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geboren 1865 in Geudertheim im Unterelsaß, lebt in Straßburg.
*
Ich war ein Kind. Froh nach des Mittags Spiel
Eilt' ich hinaus ins traute Plauderstübchen,
Und thronend auf der grauen Ahne Schoß
Lauscht' ich den Märchen, die sie lächelnd spann –
Den Märchen von den Riesen und den Zwergen,
Von kühnen Rittern, weißen Wunderfrauen
Und von dem Glanz der »alten, guten Zeit«. –
Kaum atmend, hing ich stumm an ihrem Mund
Und lebte Stunden süßer Seligkeit.
Des Nachts sogar in farbenbunten Träumen
Ward meine junge Seele noch beglückt
Durch all den Zauber der
Vergangenheit.
Zum Jüngling wuchs ich auf. Aus jenen Fernen,
Die wonneschwärmend ich als Kind durchflog,
Lenkt' ich hinweg mein Sinnen zu der
Zukunft
Und ihren wunderbaren Rätselreizen.
Den Himmel sah ich blaun in ew'ger Klarheit,
Von keiner Wetterwolke je getrübt.
Auf stillen, duftumhauchten Blütenpfaden
Stieg ich empor zu sonnenlichter Höh',
Und dort im Reich des Friedens eine Glücksburg
Erbauten mir die Hoffnung und der Glaube.
Aufs neue sah ich Jahr um Jahr entwandern,
Und auf das schwüle Kampfgefild des Lebens
Trat ich hinaus, zur Manneskraft gereift.
Hier steh' ich nun, umgärt vom Sturm der Zeit,
Mich kräftigend im klaren Wonnequell
Der Pflichterfüllung und der Tatenfreude.
Nicht in die Ferne geht mein Sehnen mehr;
Ich grüße laut den Hauch der
Gegenwart,
Und in mir selbst hab' ich mein Glück gefunden.
* * *
Nun laßt, ihr gefiederten Sänger all,
Uns jauchzen in seliger Wonne!
Hoch über dem grünenden Erdenball
Thront leuchtend die Junisonne.
Noch steht ja die Welt im Rosenkleid,
Und unter den Blütenflammen
Da sinken Sorgen und Herzeleid
In stäubenden Schutt zusammen.
Ja, schmettre nur, Fink! Ja, rausche nur, Wald!
Ja, Seele, nur frisch gesungen;
Es wechseln die Tage. – Wie bald, wie bald
Ist all der Jubel verklungen!
Dann flüchtet der Wandervögel Schar
Zum Süden in stummer Eile;
Es trauert der Wald im Schneetalar,
Und ich – wer weiß, wo ich weile!
Drum heut noch ein Lied aus voller Brust,
Ein Lied voll seliger Wonne,
Und wachsend steige der Klang der Lust
Hinauf zu der Sommersonne!
* * *
Im tiefen Forst lag ich, auf Moos gebettet.
Den Menschen fern und ihrem tollen Treiben,
Mit mir allein und meinem stillen Schmerz.
Ich war ermattet von dem Alltagsringen,
Von all dem Kampf um süße Dauerwonne,
Die nirgends meine müde Seele fand. –
Nun war's so still in Kreis: Kein rauher Klang,
Kein herber Mißton wurde laut umher;
Nur über mir im Laubdach ging ein Säuseln
So leis, als wollt' es mich zum Traume wiegen;
Ein Vogelruf sprang hie und da vom Ast,
Und mit den Blumen äugelte die Sonne. –
Da würd' ich bald so froh, so wohlgemut,
Daß zum Gedächtnis dieser Feierstunde
Im Innern mir ein jauchzend Lied entsproß,
Ein Lied zum Preis dem hehren Waldesfrieden,
Dem Vollglück, das kein düstrer Schatten trübt.
Doch wie im Sinn mir Wort und Reime wuchsen,
Da fiel mein Bück auf eine Krüppelkiefer,
Die stumm im Dunkel einer Buche stand.
Es drängte sich der Stolzen Sommerlaub
An jedem Zweiglein üppiggrün zusammen;
Nur hie und da brach keck ein Strahl sich Bahn
Und warf ein blinkend Silbersternlein nieder
Ins breite Schattentuch der reichen Herrin.
Die Bettlerin jedoch zu ihren Füßen
Sog gierig ein das karge Licht des Tags,
Das sickernd fiel durchs dichte Blattgewirr.
Ein Kind der Not, verwachsen, langsam siechend,
Dem Tod geweiht, und doch mit letzter Kraft
Sich klammernd an das öde Dulderdasein,
So blickte traurig sie zu mir herüber,
Verzweiflungsvoll – ein echtes Bild des Jammers. –
Und wie ich noch mit teilnahmsvollem Auge
Hinübersah nach jener Leidgestalt,
Da gellte mir zu Häupten jäh ein Schrei.
Erschrocken durch die hohen Stämme spähend
Gewahrt' ich hoch im Wipfel einer Eiche,
Ein Täublein niederwürgend, einen Habicht;
Und als ich zürnend mich dem Kampfplatz nahte.
Flog er empor, die Beute in den Krallen,
Laut höhnend mich mit wildem Siegesjubel.
Ein schwaches Ächzen noch, dann flockte kreisend
Zur Erde nieder blutiges Gefieder. –
Ist
das der Friede, den du birgst, o Wald?
Ist
dies dein Glück, von dem ich töricht träumte? –
Dieselbe Not ist's, die die
Menschheit knechtet:
Der Reiche raubt dem Armen Luft und Licht,
Und kalt zertritt die Macht das Recht des Schwachen! –
Ich wandte mich. – Mein Lied blieb ungesungen.
Von dannen lenkt' ich schweigend meinen Schritt
Zum Dorf zurück, – ein tiefes Weh im Herzen.
* * *
Durch des Rheinlands Wundergarten
Fahr' ich hin im Abendwehn,
Wo auf grünen Bergeswarten
Rings die stolzen Burgen stehn.
An der Brüstung lehn' ich träumend,
Schaue zu der Wellen Spiel,
Die, in Perlenstaub zerschäumend,
Brausen um den dunklen Kiel.
Plötzlich ist mir's, aus dem Rauschen
Steige deutlich Ton und Wort,
Und ich müsse schweigend lauschen
Diesem Klingen immerfort. –
Fern vom Wasgau kommt mir Kunde,
Von der grauen Erwinsstadt,
Von der Heimat stillem Grunde,
Der mein Herz gefangen hat. –
Sind's die Wogen, die mir bringen
Deinen Gruß, mein fernes Tal,
Oder regen Sehnsuchtsschwingen
Sich in mir beim Dämmerstrahl? – –
* * *
Ihr Wasgauberge, nun ist's genug!
Nun herab die Winterhauben!
Es naht der Lenz zum Krönungszug
Und weckt einen neuen Glauben!
Schon grünen die Matten, schon sprießt es im Kreis
Duftselig aus allen Zweigen:
Nun will der Mai mit dem Blütenreis
Auch
eure Höhen ersteigen!
Bekränzt euch die Stirn mit dem Freudenflor
Und schmückt eure Waldeshallen!
Laßt hell der gefiederten Sänger Chor
In schmetterndem Jubel erschallen!
Die Quellen laßt springen hinab ins Tal
Mit jauchzendem Lustgetöne!
So sollt ihr prangen beim Frührotstrahl
In lockender Jugendschöne!
Das war eine lange, bange Zeit.
Fast sind wir uns fremd geworden.
Doch endlich, endlich sind wir befreit
Von dem grimmigen Herrscher aus Norden!
Die zagenden Herzen, sie atmen auf
Nach all dem Sorgenhegen,
Und die Hoffnung stürmt in freudigem Lauf
Den kommenden Tagen entgegen. –
Glückauf, du meiner Liebe Land!
Glückauf, ihr Vogesenriesen!
Es mög' uns der Ewige seine Hand
Und seine Huld erschließen!
Er wolle in Gnaden immerdar
Uns seinen Frieden verleihen
Und das wachsende, knospenjunge Jahr
Zum Segensjahr uns weihen!
* * *
Blutig über den Gefilden,
Wo im wilden Schlachtgetümmel
Die Geschicke zweier Völker
Wunderbarlich sich entschieden.
Sank die Sonne.
Dort im Westen tiefer Schatten,
Düstre Nacht und banges Dunkel,
Und das letzte lebensmatte
Fünklein heimlich heißer Hoffnung
Jäh verglommen. –
Doch im Osten wonneweckend
Stieg empor ein glänzend klarer
Silberstern. – Was still im Busen
Unsre Väter sehnend trugen,
Ward Erfüllung. –
Wir, wir schauen's: – Tränensaaten
Brachten reiche Freudenernte.
All die hehren Siegeswunder
Krönt als schönstes und als bestes
Deutschlands Einheit.
Sicher im Kyffhäuser schläft nun
Sanft der alte Barberosse,
Denn geschmiedet ward im Wetter
Starken Schlags die neue, goldne
Kaiserkrone. – –
Freue dich, mein Volk, und halte
Hoch den Jubeltag von Sedan,
Der nach tiefer Schmach dir brachte
Leuchtend hell den lichten Frühling
Junger Größe!
Doch nicht töricht-eitlen Stolzes
Sollst in diesen Feierstunden
Prahlend du dich selbst erheben
Über deinen Feind, den rächend
Gott gerichtet.
Lern' erkennen, daß zu Hohem
Dich das Schicksal auserkoren:
Kämpfe treu den Kampf des Guten
Für Gerechtigkeit und Wahrheit,
Licht und Freiheit!
Dankbar fromm, in reiner Demut
Beuge dich dem Weltenlenker,
Edlen Sinnes, hoffnungsmutig,
Und im Herzen ungetrübte.
Tatenfreude!
Bete, daß des Krieges Flamme
Nimmermehr ein Sturm entfache,
Daß versöhnend bald sich zeige
Hold das Morgenrot des ew'gen
Völkerfriedens!
* * *
Mit lauterm Schlage grüßt dich das Herz
Und glüht in heißerm Brand dir auch,
Treu deinem Namen, lichterhöht,
Und treu im Unbestand dir auch.
Ich sah der fremden Länder viel;
Doch
eine große Liebe nur
Trägt meinen Geist und weiht zur Tat
Die nimmermüde Hand dir auch.
Dem Kind schon warst du Stolz und Glück,
Zur Macht und Ehre neu gebaut,
Und segnend gilt der letzte Wunsch,
Mein deutsches Vaterland, dir auch.
* * *
O seliges Wandern auf grünenden Höh'n!
Hell blitzt es aus Gräsern und Kelchen.
Wir steigen empor aus Gedräng und Gedröhn
Zum König im Wasgau, zum Belchen.
Da dehnt sich die Seele, die Sorge schläft ein,
Und keiner darf heute Begleiter uns sein,
Als spielende Vögel und Falter allein,
Die flatternden Sommergesellchen.
Du rauschender Wald und du duftender Plan,
Wie habt ihr das Herz uns erhoben!
Durch kriechend Gebüsch noch, dann ist es getan;
Schon gipfeln die Hänge sich oben.
Grüß' Gott dich, du Hüttlein auf blumigem Stand,
Du schimmernder See dort an felsiger Wand!
Grüß' Gott dich, du weites, du herrliches Land,
Vom lachenden Zauber umwoben!
O Freiheit, o Sonne! Wie strömen uns zu
Belebend die Lüfte, die klaren!
Die blauende Ferne bewachen voll Ruh'
Der Gletscher gepanzerte Scharen.
Sie reden von Stolz uns, von Trost und von Kraft,
Vom Willen, der siegend das Höchste sich schafft,
Vom Mut, dem gestählten, der nimmer erschlafft:
Den wollen auch wir uns bewahren!
Und drüben, in dämmernder Tiefe den Fuß,
Die ragenden Schwarzwaldgestalten,
Sie winken herüber vertraulichen Gruß:
»Herzlieber, wir bleiben die Alten!
Gefunden, verbunden nach Sturm und nach Not,
So gilt uns aufs neue der Treue Gebot.
Die Brüder am Rhein, die kein Feind mehr bedroht,
Nun soll sie der Himmel erhalten!«
Ein segnendes Amen, wir sprechen's darein:
Ja, schirme das Reich uns den Frieden!
Ihr Felder, ihr Hügel talab und talein,
Geschenkt uns zur Heimat hienieden,
Laßt reifen die Traube, laßt sprießen die Saat!
Der Geist auch, er regt sich in Wort und in Rat.
Zum Werden und Wachsen, zur keimenden Tat
Sei Frucht uns und Freude beschieden!
* * *