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geboren 1808 in Straßburg als Sohn des Dichters Ehrenfried Stöber, studierte Theologie und war Lehrer in Mülhausen. Er starb 1884.
*
Die Gottesgeißel steht am Rhein,
Die Hunnenschar zieht hinterdrein,
's sind Donnerwolken vor dem Sturm.
»Wie heißt die Stadt mit Mau'r und Turm?«
»Die Silberstadt, Argentorat,
Argentorat, die Römerstadt!«
»Die soll mir werden ohn' Erlaß
Nach Gallien eine blut'ge Straß!«
Und wie ein Wetter stürmt das Heer
Brennend und mordend zur Stadt daher;
Schutt liegt auf Schutt, Blut rollt über Blut,
Blutig drauf glüht die Abendglut.
So haut sich Etzel ohn' Erlaß
Nach Gallien eine blut'ge Straß,
Und noch in Straßburgs Wappenbild
Flammt die Blutstraß rot im Silberschild.
* * *
Und wieder auf den hohen Zinnen
Steh' ich in heller Sternennacht,
Und schau' empor mit ernsten Sinnen
An des verklärten Turmes Pracht.
Da schwingt sich tief aus dem Geklüfte
Des Schwarzwalds ein Gebild hervor,
Und leuchtend rauscht es durch die Lüfte,
Gehüllt in trüber Wolke Flor.
Ein weiter Schleier deckt die Gassen
Mit dichter, schwarzer Hülle ein,
Als wollt' er nicht der Erde lassen
Des Himmels milden Silberschein.
Und nur das Licht in tiefer Ferne
Und nur den glanzumfloßnen Turm
Erblick' ich noch, und alle Sterne
Sie kreisen, wie bewegt vom Sturm.
Aus Sturm und Sternen donnert's nieder,
Es ist genaht, das Riesenbild;
Und wie vom Hall verklungner Lieder,
So tönt's im Turme bang und wild:
»Wenn einst der Geist, der dich gegründet,
Du Tempelhaus, du Heimathaus,
Aus dieses Landes Gauen schwindet,
Dann rege dich mit Sturmesgraus!
»Dann schüttle wild und immer wilder
Vom wolk'gen Knauf bis tief zum Grund
Herab die alten Heldenbilder!
Tu mahnend deine Schrecken kund.
»Laß steigen von den hohen Rossen
Die Reiter ab auf luft'ger Bahn,
Daß sie die mächtigen Genossen
Zum Streite führen frisch voran!
»Reiß ab der Krone Steingeblätter,
Lösch aus der Minnerosen Schein!
Die Heil'gen all, im Sturmeswetter,
Sie sollen schließen ihren Rhein!
»Sie sollen wandeln durch die Straßen
Und suchen alter Helden Gruft,
Die schlummern einsam und verlassen,
Viel Zeiten schon, in Berg und Kluft.
»Sie sollen wecken alte Weisen
Und alten deutschen Liederton,
Der muß in hohen Worten kreisen
Um den verlaßnen Tempelthron!
»Dann öffne seinen schwarzen Rachen
Tief, meerestief, ein weiter Schlund
Und schling' hinein mit Welttags Krachen
Die alte Zeit in ew'gen Grund!
»Und sonnenhelle drauf soll's tagen
Um den verlaßnen, öden Raum!
Kein Bild, kein Sängermund soll tragen
Zur neuen Zeit den alten Traum!«
– So hat's im Sturmesgraus gerufen;
Die Sterne glänzten wieder mild.
Im Silberlicht, auf hohen Stufen,
Stand manch verklärtes Heldenbild.
* * *
Am Tage stehst du still und wie verdrossen,
Die junge Welt dir um die Füße schwärmt.
Nur wenn vom Sternenlicht du ganz umflossen,
Verkündst du, was Jahrhunderte dich härmt.
Dann ist dein Scheitel wundersam umschimmert,
Dann stehst du, wie ein Seher, eingetaucht
In alter Zeiten Pracht, und so umflimmert,
Hast du dein Klaglied in die Luft gehaucht.
Dann wird's auch hell dort über deinem Rheine;
Im fernen Süden ist der Nacht entblüht
Das Freiburgmünster, das im Silberscheine
Dem einz'gen Freunde – dir, entgegenglüht.
Ihr haltet Zwiesprach dann, ihr tauscht die Klagen
Des Heimwehs um die längst vergangne Welt.
Propheten seid ihr, seht die Wunden schlagen
Und wisset, was das Heil gebunden hält.
* * *