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Fritz Lienhard,

geboren 1865 in Rothbach im Elsaß.

*

St. Odilia, Schutzpatronin des Elsasses

Ihr Herz war eine Sonne,
Ihre Augen tot und grau!
Und von der klaren Stirne
Der wunderschönen Frau
Flossen die goldnen Haare
In einer reichen Flut –
O heil'ge Frau vom Odilien,
Mach' du mich fromm und gut!

In einen Bronnen am Berge
Tat sie die weiße Hand
Und wusch sich die blinden Augen –
Da sah sie ihr Alsa-Land
In leuchtender Maienblüte
Vor ihren Augen stehn –
O heil'ge Frau vom Odilien,
Lehr' du mich also sehn.

Im Kloster läuten die Glocken,
In Nebel ertrank die Welt –
Doch sieh, hell flammen die Sterne
Vom Sommernachts-Himmelszelt,
Doch sieh, hell leuchtet Straßburg
Herüber zu unsren Höhn –
O heil'ge Frau vom Odilien,
Elsaß ist wunderschön.

* * *

Aus »Hochlandsdorf«

Ein Briefchen kommt, nur ein flatternder Scherz,
Zur Nachbarin kommt ein Gedichtchen:
Ich weiß ein Mieder und weiß ein Herz
Und drüber ein Blumengesichtchen.
Elsässische Haube, zwei Schleifen dran,
Die fliegen am Sonntag ganz munter!
Und ich, ich bin der selige Mann,
Die Haube gehört und das Mieder mir an
Und mir das Herzchen drunter!

* * *

Stiller Regen

Aus der Nacht, der wolkenschweren,
Träufelt nach so langer Glut
Auf den Garten, auf die Ähren
Und Platanen leise Flut.

Leise Flut der guten Lüfte!
Wie der Garten stille hält,
Wie sich Kelch und Blütendüfte
Öffnen auf der ganzen Welt!

Gleich dem Staub, der auf den Wegen
Rauscht im ersten Tropfenfall,
Löst der linde Maienregen
Duft und Düfte überall.

Und wenn ich die Hände strecke
In den frischen Wolkengruß,
Fällt in lieblichem Genecke
Aus dem Himmel Kuß um Kuß.
Ach, und soll ich denn entsagen,
Der ich gern entsagen will,
Bitten will ich nicht, noch klagen
Sieh, mein Gott, ich halte still.

* * *

Meinem Bruder

Auch heut war Sonntag. Jene Helle säumt
Noch spät am Wasgau, wo der Vollmond träumt,
Der tief und rot schon über Frankreich hängt.
Ein Kätzchen sitzt beschaulich auf dem Dach,
Die Amsel in den Bauerngärten drängt
Ihr Sonntagsglück noch einmal in Geschmetter,
Gutlaunig schwätzt der Bach,
Und ferne dräut ein unbestimmbar Wetter;
Die Flächenblitze zucken rot und breit,
Doch seine Donner sind noch meilenweit.

Wo mag es hinziehn? – Mein Gedanke geht
Auf Wolkenhöhen ... »Wenn wir alles tun,
Was im Gebot des Herrn geschrieben steht,
So wissen wir, wenn wir am Abend ruhn,
Daß wir in Gottes Augen unnütz sind,
Wie auf dem Mutterarm ein spielend Kind.« ...
So denk' ich still. Ich denk's dem Vater nach,
Der auch so gern in seinem Garten ging
Und heimlich mit dem Gott der Sterne sprach,
Wenn lange schon der Mond am Dache hing.
Derselbe Mond, der einst auf Nebo stand,
Als Moses seinen Psalm vom Sterben sang.
Derselbe Mond, der im Bengalenland
In manchen Mönch mit Himmelshelle drang,
Derselbe Mond, des mildberedte Glut
Die Nächte durch Jahrtausende belebt,
Auf dessen Strahlen, wenn der Werktag ruht,
Die Schar der Geister um den Erdball schwebt.
Dann ist das Weltall offen, tief hinein
Schaust du ein Inselmeer in Flutenpracht –

Viel, Bruder, lernten wir vom Tagesschein,
Das Beste aber von der Sommernacht!

* * *

Grabschrift

Wenn ich tot bin, liebe Freunde,
Baut mein Grab am Wasgaurande:
Weithin soll mein reiner Marmor
Leuchten in die deutschen Lande!

Soll wie eine weiße Blume
Aus den grünen Hängen grüßen,
Wie ein Schutzgeist, der hinabschaut
Auf das Land zu seinen Füßen.

Wie ein Markstein, der da kündet
Jedem fremden Wasgaugänger:
»Hier ist Deutschlands grüne Grenzmark
Und hier schläft ein deutscher Sänger!«

* * *

Abendgebet

Nun bitt' ich, da mein Tagwerk ausgetan
Und meine Abendglocke klar erklingt,
Was keine Kraft der Welt mir schaffen kann
Und was kein selbstermunternd Lied erzwingt: –
Daß dieser Friede bleibe für und für!
Und daß, wie ich in dieser festen Stunde,
Die Welt um mich, mein ganzes deutsches Volk,
Zu Kraft und Ernst und Freudigkeit gesunde!

* * *

In Paris

Sie sind gewandt, sie sind galant in ihrem reizenden Paris,
Sie sprechen in geziertem Satz und sprechen über das und dies;
Und ihre Frauen drehn kokett das Flatterköpfchen hin und her –
Es wird dem Deutschen fast das Herz ob seiner rauhen Heimat schwer.

Und doch! so warm nicht wie bei uns drückt dort der Freund dem Freund die Hand,
Und nicht so innig schwingt sich dort die Sehnsucht übers Maienland;
Und nicht so hart und schweigsam fest wie in der nord'schen Winterruh'
Geht dort der allzu leichte Fuß dem hochgesteckten Ziele zu!

* * *

Pflicht

Ja! jeder deutsche Gau an seine Pflicht?
Schafft bis zum letzten treuen Atemzuge
In dieser Zeiten Gaunerei und Truge!
Und laßt von eurem deutschen Trutze nicht!
Du dort als Preuße, du als Alemanne,
Als Bayer du dort, ich als deutscher Dichter,
Und Männer alle – soll's der Teufel holen,
Wir werfen, sag' ich euch, das Nachtgelichter!

* * *

Meinem Vater

Ich weiß ein Dorf voll Mondlicht,
Da geht ein alter Mann
In seinem Garten spazieren
Und schaut den Vollmond an.

Die Bauern schlafen alle.
Er sinnt und raucht und geht,
Und für einen Fernen schickt er
Zum Himmel ein Gebet ...

* * *

Der Bauer von Lupstein

Ein Gesicht

Die aufständischen Bauern (1525), zusammengedrängt in Zabern, hatten sich gegen das Versprechen freien Abzugs ergeben. Als sie aber herauskamen, hob ein furchtbares, drei Tage dauerndes Morden an, das die Felder bis zur Kapelle von Lupstein in ein Leichenfeld verwandelte.

   

Sturmwindzerrissen ein Läuten aus wilder, wilder Nacht!
Unter den schnaufenden Wolken Geräusch von ferner Schlacht!
Darein vielstimmiges Weinen, schräg fallender Tropfen Heer!
Ein Flügelschlagen und Flügelstoß,
Als tappt' ein Untier fittichgroß
Doch ungefüg und federschwer
Durch feuchte Nacht, durch nasse Nacht, durch wilde, wilde Nacht
daher!

Sturmwindzerrissen ein Läuten, – so schwarz und hohl das Land!
Ist das ein Feuerläuten? Steht wo ein Dorf in Brand?
Aufweinend bäumt sich die Linde vor meinem Herberghaus,
Als wollte mit stampfenden Wurzeln sie in die Nacht hinaus,
Als wollte sie rauschend sich heben und kämpfen im breiten Zug,
Mit tausend Krallen zerreißen den Wolkenbannerflug!
Sturmwindzerrissen ein Läuten, – die Nacht so schwarz und schwer!
Gott schirme verirrte Wandrer! – – Wo kommt das. Läuten her?

— — —

Steht ein Kapellchen um Mitternacht,
Ein längst zerstörtes, wieder am Hain:
Dort wurden in der Mörderschlacht
Achtzehntausend zu Leichen gemacht!
Der Landsknecht brüllt, der Schädel kracht,
Von Bauern rieseln hernieder am Rain
Schaumrote Bäche und Schreie der Not –
Hochbeinig schreitet der Tod!
Dort steht in weißer Kapelle
Magisch beleuchtet ein Geist,
Der am zerschlissenen Strange
Toll in die Mordnacht reißt!
Ein Bauer in letztem Grimme,
Ein Bauer, zu Tode getroffen im Feld,
Ein Bauer, des Glockenstimme
Herzzerreißend gen Himmel gellt:
»Hilf, o du Vater der Armen!
Mordvolk ist hinter mir her.
Kein Aufschrei um Erbarmen
Schirmt mich mehr!
Hilf, hilf, hilf – mein Herz ist wund,
Im Sturzbach schießt mein Blut aus dem Mund,
Daß ich nicht lallen noch beten kann –
Dein Glöckchen reiß' ich – dich ruf' ich an!« ...

— — —

Sturmwindzerrissen ein Läuten aus wilder, wilder Nacht!
Über die Felder und Städte wehheult die alte Schlacht!
An Scheiben gepreßt mit Schrecken beschau' ich den grellen Ort –
Sturmwindzerrissen ein Läuten: – mein Ahne läutet dort!

* * *


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