Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Gustav Mühl,

geboren 1819 in Straßburg, studierte in seiner Vaterstadt Medizin und war sodann als Arzt tätig. Unter der deutschen Regierung, der er sich zur Verfügung stellte, wurde er Bibliothekar an der neu gegründeten Universitätsbibliothek. Er starb 1880.

*

Die Lieblingslieder

Dies meine liebsten Lieder sind,
Die, wenn sie angeschlagen,
In ihrem Wehen heimlich lind
Ein andres leiseres tragen,

Ein Tönen, das nicht freie Lust,
Auch Schmerz nicht wär' zu heißen,
Ein sanftes Zittern durch die Brust
Von nie gesungenen Weisen.

Und wenn des lauten Liedes Ton
Sich senkt zur Erde nieder.
So schwebt zurück das andre schon
Ins tiefste Herze wieder.

* * *

Vor Sonnenaufgang

I

O Seele, lagre dich an jenen goldnen Toren,
Wo ew'ger Gottesminne Rosen blühen,
Und bete still im heil'gen Flammenglühen –
In Freuden wird das Himmlische geboren.

II

Nah' ist der Gott! wie rasche Engelsflügel,
Ziehn Windesschauer rauschend vor ihm her;
Sprich, stehst du auch, mein Geist, ein reiner Feuerspi
Vor diesem reinen Glanzesmeer?

* * *

Wenn die blauen, tiefen Lüfte

Wenn die blauen, tiefen Lüfte
Wogen wie mit fernem Klang,
Und in Glanz und Blumendüfte
Jauchzt der Vögel Lustgesang,

Und von sonn'gen Bergeshöhen
Lächelt stille Gotteslust,
Weiß ich nicht, wie mir geschehen,
Dehnt und enget sich die Brust.

's ist, als möcht' ihr dann entsteigen
Meiner Schmerzen trüber Hauch,
Und doch läßt er im Entweichen
Eine letzte Trän' im Aug'.

* * *

Erwins Tod

(1318)

Es war im Februare
Ein sonnig lauer Tag,
Auf stiller Krankenstätte
Der greise Erwin lag.

»Sabina, liebe Tochter,
Führ' mich ans Fenster hin,
Dort seh' im Abendglanze
Mein Münster ich erblühn.

»Gar wundersame Wonne
Gibt doch sein Anblick mir;
Gar wundersame Wehmut
Zerdrückt das Herze schier.

»Mein Werk, da liegt's vergoldet
Im letzten Abendschein;
Ach Gott, ich darf's nicht heben
Hoch in die Luft hinein.

»Sieh, Tochter, wie die Rose
Zu mir herüberschaut,
So funkelnd wie das Auge
Der heißgeliebten Braut.

»Geheime Wonnegrüße
Entsprühn dem Liebesaug',
Als sollte drin verwehen
Jetzt meines Lebens Hauch.

»Ihr brüderlichen Türme,
Mir deucht, ihr steiget auf;
Empor und immer höher
Im kühnen Siegeslauf!

»Wie strahlt ihr aus dem Himmel
In der Verklärung Schein! –
Ach, bald zu euren Füßen
Wird meine Ruhstatt sein.«

Der Meister hat's gesprochen,
Da sank zurück er tot;
Und feuriger erglühte Der Bau im Abendrot.

* * *

Die Sage von der Zukunft

(Straßburg, im September 1841)

Wenn um den Berg dereinstens
Die Raben nicht mehr drehn,
Dann wird der große Kaiser
Aus seinem Schlaf erstehn.

Dann hat es ausgeschlummert,
Das schwere deutsche Haupt,
Die kräft'ge Hand wird rütteln
Die Rüstung, dicht bestaubt.

Er kommt ans Licht der Sonne,
Ein mächtig Riesenbild,
An eine dürre Eiche
Hängt er den Eisenschild.

Da wird durch ihre Äste
Ein heil'ger Schauer ziehn,
Da wird aus ihren Zweigen
Ein heil'ger Frühling blühn.

Sie wird von allen Bäumen
Der herrlichste wohl sein,
Sie wird mit Gottes Segen
Zum Himmel hin gedeihn!

* * *

Die Wacht auf den Vogesen

(5. Dezember 1870)

Hoch durchs Gebirg im Wasgauwald
Wie Sturmgebraus es widerhallt.
Das tönet wie ein mächt'ger Schritt,
Als riss' es Eich' und Tannen mit;
Voran, voran du deutsche Braut,
Der Wasgau hat dich jetzt erschaut.

Hoch auf dem Berg nun steht es da,
Das Riesenweib Germania;
Sie kam herauf vom kühlen Rhein:
»Ich mag nicht länger drunten sein;
Hier nach dem Berg stand längst mein Sinn,
Hier bleibt die Wacht mein Hochgewinn.

»Hier steh' ich, reck' die Arme aus,
Sei mir gegrüßt, mein Felsenhaus,
Seid mir gegrüßt, ihr Tannenhöhn,
Dem deutschen Aug' so wunderschön!
Wie ist die Aussicht weit und breit
So strahlend hier in Herrlichkeit!

»Hier schaut mein Blick, in Stolz erglüht,
Als wie ein Garten aufgeblüht
Die deutsche Heimat weit und breit,
Wie nirgends sonst, voll Lieblichkeit;
O Elsaß drunten, edler Hort,
Jetzt bleibst mein Eigen fort und fort!

»Hier schaut mein Blick, in Zorn entbrannt,
Hinüber dann ins welsche Land:
Im tiefsten Mark hat's dir gegraust,
Als du gefühlet meine Faust,
Nun hüt' dich ferner, hüt' dich fein
Vor meines Schwertes Blitzesschein!

»Hier thront' ich schon vor manchem Jahr,
Hier bleib' ich jetzt und immerdar.
Nun wettert drunten in dem Tal,
Kanonen, donnert allzumal;
Gekommen ist die deutsche Braut,
Dem Wasgau ewig angetraut!«

* * *


 << zurück weiter >>