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(Pseudonym: Louis Lavater),
geboren in Straßburg 1800, studierte die Rechte, war lange Zeit in Frankreich und Italien als Jurist tätig, kehrte aber später in die Heimat zurück. Er starb 1879 in Straßburg. Spach litt unter der Zwitterstellung, die die gewaltsame Französisierung des Elsaß im neunzehnten Jahrhundert seinen Bewohnern aufzwang. In der 1839 in Paris geschriebenen Vorrede seiner »Gedichte von Ludwig Lavater« sagte er hierüber: »Es ist in jeder Lebenslage eine schwierige Aufgabe doppelten Pflichtansprüchen Genüge zu tun; unauflöslich aber wird ein solches Problem, wenn es sich um geistige Tendenzen handelt, die ihrer Natur nach schwer zu vermitteln sind. Der Sänger nachstehender Jugendelegien und Reiselieder nährte in seiner Brust lange und gleichzeitig eine Zwillingsliebe für die gallische und die deutsche Muse, und lernte allzuspät einsehen, daß es sich mit solcher idealen Huldigung wie mit der irdischen Brautwerbung verhalte, welche letztere auch ein einziges Ziel unverrückt verfolgen muß, wenn sie der Erfüllung ihrer Wünsche teilhaftig werden will. Möge ihm nun das Eingeständnis seiner Schuld und die Berücksichtigung seiner anormalen Lage verhelfen zu einiger Nachsicht!« Dieser Zwiespalt kommt in den Gedichten Spachs ununterbrochen zum Ausdruck, wie auch aus der nachstehenden kurzen Auswahl hervorgeht.
*
Auf dem Wasser Waldhorntöne,
Wie die sanften Wellen fließend,
An dem Ufer manche Schöne,
Ihren Liebling traulich grüßend,
An dem Himmel tausend Sterne,
Ja so hab' ich Sommernächte gerne.
Laue Wärme durch die Lüfte,
Kühlung nach den Sommertagen,
Und der Blüten Balsamdüfte,
Und ein Nachtigallenschlagen,
Lebenswonne nah und ferne,
Luft und Sang und Balsam hab' ich gerne.
Ruh' am Himmel und hienieden,
Rings des Schlummers mag'sche Hülle;
Alles aufgelöst in Frieden,
Eine feierliche Stille!
Wenn ich Ruh' und Frieden lerne,
Ja so hab' ich Sommernächte gerne.
* * *
Ihren Bürgernamen hatt' ich rein vergessen!
Aber ach! wie lieb' ich sie unendlich!
Und nach langer Trennung kam ich wieder,
Fragte nach bei ihrer stillen Wohnung.
Aber Tür und Fenster war geschlossen.
Eine Nachbarin, mit barscher Miene,
Gab unwillig mir die dunkle Auskunft:
Gestern ist die Dame fortgezogen,
Hat die Hauptstadt für das Land verlassen,
Wohnt, so mein' ich, in dem nahen Dorfe.
Ihren Namen wußt' ich nicht zu sagen,
Als ich in das städt'sche Dorf gekommen;
Und so ging ich denn von Tür zu Türe,
In den Straßen, die sich um die Kirche
Vielfach kreuzten: »Ist nicht eine Dame
Mit gelocktem Haar und weißem Schleier
Und mit schwarzen Augen eingezogen?«
Und die Spötter lächelten und sprachen:
»Damen gibt es viel mit weißem Schleier,
Schwarzem Aug' und Lockenhaaren; aber,
Aber hier ist keine eingezogen.«
Fragend ging ich fort von Tür zu Türe,
Wie ein Häscher, der sich vor den Leuten
Scheuet, wenn er Staatsverräter suchet.
Glutrot brannte mir auf Stirn und Wange
Scham und Unmut; stotterte verlegen ...
»Dieser ist fürwahr auf bösen Wegen!«
Mußten alle meinen, die mich sahen.
Ihren Namen wußt' ich nicht zu sagen;
Aber ach! wie lieb' ich sie unendlich!
Konnte drum der Leute Spott ertragen,
Was noch bittrer als ein echtes Unheil;
Bei mir selber fing ich an zu klagen:
»Andre träumen, welche Lottonummer
Fallen wird aus trügerischem Glücksrad;
Hülfe mir ein Traum aus meinem Kummer,
Ihres Hauses Glückszahl mir bedeutend!
Wahrlich besser wohnten wir in Wäldern,
Besser fänden wir uns auf den Feldern,
Als im Steinhauf, wo nach Bürgernamen,
Nach der dürren Nummer eines Hauses
Man die Menschen kennt und findet.« – Schimpfend
War ich einem Fenster nah gekommen,
Wo der Flieder blühend niederwinkte.
Wo die Blume, ist die Namenlose!
Und ein Schleier weht', ein Auge blinkte!
Und sie nahm mich auf in ihrem Schoße!
Konnt' ich da nach ihrem Namen fragen? –
* * *
Und ist's in deinem Rat beschlossen,
So rufe, Herr, dein Kind zurück.
Die Tränen, die es hier vergossen,
Sie sind der Weltlust lang geflossen;
Es richtet spät hinauf den Blick.
Wirst du den Sünder nicht verschmähen,
Der reuig zu dir wiederkehrt,
Und mit inbrünstig heißem Flehen,
In deines Himmels heitern Höhen,
Um eine Zukunft dich beschwört.
Wird deine Vaterhuld vergeben,
Daß er das Beßre längst erkannt,
Allein zu schwach für höh'res Leben,
Sich an der Erde töricht Weben,
An ihre kurzen Freuden band?
* * *
Durch den Regen hinaus, in die finstere Nacht
Und immer voran, und an nichts gedacht,
Als an den raschelnden Tropfen im Laub
Und an den hochaufwirbelnden Staub,
Und immer weiter durch Lindenalleen,
Die riesenhaft, hier im Dunkeln stehn;
Und winkt wo ein Licht im Bauernhaus,
Ich klopfe nicht an, und weiter hinaus,
Wo der Rhein am hohen Wehre sich bricht,
Er brauset an, doch erstürmet es nicht.
Und ich lausche dem Wasser und ich hör' es nahn,
Dumpf wie die Welle im Ozean,
Und von dem hohen Damme herab
Verliert sich der Blick in dem wogenden Grab,
Im Wirbel, der toset, im Schaume, der stäubt,
Und es flüstert die Lippe, vom Schwall übertäubt:
»Euch Wogen des Lebens, euch trotzet die Brust.
Sie spottet des Andrangs, der Kampf wird Lust,
Und wo den Schwachen gerinnet das Mark,
Dem Damme gleich fühlt sich der Kühne stark.«
Noch endet nicht den Kreislauf das Jahr.
Ich kehre zum Strome nicht der ich war:
Zerrissen ein zart gebundenes Band,
Zerstört ein Asyl in dem fremden Land,
Doch als mich der Schmerz der Trennung ergriff,
Wie ein wogenzerschlagenes, leckes Schiff;
Als schon die Brust in den Wassern verschwand,
Da kehrte Besinnung, da rief ich nach Land,
Und ruderte mutig und wehrte mich kühn
Und seh' jetzt vom Damm herab Fluten ziehn.
* * *
Was dämmert dort aus der Ferne herauf?
Es ist der heimatliche Münster.
Beflügelt, o Pferde, den eilenden Lauf;
Schon wird des Domes Krone finster.
Ihr Pferde, könnt ihr nicht schneller ziehn?
Es treibt mich zum lieben Münster hin.
Wie tanzen im magischen Abendduft
Die Wolken leicht um seinen Gipfel!
Wie flüstert die sinnige Herbstesluft
Durch dieser nahen Bäume Wipfel!
Sie scheinet zu lispeln: O geh hinein,
Es warten die Freunde, die Lieben, dein.
Die fernen Wälle, sie tauchen empor,
Aus Spätjahrs-Nebeln geisterähnlich.
Es zieht mich durch ihren umgürtenden Flor
Zur innern Heimat heiß und sehnlich.
Es breiten die Mauern die Arme aus
Und rufen mich heimlich ins Vaterhaus.
Den Bergen noch ein Abschiedsblick!
Sie schwinden zart, sie schwinden bläulich,
Sie reichten mir glühendes Sommerglück!
Ihr herbstlich Kleid schien mir so traulich.
Jetzt weht's aus den Wolken: der Winter naht,
Geh hin, wo ein wärmender Arm dich umfaht.
Der Wagen rollet durchs knarrende Tor.
Wie wimmelt rechts und links die Menge!
Auch guckt manch liebes Gesichtchen hervor –
Frisch auf, frisch auf durchs Volksgedränge.
Guten Abend! guten Abend! und Gruß auf Gruß! ...
Seid mir willkommen! ... und Kuß auf Kuß.
* * *
Edward, als ich in die Heimat
Aus der Ferne wiederkam,
Und mich mancher werte Landsmann
In die Bruderarme nahm;
Edward, als von Zaberns Hügel
Sich der Weg ins Elsaß wand,
Rief ich stolz und frohbegeistert:
Sei willkommen, Vaterland!
Aus dem grünen Fichtenwalde
Weht ein aromat'scher Duft,
Und ich rief, den Balsam saugend:
Das ist vaterländ'sche Luft!
Hört' im Tannenhain, wie Sturmwind
Durch die Wipfel braust und schafft;
Und ich rief, den Busen dehnend:
Das ist vaterländ'sche Kraft!
Als ich an die heim'sche Schwelle
Zu dem Vaterhause flog,
Und die wohlbekannte Klinke
Freudezitternd hastig zog,
Endlich sich die Pforte öffnet',
Stammelt' ich im Vollgenuß:
Reiner als die Luft im Bergwald
Ist der elterliche Kuß.
Tadle nicht, wenn doch die Sehnsucht
In der Ferne rückwärts irrt.
Wo er einmal Zelte aufschlug,
Weidet gern der Steppenhirt.
Vögel, die bald süd- bald nordwärts
Mit der Sonne Strahlen ziehn,
Lieben stets den alten Wohnort,
Den sie nur gezwungen fliehn.
Wo der Mensch sich siedelt, knüpft er
Neue Liebesfäden an;
Spürt nach Quellen, ebnet freundlich
Um die Wohnung eine Bahn.
Keinen Ort kann er verlassen,
Wo nicht manche Kette bricht;
Wendet drum mein Blick sich rückwärts,
Lieber Edward, tadle nicht.
* * *
Ins einsame Posthaus bin ich gebannt,
Und zöge doch gern ins entferntere Land.
Gefangen erwart' ich erlösende Pferde
Und wärme mich murrend am nächtlichen Herde.
Doch schelmisch ermahnen des Mädchens Blicke
Den launischen Fremden, nicht weiter zu eilen.
Sie lauschet dem Sturme, berechnet die Meilen
Und scheinet zu lispeln: O bleibe zurücke!
Es knallet die Geißel, es schmettert das Horn,
Und Flüche verkünden des Führers Zorn.
Vorüber schwanket in stürmischem Jagen
Der schwerbeladene, knarrende Wagen.
Und ob ich dem Schwager auch rufe und nicke,
Er will die klagenden Worte nicht hören,
Er läßt sich im sausenden Trotte nicht stören
Und rufet mir spöttisch: Geh, bleibe zurücke!
Es schweigen die Winde, der Himmel wird klar:
Die Nachtigall schlaget so wunderbar,
Es duften die frischgeöffneten Rosen
Und magisch umweht mich der Liebe Kosen.
Und alles ladet mich hier zum Glücke,
Des Frühlings Töne und Düfte und Sterne!
Warum nur immer ein Streben ins Ferne?
Oh, rief es mir öfters: Geh, bleibe zurücke!
Oh, rief es mir immer: Die Welt ist groß,
Doch liegt in der Nähe das bessere Los.
Am reinsten sind Quellen der Vaterlandswälder,
Am nährendsten Früchte der Heimatfelder.
Was stürmest du über die Trennungsbrücke!
An unserm Gestad ist die Liebe wärmer;
Bald fühlst du dich drüben verlaßner und ärmer,
Und weh, wenn du seufzest: Ich kann nicht zurücke!
* * *
Der Wagen stöhnt den Berg hinauf;
Es hemmt das Roß den wilden Lauf;
Und von dem Polstersitze steigt
Der Reisende, und sieht sich um.
Der länderkundige vergleicht,
Und findet hier Elysium;
Und denkt am Ziel der Wallfahrt gern
An euch, ihr Hügel von Savern!
Im Wagen bleib' ich still zurück
Und nehme keinen Abschiedsblick
Von Alsas heimatlicher Flur,
Von Schloß und Hain, von Berg und Tal;
Mein wunder Busen fände nur
Erinnerung mit ihrer Qual.
Ich denke nah, ich denke fern
An euch, ihr Hügel von Savern.
Verhüllt euch, Blicke, suchet nicht
Im Herbsteswald der Sonne Licht.
So glänzend lag der goldne Hain,
Als dir die Liebe näher stand,
Mild, wie der sanfte Abendschein,
Und blühend wie mein Vaterland.
Erloschen ist der Liebe Stern
Für mich am Hügel von Savern.
Dort wo der Fluß durch Ebnen rollt,
Da schimmert's noch im Abendgold!
Dort war für mich ein gastlich Haus!
Es war! o denkt sie noch an ihn?
Starrt jetzt vielleicht ins Feld hinaus,
Und sieht den Ausgestoßnen fliehn!
Er folget einem fremden Herrn.
Lebt wohl, ihr Hügel von Savern.
* * *
Ihr nehmet ihn wieder auf, den Heimatlosen,
Er setzet sich an eurem Herde hin
Und labet sich am Duft der Rosen,
Die üppig hier vor eurem Fenster blühn;
Und labet sich noch mehr am milden Worte,
Das balsamgleich von Freundeslippen quillt ...
Oh, daß ihr wüßtet, wie sein Busen überschwillt,
Wenn er der gastlich offnen Pforte,
Den wohlbekannten Pappelbäumen naht,
Wenn er sie reifen sieht, die goldne Saat,
Die rings um eure Gärten schwankend
Den Schnitter ruft; wenn eure Rebe rankend
Auf hohem Baum, sich über Wandrers Haupt
Zum grünen Dache wölbt, wenn dicht belaubt
Die frischen Wäldchen ihn umfangen,
Wo kühle Luft herweht auf heiße Wangen
Und der Erinnerung den Stachel raubt.
Erst gestern war's; ich ging am nahen Weiher,
Den Tann' und Buche kränzt, im Abendschatten hin:
Ich sah das Schwanenpaar wie weiße Segel ziehn,
Und friedlich ward's in mir, und furchenfreier
Die müde Stirn – ich glaubte wie der Schwan
Auf glatter Fläche ruhig hinzuschweben;
Und rosig dehnte sich das jugendliche Leben
Vor meinem Blick – ich wähnte, meine Bahn
Sei hier gezeichnet, still, von Städten fern,
Fern von der Welt, dem wüsten Ozean;
Und neben mir gleich einem milden Stern
Sah mich ein Wesen huldreich liebend an;
Und immer träumend, ging ich fort und teilte
Des Tages Stunden ein; bald in dem Meierhaus
Sah ich der Arbeit nach und weilte
Auf reichen Wiesen stundenlang; bald eilte
Ich in den Wald zur wilden Jagd hinaus;
Bald auf dem breiten Wasserspiegel
Des Rheines schaukelt' ich, im Nachen eng und klein,
Und öffnete der Segel weiße Flügel
Und sähe stumm und tief in's Himmels Blau hinein.
Oft vom Balkon herab durchspäht' ich Berg und Hügel,
Die fest am Horizont, ein Bild der Treue, stehn,
Ob auch, entfesselt, ohne Zügel,
Die Stürme rauh und wild durch ihre Tannen wehn;
Und scheuchte mich ein Regenschauer
Ins stille Haus, zum warmen Herd, –
Begänn' ein traut Gespräch, wohl Sonn' und Sterne wert;
Und oft umfinge mich der Wehmut süße Trauer,
Das Wonnebeben, wenn in Freundesmitte
Der Geist sich aufschwingt über ird'sche Zeit
Und still, wie unsichtbare Geisterschritte,
Ein Anwehn dich ergreift von Gott und Ewigkeit ...
Es ist ein Traum! Der Schwan im nahen Teiche
Verläßt nie seine Flut; es wurzelt fest die Eiche
Im nahen Wald, es wogt das goldne Korn
Mit jedem Sonnenjahr auf wohlbekannter Stelle;
Im alten Bette strömt des Rheines Welle,
Nur mich ergriff der Himmel wie im Zorn
Und sprach: Geh hin, wo fremde Töne schallen,
Geh hin, wo Tausende an Tausenden vorbei
Mit starrem Blick und kalt vorüber wallen,
Wo herrscht der Unbestand, verhöhnet wird die Treu';
Geh hin und knüpfest du auf fremdem Boden
Mit liebeheißer Brust ein neues Band,
Zerrissen fühlst du's bald durch kalte Eisenhand;
Vereinzelt sollst du gehn ins finstre Reich der Toten.
– Warum? – Ich frage nicht und beuge still das Haupt
Und ziehe hin, wie mich die Winde tragen;
Beglückt, wird mir das eine nicht geraubt,
Wird mir nach langem Irren, langem Jagen
Nur einen Abend lang ein Zelt hier aufgeschlagen.
* * *