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Ludwig Heinrich von Nicolay

(Dichter. Geboren in Straßburg 1737, gestorben in Finnland 1820)

*

Der Sprache, die an deiner Wieg' erklungen,
      Du bist ihr nicht wie manche untreu worden.
      Wie einst am Rhein hast du im fernen Norden
In Rußlands Eis dein deutsches Lied gesungen.

Gleich einer Lerche hat es sich erschwungen,
      Und aus der Mitte jener dunklen Horden
      Ist es in hellen, fröhlichen Akkorden
Zum fernen Rhein, zum Heimatland gedrungen.

Was würdest du wohl von den Enkeln sagen,
      Sähst du sie sich der Muttersprache schämen,
Der Sprache, die im Herzen du getragen?

Du sähst vom Münster wohl in tiefem Grämen,
      Gelehnet an den Stein, den altergrauen,
Wo Klopstock seinen Namen eingehauen.

* * *

An August Stöber

(Zum Geburtsfeste 1853)

Laß, Alter, mich an diesem schönen Tage
      Ein schlichtes Blümlein in den Kranz dir winden
      Und mich damit ein Liebeswort verbinden,
Frisch, frei und fromm, wie ich's im Herzen trage.

O möchtest du, gleichwie am Born der Sage,
      Im Leben auch manch Körnlein Goldes finden
      Und uns noch manches süße Lied verkünden,
Du Nachtigall mit deinem trauten Schlage.

Wer deutscher Zung' im Elsaß sich beflissen,
      Läßt seinen Gruß dir heut entgegeneilen
Und lobet laut dein Wirken und dein Wissen.

So sei's dein Stolz, wo du auch mögest weilen,
      Von allen Bessern dich geliebt zu wissen.
Der Treusten einer weiht dir diese Zeilen!

* * *

Die Geisterheere

(Elsässische Sage, 1838)

Im Jungenberg tief innen, da halten in Nacht und Graus,
Vom Zauberschlaf gebunden, zwei feindliche Heere haus.
Das eine weiß an Farbe, das andre in rotem Kleid,
Und beide hoch und stämmig, wie Riesen alter Zeit.

Sie schlafen tief und stille, doch wenn's im Lande gärt,
Wenn's Krieg und Aufruhr brütet, da greifen sie zum Schwert;
Da holen sie die Schilde, die Speere rasch herbei
Und reiten ins Gefilde, mit hellem Kriegsgeschrei.

Und auf dem Nordfeld drüben, da ordnet sich der Graus,
Sie ragen über die Bäume des Hartwalds hoch hinaus,
Den Roten stehn gegenüber der weißen Ritter Reihn!
Das Banner rauscht im Winde, die Hörner schmettern drein.

Jetzt schwenken sich die Flanken, der wilde Schlachtruf klingt,
Und in die roten Scharen der weiße Heerzug dringt.
Hei, welch ein Haun, welch Schlachten! wie sprühn die Blicke Glut!
Das Nordfeld wird getränket von manches Ritters Blut.

Der Sieg gehört den Weißen. In ungestümer Flucht
Das überwundne Kriegsvolk im Berge Rettung sucht;
Und diesen nach die andern, und wieder sinkt herab
Der Schlaf auf ihre Augen: 's ist stille wie im Grab.

– Sie schliefen schon seit Jahren, doch jüngst, an schwülem Tag,
Als auf des Nordfelds Auen ein Wandrer sinnend lag,
Da deucht' es ihn, als hör' er im Berge tief und bang
Ein wildes Schwerterwetzen und dumpfen Schlachtgesang.

* * *


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