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Der Vater der Ströme, Mississippi, durchwässernd den halben Erdteil Amerika, fließt von der Hügelkuppe, auf der er entspringt, einem nahen kleinen Waldsee zu und könnte dort enden. Erst kurz vor dem Ufer des Teiches läßt er sich von irgendeiner Erdfalte nach Süden ablenken. Ein Zufall macht ihn zum Herrscher, er schwillt von allen Flüssen des Landes und braust am Ende wie ein ebenbürtiges Meer ins Meer.
Es geschah in einem Jahre, daß die Bewohner der Stadt an der Mündung, New Orleans, gewöhnt an manche Schreckensnachricht vom Ozean her, den Orkan einmal von der anderen Seite empfingen. Und dies war gefährlicher. Von allen Gewässern und Blättern des Herbstes geschwollen, kam der Mississippi wie eine gelbe Sintflut an der Meermündung an. Da seine Ufer zum Schutze des Landes mit hohen, um einen Erzkern betonierten Deichen gesichert waren, lief der Strom in seiner einzigen Straße haushoch auf die große Stadt zu.
Durch die Straßen der großen Stadt lief die Angst. Radio und Telefon und die Scharen der Autos wetteiferten mit der Angst an Schnelligkeit. Heere von Menschen sammelten sich in den Schluchten zwischen den schwankenden Wolkenkratzerbauten, sie stoben auseinander, sie sammelten sich und zerstoben mit dem Schrei: Rettet die Stadt! Alle Behörden berieten mit den Geldleuten und den anderen guten Bürgern über 33 den heranwütenden Fluß und sie plakatierten die Entschließung: Rettet New Orleans!
Draußen im Lande standen die Farmer längs der tausend Kilometer Mississippi. In Ruhe sahen sie dem vorüberstürzenden Wellengewitter von den Höhen der Deiche zu, froh solcher Blitzableiter. Sie nickten einander zu: Einen derartigen Bauch hat die Miss noch nie gehabt, ist ein Fakt! Dann wandten sie sich um und gedachten sich schlafen zu legen. Aber ein anderes Getöse fuhr heran, und eine Armee städtischer Wagen mit ungeheuren Lautsprechern, gegen den Strom anbrüllend, brachte die Botschaft: »Räumt die Plantagen! Sucht sichere Orte! Die Deiche werden gesprengt! Retten wir die Stadt, den Hafen des Südens!«
Die Farmer griffen zum Gewehr. Den Strom hinauf lief der Aufruhr. In allen Plätzen schlug unter knatternden Schüssen die Sturmglocke. Die Ingenieure flohen, ihre Lastwagen voll Ekrasit wurden mit Hallo durch die triumphierenden Dörfer gefahren. In der Stadt begannen die Autos und Trams bereits zu schwimmen. Naß bis in die überschwemmten Keller funkte die Stadt ihre Bitten und Erklärungen an das Land. Bei den Empfangsgeräten saßen die Pflanzer und zuckten die Achseln. Ein Geviert Acker war ehrlichen Leuten näher als ganz New Orleans. Aber nach einer verzweifelten Nacht marschierten Regimenter Infanterie und Pioniere hinaus. Sie bestellten die Ufer mit Maschinengewehren, sie sprengten die Deiche. Mit wildem Ausbruch, wie aus einem Strom von Kratern, brauste die Flut, im Bett des Mississippi sinkend, über die Pflanzungen hin. Eine braune Wüste, ein riesiger öder Brei von Baumwolle, Reis und Zuckerrohr wurde das Land. Das Geäst der Bäume schwamm durch die Häuser der Farmer, durch die Wälder schwammen Möbel und Türen, Rindvieh und Geflügel. 34 Fluchende oder fürchterlich schweigende Menschen ruderten durch den uferlosen Schlamm.
Am Abend sank auf die ergrauende traurige Fläche aus den Wolken der Widerschein ferner Lichter. Das waren die neu entflammten bunten Reklamelichter, in den wieder auferstehenden Straßen von New Orleans. Aufatmend füllten sie sich langsam mit geregeltem Verkehr. Durch den Äther Amerikas erklang das Dankgebet der Stadt, und die ersten Jazzkapellen wagten sich aus der Sintflut hervor, zu kleinen Jubelkonzerten. Erst morgen, verkündete der Ansager, würde man auch wieder zum Tanze aufspielen.
Aber um Mitternacht mischte sich in das Feuerwerk der Reklameschriften ein anderes Licht: Feuersbrunst. Fauchende Glut in allen Vierteln. Die mit Petroleum getränkten Wolkenkratzer rauchten wie Fackeln. Die Stadt brannte.
Tausend Pflanzer hatten sich in tobender Heimlichkeit vom Lande hereingeschlichen. Sie hatten die Stadt angezündet. Sie überschwemmten die gerettete Stadt mit den roten Wellen des Feuers, Rauchstrudeln ihrer Rache: Ödnis für Ödnis!
Die nicht im Flugzeug entfliehen konnten, in der neuen Arche durch den Himmel, irrten zwischen den Wassern und den Flammen hin und her. Und wie ein Fanal für die zerrüttete Welt, für die mörderischen Duelle Aller gegen Alle, gingen an diesem Teil der Erde die Stadt und das Land in der Feuerflut unter, in der vereinten Wut von Mensch und Mississippi. 35