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Wilhelm August Lamey,

geboren 1772 in Kehl von elsässischen Eltern, in Straßburg erzogen, lebte längere Zeit in Frankreich, 1861 in Straßburg gestorben. Lamey schloß sich der französischen Revolution begeistert an und verfaßte zum Gebrauch der »deutschsprechenden Gegend« für den Kultus der Vernunft »Dekadische Lieder für die Franken am Rhein«. In ihnen besang er die sämtlichen Abstraktionen des revolutionären Gedankenkreises. Nicht ohne unfreiwilligen Humor legte er diesen Gesängen die Weisen bekannter deutscher Volks- und Kirchenlieder zugrunde, wie denn das »Lied von der Republik« nach der Weise »Ein feste Burg ist unser Gott« gesungen werden sollte. In der nachfolgenden Auswahl ist die Ode »Vaterlandsliebe« den dekadischen Liedern entnommen.

*

Vaterlandsliebe

Nirgend scheint die Sonne so,
Wie im Vaterlande;
Nirgend wird mein Leben froh,
Als im Heimatstande.
Freude aus vergangner Zeit
Soll mich überschweben;
Wo das Kind sich hat erfreut,
Will der Alte leben.

Jedes Bäumlein ist mir lieb,
Jeder Winkel teuer,
Wo ich meine Spiele trieb
In der Jugendfeier.
Da mit jung und alt vertraut,
Will ich friedsam wohnen.
Tor, wer eine Hütte baut
Unter fremden Zonen!

Wenn der weit gereiste Greis
Späte Rast genießet,
Und sich auf dem Erdenkreis
Einen Sitz erkieset,
Lenkt er heim den Wanderstab
Zum verlaßnen Herde
Und verlangt zu seinem Grab
Vaterlandeserde.

Welk vom Harme wird der Mohr,
Über Meer versetzet,
Und ihm bleibet Aug' und Ohr
Stumpf und unergötzet.
Ach! er wünscht von hier sich fern,
Fern zur öden Wüste:
Denn ihm winkt der Heimatstern
Nach der heißen Küste.

Was erquickt den jungen Mann
Unter rauhem Zelte,
Daß er fröhlich dulden kann
Nässe, Hitz' und Kälte?
Wenn er schläft im Kriegsgefild,
Muß das Bild der Seinen,
Muß des Vaterlandes Bild
Ihm im Traum erscheinen.

Vaterlandesliebe, du
Hauchst entfernten Kindern
Trost im fremden Kerker zu,
Um ihr Leid zu lindern:
Einst zurück aus aller Not,
Werden sie erzählen,
Wie sich hält ein Patriot,
Wenn Tyrannen quälen.

Knüpfe unser Bruderband
Durch die schönsten Triebe,
Liebe zu dem Vaterland,
O allheil'ge Liebe!
Gib dem Starken Folgsamkeit,
Gib dem Schwachen Stärke,
Und verkünde weit und breit
Deine Wunderwerke.

Deine milde Flamm' erregt
Durst nach edlen Taten:
Wer sein Land im Herzen trägt,
Wird es nicht verraten.
Unserm Lande stehn wir bei,
Stehn zu Trutz und Wehre;
Guter Bürger Losung sei
Vaterlandesehre.

* * *

Alsatia Vaterland

Lange schwieg es, wie es schweigt in der Tiefe,
      Wenn vom Himmel graut schwüles Dunkel;
            Traurig und unbegrüßt
                  Irreten am Tannenwald der Helden Schatten:

»Wird es schweigen auf ewig?
      Land unsers Ruhms, bist du verachtet!
            Ist der Ursohn deiner unwert?
                  Versagt ihm die Harfe den Ton?

»Wo sind, die du geboren edel und groß!
      Von der Sohle schüttelnd der Heimat Staub
            Geloben sie dem fremden Herde
                  Dich zu vergessen, Alsatia, nicht mehr Vaterland.«

So trauerten die Geister und schwankten zurück.
      Ruf' sie hervor, mächtig und beschwörend
            In der Freiheit Gesang, die Versöhnten,
                  Alsatia, wieder Vaterland!

Hört ihr's kommen im Jubel,
      Mit Drommeten und Kriegsgeschrei?
            Erschüttert bebet der Grund unter Hufen der Rosse
                  Und vom Getümmel der Fußschar.

Mein Blick ist trunken, ich seh'
      Der Alsa Schilfkranz, neu geflochten
            Mit dreifarbiger Schleife, den Brautschmuck!
                  Dort Reihn der Gewaffneten und Chöre der Jungfraun.

Wie die Menge strömet!
      Wie vom Tal zu der Ehre der Festlärm widerhallt!
            Es schauert der Nachwuchs am Eichenrumpf,
                  Wo der Barde in die Saiten greift.

* * *

An Deutschland

Schneller schlägt es in mir, feuriger wallt mein Blut,
Heller wird mir der Blick, röter die Wange mir;
      Unter wagendem Griffe
            Bebt die schüchterne Laute dann:

Wenn mein staunender Geist ihn, den Gedanken faßt,
Daß ich einer des Bunds, des sich die Menschheit freut,
      Einer auch der Geweihten,
            Auch ein Freier, ein Franke bin!

Wehmut aber umschwemmt dunkel mein starrend Aug',
Und vom trüberen Blick träufelt es in den Strom,
      Wenn zum Ufer des Rheines
            Stillverloren mein Schritt mich führt. –

Noch vergaß nicht der Sohn gänzlich der Mutter; noch
Liebt der Franke dich auch, edles Germanien!
      Hört in freudiger Ehrfurcht
            Deiner hohen Gesänge Chor.

Deinen Hainen auch tönt Stimme der Freiheit noch;
Deine Barden beseelt heilige Wahrheit auch,
      Bald in spielende Scherze,
            Bald gekleidet in strengen Ernst.

Deine Sprache, sie fließt flüchtig in Blumen hin
Malet sanftes Gefühl, hebet der Tugend Reiz,
      Schmilzt in zärtliche Tränen
            Weicher Seelen Empfindung oft;

Aber stark und voll Kraft strafet sie Vorurteil,
Unterdrückung und Schmach, schützet das Menschenrecht,
      Und die Hohen des Landes
            Schreckt nicht selten ihr Donnerton.

Deine Lieder vernimmt auch der Alsatier!
Kein verächtlicher Stolz fernet sein Herz von dir.
      Ewig rühmt sich der Franke,
            Daß er Enkel Thuiskons ist.

* * *

Der deutsche Rhythmus

Ob Wieland scherzet, Matthison Gräber weiht,
Ob Voß die Hirten, Ramler die Helden singt,
      Der Sprache Wohllaut, rein im Liede,
            Fesselt den Geist mit des Ohrs Bezaubrung.

Auch Griechenzunge mocht' in Böotia
Den Mißton stottern; Töne wie Telos schuf,
      Erschufen Weimars edle Meister,
            Zöglinge nicht der verhallten Barden.

Wer spielt dem alten Thor und dem Forstgelag?
Von rauher Telyn Klängen was nicht erstarb,
      Verjüngend sammelt's euch Werandi,
            Milderer Kunst und der Sitten würdig.

Wo, deutscher Lyra strenger, Teona prüft
Des Schalls Bewegung und das gehaltne Maß,
      Da' hör ich unter euch, Germanen,
            Pythias Gang und die Schwäne Romas;

Ich höre Maro, Flaccus, und dich Pindar,
Und, alter Orpheus, dich, der allwundersam
      Die Felsen rührte und das Untier
            Zähmte am Styx mit dem Schlag der Laute.

Vielleicht, der Neuwelt Sänger und Werkmann lebt
Amphion wieder, spannend der Saiten Kraft,
      Durch die bewegt auf hochgeführte
            Lauben der Stein mit dem Stein herbeihüpft.

* * *

An Uhland

Mich umfängt dein Palast mit den hundert Pforten im Rundsaal:
Wie sich mir eine erschleußt, blick' ich ins magische Land.

* * *

Der ald' Strosburjer

Vor ebbe zwanzig Jore,
Un zwanzig noch derzue,
('s rächt Anno isch verlore),
Do bin ich us de Dore
Vun thaime Welschland zue;

Ha wunderfizi gsäne
D' schön Welt, im mein' Baris,
Ha d' Fischle vun-der Säne
Versuecht mit ire Gräne;
Fuul schmeckt ä mancher Biß.

Wer will, der het ze gaffe,
I root-em nurr Verstand.
Denn luije, for d' Schlaraffe
Gitts Meischder fyn im Schaffe,
Un Wywle, zue galant.

's wurd einer glatt geriwwe,
Mer drollt sich heim dernoh.
I wär schirr usgebliwwe,
Es het mi lang gedriwwe,
Jez bin i widder doh.

O Muederstadt voll Ehre!
Klausstade, liewi Britsch!
Lebt sie noch, Jumfer Scheere?
»Un Er, wo kummt-er häre?
Er kann jo nimm' guet dytsch.«

Wi' geets de hiesje Lydde?
Hebbt noch der Munschderböu?
Dert haww' i kheert vor Zydde
Der Sillwerglock ir Lydde
Un 's Gryselhorn, so röu!

's Herz bobbelt werzi stärker,
I sych myn aldes Huus;
Die hilsre Schnizelwerker
Verwiddre gar am Erker;
I steh dervor un pfuus.

Druff schlendr' i na de Stade,
Un suech-mer, jo was batts!
E Reschdel Kamerade.
D' sell Müederle-n-im Lade
Isch gsin myn erschder Schatz.

Di' Klassebuewe hucke
Im Sessel frumm und still:
Der, halwer daub, fangt Mukke;
Der heischt der Frau di' Krukke;
Mich sehn sie mit-der Brill'.

Mer saat-mer im Willkumme,
Wer ussem Grenzel fehlt:
Si sinn halt alli numme
In zelli Fremde kumme,
Wo's Heimweh keine quält.

* * *

Des Lebens Abend

Durch Gewölke, leuchtend vom Abendrote,
Gleitet mir das Leben hinab und schwindet
Ins Vergangne. Dämmert es nicht schon blässer
      Über dem Hügel?

Länger, tiefer wachsen am Berg die Schatten;
Teure Bilder lächeln heraus im Halbschein.
Winkst du, winkst du, mächtiges Tal? Ich komme
      Harret, Geliebte!

Vor mir dunkeln schon die gesenkten Pfade;
Schon berührt mein Ohr, wie der stille Wandrer
Ferne Laute höret, das Weltgeräusche
      Leiser und leiser.

* * *


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