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Sie starb, die er als Leitstern durfte schauen,
Wie's Beatrice war auf Himmelspfaden,
Vom Alltag führt' sie ihn zu holden Auen,
Wo ewige Quellen zum Entzücken laden.
Sie starb, die seine Kunst zuerst verstanden,
Die neue Kunst, die er der Welt wollt' geben,
Sie, die den Flug ihm löste von den Banden,
Ein Feuer, stets bereit, emporzuschweben.
Jetzt ward sie schon gewiß zum Ideale,
Das er geträumt in edler Reine immer,
Sie trägt das Kleid, erhellt vom Sternenstrahle,
Auf ihrer klaren Stirn des Frührots Schimmer!
Am Himmelsfenster steht sie in Gedanken,
Die Hände faltend, will herniedersehen
Auf diese Welt, wo Nachtgespenster wanken
Und jeder Stern im Dust muß untergehen. –
Nun stand er auf und nahm die Lieder alle,
Die er für sie einst sang in Glückestagen,
Und in dem Sarg, der ernst stand in der Halle,
Entschloß er sich, zu Grabe sie zu tragen.
Und auf ihr Herz, das ihm in süßem Pochen
Geschlagen einst, in Rhythmen, tiefgeheimen,
Und das jetzt tonlos lag, kalt und gebrochen,
Legt' er sie hin, die mit verschlungnen Reimen
Von Liebeslust und Bangen sangen, klangen,
Emporgerufen von der Dichtung Werde –
Dann drückt' er auf die Lippen einen langen,
Sehnsücht'gen Kuß und gab den Leib der Erde.
*
Und Tage kamen, trübe, dunkle Tage,
Ihm schien mit aller seiner Kunst, er wäre
Gleich einer Sphinx, die selbst nicht löst die Frage,
Auf seiner Brust lag eines Felsens Schwere.
Auf stiegen zwei Dämonen, grau und düster,
Und spannten weit ihr Fledermausgefieder,
Und raunten ihm gar seltsames Geflüster,
Als zög' der Wind durch Herbstlaub hin und wieder.
Der erste sprach: »Zu teuer, sollst du wissen,
Hast du bezahlt die Liebe, warst zu strenge –
Die neue Kunst hast du der Welt entrissen
Und gabst zum toten Weib lebendige Sänge.«
Der zweite sprach: »Dich trieb der Stolz, der arge,
Auf Ruhm und auf die Größe zu verzichten,
Doch deine Lieder weinen still im Sarge,
Und bang umseufzt ihr totes Haupt dein Dichten.«
Der erste sprach: »Wozu dein Ringen, Streben,
Wozu auch trugst du hoch der Schönheit Fahne?
Damit die Spinne drein ihr Netz mag weben –
Ein Götterlicht verlöschtest du im Wahne!«
Der zweite sprach: »In Trug bist du verloren!
Dein Lied wird
störend in den Traum ihr dringen,
Ein weltlich Werk, in Ohnmacht nur geboren,
Ist es nur Staub für ihre duft'gen Schwingen.«
Der erste sprach: »Nimm wieder, was dein eigen!«
Der zweite sprach: »O scheuch den Alp von hinnen,
Dein Leben und dein Ringen deckt das Schweigen,
Laß wiederum den Äther sie gewinnen!«
*
So stritt es ihm im Herzen und im Hirne,
Die Lampe nahm er, stieg zur Gruft hernieder
– Um Mitternacht – der Schweiß stand auf der Stirne,
Rings kühl, doch Feuer ging durch seine Glieder.
Die Stufen schritt er abwärts, nur geleitet
Von seinem Schatten, der zu Füßen bebte,
Bald schwand, wo eine Nische war geweitet,
Bald wuchs im Mond, des Licht durchs Fenster schwebte.
Er stand beim Sarg, schloß auf und hob den schweren
Sargdeckel ab und legt' ihn auf die Erde,
Die bleichen Züge, so erschien ihm, kehren
Sich jetzt zu ihm mit strafender Gebärde.
Die Stirne blaß, vom Myrtenkranz umschlungen,
Gefaltet zum Gebete still die Hände;
Sie, denen hold die Harfe oft erklungen,
Trugen der Treue Ring noch übers Ende.
Und seine Blätter sah er zwischen ihnen.
Darin die Welt, die sich sein Sinnen baute,
Auf ihrem Herzen schliefen sie und schienen
Zu ihr zu sprechen mit geheimem Laute.
Er griff nach ihnen, zag, mit wildem Eilen,
Und nahm sie aus der Hand, der kalten, blassen,
Da schien es ihm, als ob die Liederzeilen
Sie fester hielt und nimmer wollte lassen.
Da rang er mit ihr, er, der all sein Leben
Sie überschüttet dankesvoll mit Rosen –
Nun nahm gewaltsam er, was er gegeben,
Denn die Unsterblichkeit galt's zu erlosen!
*
Und Tage kamen, trübe, dunkle Tage,
Ihm schien mit aller seiner Kunst, er wäre
Gleich einer Sphinx, die selbst nicht löst die Frage,
Auf seiner Brust lag eines Felsens Schwere.
Die zwei Dämonen, die ihm in die Ohren
Der Ruhmsucht Gift, den Ehrgeiz einst gegossen,
Sie waren stumm – doch aus der Hölle Thoren
Flog auf ein Schwarm von andern Nachtgenossen.
Die Lieder, die er nur für
sie gesungen,
Mußt' er vom Troß in Staub getreten sehen,
Die Lieder, wie vor taubem Ohr erklungen,
Als leeren Rauch durch Molochs Nüstern gehen.
Er sah, wie sie mit seiner Liedergabe
Ihr engelreines Herz zugleich verletzen,
Und dachte, daß sie fühlen muß im Grabe,
Wie Schmutz sich will an ihre Reinheit setzen.
Und nicht mehr rufen konnt' er sie zurücke,
Sie wiedergeben ihr in ihre Truhe,
Um Ruhm gab er sie preis der Menschen Tücke –
O, daß er ihnen nicht gegönnt die Ruhe!
Um ein Phantom des Ruhms, das ihn verwirrte!
Er sieht
sie wieder in dem Sarge liegen,
Wie ihres Haupts Profil umkränzt die Myrte
Und ihre Blüten an die Stirn sich schmiegen.
Da, wo ihr Ring durchs Dunkel traulich glühte,
Da konnten sie in stiller Schönheit weben,
Bis er einst selbst, entrückt ins Reich der Güte,
Sie lesen mochte ihr, wie einst im Leben!