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René Schickele,

geboren 1883 in Oberehnheim.

*

Der Knabe im Garten

Ich will meine bloßen Hände aneinander legen
Und sie schwer versinken lassen,
Da es Abend wird, als wären sie Geliebte.
Maiglocken läuten in der Dämmerung
Und weiße Düfteschleier senken sich auf uns,
Die wir eng beieinander unsern Blumen lauschen.
Durch den letzten Glanz des Tages leuchten Tulpen,
Die Syringen quellen aus den Büschen,
Eine helle Rose schmilzt am Boden ...
Wir alle sind einander gut.
Draußen durch die blaue Nacht
Hören wir gedämpft die Stunden schlagen.

* * *

Erwartung im Garten

Hab' ich doch alles nun geküßt,
Die Blumen, die Gräser und
Den zitternden Sperling in meiner Hand,
Den Tau der sanften Kressen
Und selbst die Wolken am Himmel –
Kommst du noch immer nicht?

* * *

Lied

In ihrem Herzen hat
Für mich die Stunde schon geschlagen.
In ihren Augen hat
Man mich zu Grabe schon getragen.
Von ihrem Körper sind
Meine Umarmungen geglitten.
Die schwarzen Ritter sind
Im Licht über mein Grab geritten.

* * *

Sonnenuntergang

Ich stieg vom Keller
Bis unters Dach,
Immer heller
War das Gemach,
Die Stadt, sonst verdrossen,
Hob Kuppeln aus Gold,
Es glühten die Gossen
Wie Adern von Gold.

Die Felder brandeten,
Meer in Meer,
Vögel landeten,
Von Feuer schwer,
Auf Korallenwipfeln.
Schauer von Licht
Liefen ernsten Gipfeln
Übers Gesicht ...

Den Turm besteigend
Sah ich die Welt
Der Nacht sich neigend
Von Lust erhellt,
Mit einem Lächeln,
Das schimmernd stund,
Ein Flammenfächeln,
Um ihren Mund,
Wie Frauen der Wonnen,
Sie liegen enthüllt,
Noch lang versonnen
Gedenken erfüllt.

* * *

Pfingsten

Die Engel unserer Mütter
Sind auf die Straße gestiegen.
Das Raufherz der Väter
Stiller schlägt.
Feurige Zungen fliegen
Oder sind wie Kränze
Auf Stirnen gelegt.

Gehör und Gesicht kennen keine Grenze,
Wir sprechen mit Mensch und Tier.
Was unser Blick trifft, antwortet: »Wir.«
Die Kiesel am Weg sind schallende Lieder,
Jeder Pulsschlag kommt von weither wieder,
Blühendes strebt, von kleinen Flammen beschwingt.

Die Fische schaukeln den Himmel auf ihren Flossen
Und sind von blitzenden Horizonten umringt,
Sonne tanzt auf dem Rücken der Hunde.
Jedes ist nach Gottes Gesicht in Licht gegossen
Und weiß es in dieser einzigen Stunde
Und erkennt Bruder und Schwester und singt.

* * *

Erster August 1914

Kam eine rote Wolke gezogen,
Entstürzten ihr drohende Gestalten,
Wir riefen, um sie aufzuhalten,
Schon waren sie durch uns geflogen
Und hinterließen einen Brandgeruch,
Bestürzung ringsum wie nach einem Fluch,
      Und dann war Krieg.

Die Träume sind auf uns getreten,
Sie zeigen fletschende Zähne und winken,
Wir möchten in die Knie sinken,
Die Angst und Wut in Ruh' zu beten.
Die wachen Träume haben uns umringt,
Wir hören, noch fremd, die eigene Stimme, die singt
      Tod oder Sieg!

* * *

Bete

Bete, daß aus so viel Schlachten
Dir der Geliebte wiederkehr'
Und sein Herz dann immer bleibe
So stolz und klar wie seine Wehr.

Bete, daß die so Versunkenen
In dir und allen auferstehn,
Daß wir stets bei unsern Taten
Ihr ernstes Lächeln vor uns sehn.

Bete, daß die Kraft der Opfer,
So dargebracht, wie nie zuvor
Sich ein Volk noch hingegeben,
Ein ewig Licht sei an dem Tor

Deines Hauses und des Reiches,
Durch das Geschlechter Deutsche gehn.
Gleichwie Gottes möge ihr Atem
Auf unsern hellen Straßen wehn.

Bete, daß wir alle werden
Durch ihren Tod so stark wie frei,
Und am Ende, daß der Deutsche
Ein milder Herr der Erde sei.

* * *


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