, ansangen. Der übrige Pomp des Zuges war nicht besonders charakteristisch.
Beim Einzug Ludwigs XII. in Mailand 1507Prato, Arch. stor. III, p. 260. gab es ausser dem unvermeidlichen Wagen mit Tugenden auch ein lebendes Bild: Jupiter, Mars und eine von einem grossen Netz umgebene Italia; hernach kam ein mit Trophäen beladener Wagen usw.