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Um dem Volk die Größe der Zukunft auch in sichtbaren Bildern vor Augen zu führen, ist es nützlich, den Schleier von der großen Vergangenheit hinwegzuziehen. So wurde im Rat beschlossen, einen tiefen Bergsee bei der Hauptstadt bis auf den Grund zu entleeren. Ein altes Schiff, die Trireme eines antiken Kaisers, lag in Herrlichkeit dort unten. Seit zwei Jahrtausenden versunken mit Roms Adler, mit Ruten und Beil: es war für das Wrack an der Zeit, aufzuerstehen.
Kaum erscholl der begeisternde Aufruf, und schon marschierten neben den Arbeiterkolonnen die schwarzen Scharen der Freiwilligen heran. Es galt, den dunklen Lungosee zur Entblößung seines Schatzes in den nahen, aber weit größeren Aldosee umzugießen. Mit weithin hallenden Gesängen stachen sie ins Erdreich zwischen den beiden Wasserbecken. Dann wurden die flacher liegenden Dörfer an den Ufern des Aldosees geräumt, und man sprengte das letzte trennende Stück.
Nun sahen sie mit geschwellter Brust den Wasserschwall hinüberfluten. Rasch stieg der eine, rasch sank der andere See, unter den feierlich schmetternden Stößen der römischen Tuba. Zehntausend festlich gekleidete Zuschauer verfolgten auf den Tribünen rings um die Lungoufer das Zucken der Wasserfläche. Sie verebbte, und langsam tauchte ein bleiches Trümmerfeld auf, umquollen von uraltem Schlamm. 68
Die Musik fiel ein, die berühmte Hymne »Jugend« erklang. Schon konnte man die hölzerne geschweifte Schale des Schiffes erkennen, das auf der Seite lag. Es war ein gewaltiges verkrustetes Gerippe. Das mit dickem Schimmel beladene Steuer und mancherlei verstorbenes Gerät zeigte man sich. Unzählige Gläser durchsuchten funkelnd den Moder, und die Musik umspielte das Schauspiel.
Indessen war der andere, der empfangende See von der Wucht des fremden Wassers bis an den Rand gewachsen. Aber die Flut trat nicht in die geräumten Dörfer über. Nur eine zu niedrige Stelle, wo ein einzelnes Haus stand, war den Vermessern entgangen. Hier setzte der mächtige Angriff der Wellen über die Ufer hinweg. Die Besitzer des Hauses, in der Stadt wohnend, hatten den Sohn eines ihrer Arbeiter zur Aufsicht zurückgelassen. Jetzt schlummerte der Junge in der Küche. Von einem guten Traum leuchteten seine geschlossenen Lider, während das Wasser kam und sich schon durch den Garten heranwälzte.
Drüben leuchteten unter Scheinwerfern alle Geheimnisse der Tiefe auf. Das Werk war gelungen und endloser Jubel durchbrauste die Tribünen. Wie ein einziges offenes Museum lag der verschollene Seeboden da. Lange Züge begannen sich zu ordnen, zur Besichtigung der großen Funde. Über Planken und Brücken ging das Getrappel der entzückten Zuschauer, mitten hinein in die von Verwesung und Waldluft durchzogene Unterwelt. In der abendlichen Sonne glich alles einer vornehm zerfallenden Ruine, neben den seltsamen rostigen Geräten waren selbst Säulen mit pilzgrünen Voluten hier versunken. Aus dem gelben Gewimmel der verstreuten Skelettknochen ragte ein fauliger und unsterblicher Mastbaum.
Aber im anderen See schwappte Wasser an die Fenster 69 des Hauses und brach durch die platzende Tür. Wie Kähne wurden Treppen, Möbel, Betten bis zur Zimmerdecke gehoben. Schreiend, aus den flutenden Kissen, aus dem Traum, in dem er sich eben noch als Held sah, ein furchtbares Krokodil besiegend, stürzte der Knabe ins Wasser. Er schwamm, die blühenden Wangen vor Schreck vereist. Der Strom riß ihn wie ein unwiderstehlicher Luftzug durch die Fenster hinaus. Er schlug um sich, er hielt sich an einem jungen Baum im Garten fest, er sank mit ihm um, – während in der Mitte der anderen, fast trockenen Seehöhle das schon ein wenig aufgerichtete Fahrzeug erglänzte. Aus den Seiten ragten drei Reihen zersplitterter Rudergräten hervor. Es war, als säßen drinnen, in der auf erstandenen Galeere der Vergangenheit, noch die Sklaven dahinter, es klirrten die alten Ketten. Aber ein Bläserchor trompetete mit sieghaftem Schmelz hinter dem Rest der abziehenden Wellen her, die im Garten drüben mit einem letzten Stoß den Jungen ertränkten. 70