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Das Münster 1814
An E. M. Arndt
In Straßburg steht ein hoher Turm,
Der steht viel hundert Jahr,
Es weht um ihn so mancher Sturm,
Er bleibet fest und klar.
So war auch wohl die fromme Welt,
Die solches Werk gedacht,
Zu dem sie von dem Sternenzelt
Den Abriß hergebracht.
Wie sich, ein ewiges Heldenmal,
Das Gotteshaus erhebt,
Aus dem, ein heller, schlanker Strahl,
Der Turm gen Himmel strebt.
So war auch einst das Deutsche Reich,
So war der deutsche Mann,
Auf starkem Grund, im Herzen reich,
Das Haupt zu Gott hinan.
Und wie den festen Bau umgibt
Die schöne Heil'genwelt,
So hatte jeder, was er liebt,
In ihren Schutz gestellt.
Wir wollen vor dem Altar noch
Ein fromm Gelübde tun,
Daß nimmermehr soll fremdes Joch
Auf deutschem Nacken ruhn.
Wir sprechen dort ein hohes Wort,
Ein brünstiges Gebet,
Daß Gott, der Deutschen starker Hort,
Verbleibe stet und stet;
Daß, wie der Turm, der deutsche Sinn
Entwachse seiner Zeit
Und nach dem Himmel strebe hin,
Wenn ihn die Welt bedräut.
Und ob wir wieder heimwärts gehn,
Wir wenden unsern Blick
Und schauen nach des Wasgaus Höh'n,
Wie nach dem Turm zurück.
Die Bundesfahn' in Feindes Hand?
Der Turm in welscher Macht?
O nein, sie sind vorausgesandt
Als kühne Vorderwacht.
Wir retten euch, wir haben's Eil,
Vergaß euch doch kein Herz,
O Wolkensäul', o Feuersäul',
Schaut immer heimatwärts.
* * *
Wie tief auch noch versunken
Die alte Herrlichkeit,
In Aschen glimmt ein Funken –
Wir wecken ihn zur Zeit.
Es kommt ein Tag der Rache
Für aller Sünder Haupt,
Dann sieget Gottes Sache;
Das schauet, wer geglaubt.
Dann wollen wir erlösen
Die Schwester fromm und fein
Aus der Gewalt der Bösen,
Die starke Burg am Rhein,
Die Burg, die an den Straßen
Des falschen Frankreichs liegt,
In der nach ew'gen Maßen
Erwin den Bau gefügt.
* * *
Als Thiers die Welschen aufgerührt hatte
(Herbstmond 1841)
Und brauset der Sturmwind des Krieges heran,
Und wollen die Welschen ihn haben,
So sammle, mein Deutschland, dich stark wie ein Mann
Und bringe die blut'gen Gaben
Und bringe das Schrecken und trage das Grauen
Von all deinen Bergen, aus all deinen Gauen
Und klinge die Losung: »Zum Rhein! übern Rhein!
Alldeutschland in Frankreich hinein!«
Sie wollen's: so reiße denn deutsche Geduld,
Reiß' durch von dem Belt bis zum Rheine!
Wir fordern die lange gestundete Schuld –
Auf, Welsche, und rühret die Beine!
Wir wollen im Spiele der Schwerter und Lanzen
Den wilden, den blutigen Tanz mit euch tanzen,
Wir klingen die Losung: »Zum Rhein! übern Rhein!
Alldeutschland in Frankreich hinein!«
Mein einziges Deutschland, mein kühnes, heran!
Wir wollen ein Liedlein euch singen
Von dem, was die schleichende List euch gewann,
Von Straßburg und Metz und Lothringen:
Zurück sollt ihr zahlen, heraus sollt ihr geben!
So stehe der Kampf uns auf Tod und auf Leben!
So klinge die Losung: »Zum Rhein! übern Rhein!
Alldeutschland in Frankreich hinein!«
Mein einziges Deutschland, mein freies, heran!
Sie wollen, sie sollen es haben.
Auf! Sammle und rüste dich stark wie ein Mann
Und bringe die blutigen Gaben!
Du, das sie nun nimmer mit Listen zersplittern,
Erbrause wie Windsbraut aus schwarzen Gewittern!
So klinge die Losung: »Zum Rhein! übern Rhein!
Alldeutschland in Frankreich hinein!«
* * *
Bei Straßburg eine Tanne,
Im Bergforst, alt und groß,
Genannt bei jedermanne
Die große Tanne bloß,
Ein Rest aus jenen Tagen,
Als dort noch Deutschland lag;
Die ward nun abgeschlagen
An diesem Pfingstmontag.
Da kamen wie zum Feste
Zusammen fern und nah
In ganzen Scharen Gäste
Und sahn das Schauspiel da.
Sie jauchzeten mit Schalle,
Als niedersank ihr Kranz,
Und hielten nach dem Falle
Im Forsthaus einen Tanz.
Hat einer wohl vernommen,
Was, als die Wurzel brach,
Im Herzen tief beklommen
Zuletzt die Tanne sprach?
Ein Widerhall vernahm es,
Der trug von Ziel zu Ziel
Es weiter, und so kam es
Hier in mein Saitenspiel.
So sprach die alte Tanne:
Ich stehe nun der Zeit
Hier eine lange Spanne
In dieser Einsamkeit,
Von dieses Berges Gipfel
Mich streckend in die Luft;
Es webt um meine Wipfel
Noch der Erinn'rung Duft.
Ich sah in alten Zeiten
Die Kaiser und die Herrn
Im Lande ziehn und reiten:
Wie liegt das heut so fern!
Da mocht' ich wohl mit Rauschen
Sie grüßen in der Nacht
Und mit den Winden tauschen
Gespräch von deutscher Macht.
Dann kam die Zeit der Irrung,
Des Abfalls in das Land,
Voll schmählicher Verwirrung,
Da ich gar traurig stand;
Es klirrten fremde Waffen,
Es zuckte mir durchs Mark,
Ich sah die Zeit erschlaffen
Und blieb kaum selber stark.
Den Himmel sah ich säumen
Ein neues Morgenrot,
Es scholl aus fernen Räumen
Der Freiheit Aufgebot;
Ich sah auf alten Bahnen
Die neuen Deutschen gehn,
Die lang entwöhnten Fahnen
Vom Rheinstrom her mir wehn.
Da schüttelten die Winde
Mein altes Haupt im Sturm;
Vor Schreck entsank der Rinde,
Der sie genagt, der Wurm:
Nun werden deutsch die Gauen
Vom Wasgau bis zur Pfalz;
Und wieder wird man bauen
Hier eine Kaiserpfalz.
Doch als das große Wetter
Eilfertig, ohne Spur,
Wie Windeshauch durch Blätter,
Dahier vorüberfuhr: –
Mein Wipfel ist geborsten,
Es wird nicht mehr der Aar
In diesen Forsten horsten,
Der meine Hoffnung war.
Lebt, Adler, wohl und Falken!
Ich fall' in Schmach und Graus
Und gebe keinen Balken
Zu einem deutschen Haus;
Man wird hinab mich schleppen
Und drunten aus mir nur
Versehn mit neuen Treppen
Mairie und Präfektur.
Doch, jüngre Waldgeschwister,
Ihr hauchet frischbelaubt
Teilnehmendes Geflüster
Um mein erstorbnes Haupt;
Euch alle sterbend weih' ich
Zu schönrer Zukunft ein.
Und also prophezei' ich,
Wie fern die Zeit mag sein:
Einst einer von euch allen,
Wenn er so altergrau
Wird, wie ich falle, fallen,
Gibt Stoff zu anderm Bau,
Da wohnen wird und wachen
Ein Fürst auf deutscher Flur;
Dann wird mein Holz noch krachen
Im Bau der Präfektur.
* * *