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Karl Bernhard,

geboren 1815 in Straßburg, diente im französischen Heere bei den afrikanischen Jägern, mit denen er mehrere Feldzüge mitmachte. Hierauf war er in Straßburg als Schriftsetzer tätig und starb 1864 in seiner Heimatstadt. Vom September 1860 bis Januar 1862 gab er das Witzblatt »Der Hans im Schnokeloch« heraus. In der Einleitung zu seinen 1860 erschienenen »Gedichten eines Straßburgers«, die aus der Feder seines Freundes L. Führer stammt, finden sich folgende politisch bemerkenswerten Darlegungen:

»Du hast ohne Zweifel den Vertrag vom 3. Oktober 1681 nicht gelesen, und ich auch nicht, und dies ist wirklich eine unverantwortliche Nachlässigkeit von Leuten, die jenem merkwürdigen Schriftstück allein die Ehre verdanken, in französischem Staatsverbande zu stehen, und dem weiter die Stadt Straßburg die Ehre verdankt, aus einem alten, freien, ungepflasterten, selbständigen Neste, ohne Theater, Gaslaternen und Kasernen, eine französische Stadt und Feste geworden zu sein, mit mächtigen Bollwerken, Stirnwerken und Hornwerken, mit Böllern, Kartaunen und Feldschlangen. Als Franzose hast du das Recht, überall mitzustimmen und mitzubellen, und wenn du auch nicht überall mitbeißen darfst, so hast du doch Jahre lang das Glück gehabt, als solcher an ein zweischneidig Schwert geknüpft, hinter allerlei Sidi, Aulad und Beni herzujagen, und hättest du einmal Einen gefangen, so würde dir kein Mensch den Versuch ihn deutsch zu lehren verübelt haben. Wie könntest du es den Franzosen verargen, wenn sie suchen, sich im Elsasse in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit zu zeigen, und namentlich ohne Dolmetscher mit den Eingeborenen zu reden. Du darfst dich daher nicht wundern, daß man viel tut, um die barbarische deutsche Sprache aus dem Elsasse zu verbannen, daß es verboten ist, sie in öffentlichen Akten zu gebrauchen, und daß die Schulkinder auf französisch rechnen lernen müssen. So wird nach und nach das Elsaß romanisiert, das Deutsche wird aus der Schule, aus der Kirche und aus dem geselligen Umgange verschwinden, wird zum rohen Volksdialekte herabsinken, gut zu reden für Kärrner und Waschweiber, und an seine Stätte wird ein französisch sein sollendes Kauderwelsch treten, ähnlich dem der Arverner und Sequaner, der Allobrogen und Pfannenflicker, und das wird ein großes Glück für uns sein. Allerdings wirst du einwenden, es sei durch wohlgemeinte Gesetze verboten, ein Kind seiner Familie zu entfremden und es in eine andere einzuführen. Aber dies Verbot kann keineswegs auf Provinzen angewendet werden, die von ihrem Volke gewaltsam abgerissen und einem fremden einverleibt werden. Wäre dies verboten, so hätten alle großen und alle gewaltigen Eroberer von Sesostris und Alexander bis auf den heutigen Tag schrecklich Unrecht getan, und alle Kongreßhelden die Diplomatenköpfe verkehrt aufsitzen gehabt. Kein Land würde seine Grenzen behalten, sogar der Kaiser von China und der große König Moselekatze, welcher ist ein Alleinherrscher aller Kaffern, ein König von Beschuana, und ein Herzog der Amazula, müßten herausgeben. Es ist darum viel besser, jeder eroberte Stamm lerne die Sprache des Eroberers; der Polack russisch, der Venezianer österreichisch, der Bulgar und Grieche türkisch, und sowie sie es können, wird urplötzlich alles zufrieden sein, kein Krieg und keine Fehde wird jemals mehr die allgemeine Zufriedenheit stören, und die Stämme der gezogenen Kanonen und Spitzkugeln werden an der Schwindsucht aussterben. Dann wird niemand mehr mit Verachtung auf seinen Nebenmenschen schauen und singen:

»Ein Knödel sieht den andern an,
Wie er nur so sieden kann.«

Sollten hie oder da einzelne Starrköpfe sich dem Plane widersetzen wollen, so könnte man auf diese eine andere Methode anwenden, welche sich als sehr schätzbar bewiesen hat, um den fremdklingenden Ton in eroberten Provinzen zu vertilgen. Dies geschieht, wenn man die Einwohner bittet, sich zurückzuziehen, wie man die Bären und Elentiere gebeten hat, sich aus Westeuropa zurückzuziehen; auf die Art, wie sich die heidnischen Pequods und Massachusets vor dem Christentum, der Zivilisation, dem Schießgewehr, den Bluthunden und dem Schnaps zurückgezogen haben. Aber diese Art kann bei uns nicht in Anwendung gebracht werden, denn wir sind viel zu weichmütiger Natur dazu. Wir schießen einander wohl noch zur Gelegenheit tot, und köpfen und hängen die Halsstarrigen, aber wir haben auch Missionen bei den Karakalpaken und allen Tschuwaschen haben wir höhere Sittlichkeit vorgepredigt ... Ich bin etwas vom Elsaßdeutschen und von deinen Gedichten abgekommen, glaube dir aber genug darüber gesagt zu haben, um dir begreiflich zu machen, daß eigentlich deine Pflicht als Mensch und Bürger gewesen wäre, deine deutschen Gedichte übersetzen zu lassen durch irgendeinen Bituriger, der noch nicht über etwas Inspektor ist, denn dem erhabenen Geiste ziemt es der Zukunft in die Hände zu arbeiten, und für das Elsaß sind die deutschen Zeiten um, und im Westen ist uns die französische Morgenröte aufgegangen.«

*

Aus einer Prosaskizze:
»Ausflug in den Schwarzwald« von Karl Bernhard (1859):

»Von Altkirch bis über Zabern hinaus einerseits, von Lörrach bis nach Heidelberg anderseits, bieten sich dem Ruhebedürftigen zahlreiche, anmutige Stellen, wo man für einige Zeit seine Hütte bauen kann. Dermalige politische Trennungen ziehe ich bei meiner Wahl keineswegs in Betracht. Wer übrigens an den ursprünglichen Bruderverhältnissen beider Ufer des Rheins zweifeln möchte, der nehme nur die Karte zur Hand; er wird von oben bis unten dies- und jenseits, z. B., nicht nur ähnliche, sondern sogar gleiche Ortschaftsnamen finden wie Groß-Kembs, Klein-Kembs, Klein-Landau, Landau, Seebach, Neu-Breisach, Alt-Breisach, Sulzmatt, Sulzbach, Sulzfeld usw. usw.; dann die unzähligen -heim, -bach, -ach, -au, -wyl, -wihr, -weyer, -weiler usf. Dasselbe läßt sich überhaupt von den Idiomen des obern Rheintals sagen, deren Ähnlichkeit auf beiden Ufern wohl niemand bestreiten wird. Auch die Namen unserer lieben Elsässer haben ja bis jetzt noch einen ziemlich deutschen Klang ... Einer der Pfarrverweser besonders machte sich ein Vergnügen daraus, Frankreich und namentlich dessen Kaiser in meiner Gegenwart, vielleicht absichtlich, arg mitzunehmen. Da ich mich nun nicht befugt glaubte, weder den Kaiser der Franzosen noch dessen Politik zu verteidigen, und ich mich aus triftigen Gründen seit bereits mehr als acht Jahren von jedweder politischen Kundgebung ferne hielt, ließ ich den Gottesmann ziemlich lange gewähren, bis mir endlich, nach zu oft wiederholtem, einseitigem Gefasel der Faden der Geduld zerriß und ich den Geistlichen frug, ob er als deutscher Bürger diese bittere Sprache führte? In diesem Falle hätte er unrecht, da er als deutscher Bürger dem französischen Kaiser volle Gerechtigkeit widerfahren lassen sollte für dessen Bestreben, dem italienischen Volke ein einziges Vaterland zu erkämpfen und es fremdem und ultramontanem Joch zu entreißen. Er sollte ja vielmehr wünschen, daß dies dem dritten Napoleon gelingen möge, weil auch dies vielleicht einst zur Bildung eines einigen deutschen Vaterlandes beitragen könnte, statt daß dieses in so viele Fürstentümer zersplitterte Reich jetzt oft genug eine hinter seiner ursprünglichen politischen Berufung zurückbleibende Rolle spielen muß.«

* * *

Abschied von meinem Pferde

Einmal noch! zum letzten Male
Will ich meinen Kaddur schauen,
Meinen treuen Hengst, den grauen,
In des Abends letztem Strahle.

Bei den Brüdern deiner Wüste
Stehst du da, mein schlanker Berber,
Ja, du machst mein Scheiden herber
Von der längstbetretnen Küste!

Gleich der flüchtigen Gazelle,
Leichten Sprunges, ohne Schrecken,
Trugst mich über Fels und Hecken,
Durch die heiße Sandeswelle.

Wie dein Falkenauge glühet!
Wie sich sträubt die schwarze Mähne!
Wie sie knattern, deine Zähne!
Wie vom Huf der Funke sprühet!

Hast an mancher Todesstunde
Lebend mich vorbeigetragen,
Wenn oft teure Freunde lagen
Blutend an der letzten Wunde.

Schauten wechselnd tausend Bilder,
Jetzt der Täler Dunstphantome,
Tranken dann am Bergesstrome,
Stürmten drauf zur Ferne wilder.

Glücklich aus dem Mordgewühle
Bring auch künft'gen Reiter immer,
Und du selber sinke nimmer
Auf der Walstatt hartem Pfühle.

Laß im herzlichen Ergusse
Streicheln diese krause Mähne,
Komm, dem Aug' entquillt die Träne,
Komm zum letzten Abschiedskusse.

* * *

Wahr' dein jugendlich Gemüt!

An meinen Karl

Wenn dein dunkles Auge oft
Durch die lange Wimper glüht,
Und dein heitres Antlitz mir
Liebevoll entgegenblüht;
Wenn dein unschuldsvoller Sinn
Kindlich mir oft Fragen stellt:
O dann pocht das Vaterherz,
Das voll Lust und Hoffnung schwellt!

Wenn vielleicht in deinem Lenz
Rosenvoll das Leben rankt,
Wenn dein jugendlicher Trieb
Vor der Dornen Unzahl schwankt;
Wenn einst Wolken, düster, grau,
Tief umhüllen deinen Blick:
Kind, o rette dein Gemüt!
Und du trotzest dem Geschick.

Wenn dereinst ein beßres Los
Beut dir Glück und Freuden dar:
Denk an deiner Brüder Weh,
Die von aller Habe bar.
Flieh der Selbstsucht gelben Neid
Und des Hochmuts Flitterpracht:
Stets bewahr' dein rein Gemüt,
Das, dein Schutzgeist, dich bewacht.

Flieh der Ruhmsucht blinden Wahn,
Falscher Ehre fahlen Schein;
Nur das Edle sei dir wahr,
Nur das Wahre sei dir rein.
Und mit klarem, heiterm Blick
Schaust du durch die wirre Nacht:
Wahr' dein jugendlich Gemüt,
Das dir Seelenruh' gebracht.

Zukunft prüf' in weiter Fern',
Das Vergangne ernst durchschau;
Mutvoll sei dein Wirken stets!
Doch behutsam schau und trau!
Nur im Schoße der Natur
Findest du der Wahrheit Saat:
Alltagswelt geht drüber hin,
Leer, gemütlos, früh und spat!

* * *

Unser Muedersprôch

»Und daß ich es mit kurzen Worten sag: es ist in dem ganzen teutschen Land keine Gelegenheit, die diesem Elsaß möcht verglichen werden ... Aus Schwaben, Bayern, Burgund und Lothringen lauffen sie darein, und kommen selten wieder darauß.«

(Seb. Münster, Cosmogr.)

      Wer seine Muttersprach
      Setzt einer fremden nach,
      Über den kommt die Rach
      Und fremd Ungemach.
Daß er sein Gut einem fremden Land muß geben,
Aus dem er sonst frey als ein Herr könnt leben.

(H. M. Moscherosch, Straßburg, 1656)

O Muedersprôch, dich mueß i bsinge!
Dir gilt mîn Gsang vor alle Dinge:
      Well Sprôch, wie du, geht zuem Gemüet?
De bisch so gschlâcht, wenn uffem Gehre
D' Mamme-n-ihr Kind duet babble lehre,
      Singt-em zuem Schlôf e hiesi's Lied.

Wenn's Jümferle hinterm Umhängel
– E Rättel nett, e herzjer Engel, –
      Gîckelt verliebt uff Eine 'râ.
Die Wort, wo's in sich nîn duet saûe,
Wie Sîffzer dief durch's Herzel schlaûe:
      E liewi Sprôch, ei, werzinâ!

Un d' Muedersprôch, die isch auf kräfti,
Die wo sie redde, flink un geschäfti,
      Henn sitze's Herz am rechten Fleck,
Henn d' Zorn um d' Müllnheim sich am Kraûe,
Duen Burckart-Twinger sie verjaûe,
      Un füehre's Reijement ganz keck.

Frei vun der Brust reddt mer im Ländel,
»Drum hewwe mer's so fest am Bändel,«
      Wer kennt de Sturm vun Sturmeck nitt?
Un d'no der Fischart, Brandt, der Klewer,
Der Pfeffel, Arnold und der Stöwer,
      Henn ditsch gereddt ze jeder Zîtt.

Mer saat es Sûrkrûtköpf do hüwwe,
Franzose üww'rem Bächel drüwwe:
      Elsässer sinn mer schlecht und recht!
Was guet isch links, was rechts gemüedli,
Findt mer bî uns, mer nemme's güetli
      Von alle-n-an – un lôn ne's schlecht.

Ja, Muedersprôch, furt sollsch lewe
So lang als Saft in unsre Rewe,
      's Bluet heiß durch unsri Odre rollt.
Was leijt es dran, wenn Andri spotte;
Mer zucke d' Achsle – schôfli Krotte!
      Ihr spîtze – der Elsässer schmollt.

* * *

Auf dem Münster

Schönes, Herrliches zu schauen
Stieg ich auf den Münster hier,
Und da faßt mich heil'ges Grauen
In des Baues Pracht und Zier.

Klimm hinan die Pyramide,
Klimm hinan bis zu dem Knauf:
Leise grüßt dich ew'ger Friede,
Stürmet auch der Zeiten Lauf.

Ein Titanenfinger mahnend
Deutest, Dom, du himmelwärts;
Durch die Wolken fragend, ahnend,
Hoffend dringt des Menschen Herz.

Ein geheimnisvolles Tönen
Wandelt durch die Lüfte mild,
Und wie banges, leises Stöhnen
Steigt aus jedem Steingebild.

Horch! Es wogt in hehren Klängen
Jetzt der Glocken heil'ges Spiel,
Orgelspiel zu Chorgesängen,
Wunder schön und Wunder viel.

Erwin, Erwin, großer Meister,
Lebst wohl in der Sternenwelt?
Send' mir einen jener Geister,
Thronend im azurnen Feld.

Ich beschwör' ihn auf die Zinnen
Deines Domes weltbekannt,
Daß er mir – o sel'ges Sinnen! –
Schenkt ein eignes Vaterland.

Jetzt erst blick' ich froh zur Fläche,
Nach den muntern Fluren hin,
Wo sich Dörfer, Wälder, Bäche
Durch die liebe Heimat ziehn.

Männelstein, o laß dich grüßen
Mit den waldumgrenzten Höhn;
Welche Pracht zu deinen Füßen,
Reben, Felder, Wiesen schön.

Wie dort drüben hold erglühet
In dem Morgensonnenschein
Schwarzwalds Eden, wie es blühet
Grüßend: Elsaß, Schwester mein!

Jetzt vom einst'gen deutschen Dome
Nach dem Rheine schweift mein Blick;
Auf dem öden Silberstrome
Les' ich, Heimat, dein Geschick.

Alte Reichsstadt, einst so blühend,
Einst'ger Sitz für Freiheit, Licht,
Mög', aus deinem Schoß aussprühend,
Leuchten, was dir heut gebricht.

Elsaß, traute Heimat, lebe
Hoch! Wie innig lieb' ich dich;
Und dein Schutzgeist fürder schwebe
Über dir stets väterlich.

Und du, Schwarzwald, ihr, Vogesen,
Schließet einen engen Kranz
Um dies blütevolle Wesen,
Um des Rheintals milden Glanz.

* * *


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