Wenn die Sonne sinkt
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Einleitung.

Von O. Weltzien

Etwas vom Thüringer Wandersmann sollen die nachfolgenden Blätter bieten. August Trinius ist ja unter diesem von frischester deutscher Wanderlust und zugleich von der wunderbaren Poesie grüner Waldberge zeugenden Namen am meisten bekannt geworden. Und es ist schon ganz recht so, daß der schlichte Ehrentitel ihm zuteil wurde. Denn keiner unter denen, die den Thüringer Gau in der Literatur unserer Zeit vertreten, zeigt sich dem innersten Wesen dieser Landschaft, dieser Berge, die an ureigen-deutschem Waldeszauber im Reich nicht ihresgleichen haben, in dem Maße verwandt wie Trinius. Aus den Blättern seiner Werke strömt ein leises träumendes Sinnen auf den Leser über, ein Sinnen, wie es den Wanderer erfaßt, wenn er in Sommertagen von umschatteter, umrauschter und doch freier, lichtumfluteter Höhe hineinschaut in lichtgrüne Tiefen, in blaue Fernen.

Vielleicht darf man dieses Sinnen, das einem inmitten lichtester Wanderfreude hier im Thüringerwald überkommt und das gerade bei Trinius sehr oft hervortritt, mit einem einzigen Wort als Wartburgzauber bezeichnen. Es ist ja freilich wahr: nicht nur um Eisenachs burggekrönten Hintergrund, nicht nur um Thüringens, Deutschlands einzige herrliche Wartburg weht die befreiende Höhenluft des Rennstiegbereichs, nicht hier allein ist Thüringer Boden. Aber doch: an reifer Schönheit, wie an poetischem Zauber und geschichtlichem Glanz kommt dem hier nichts sonst gleich. Hier sucht Deutschlands Protestantismus seine heilige Heimat, Deutschlands geistige Freiheit eine Freistatt, und hier auch ist es, wo aus grauer Vorzeit die hellsten Lieder von Lenz und Liebe, von der Herrlichkeit der Gottesnatur wie von den ewigen Werten gesunder Lebensfreude herüberklingen. Und davon ist etwas in Name und Art Gesamtthüringens hineingeflochten worden.

Trinius aber hat Klängen solcher Art oft gelauscht. So wurden sie ihm vertraut wie wohl einem anderen Lieder aus Kindertagen, so gelangen ihm Bilder von der Art, die sie zu geben vermögen, in reiner herzerfreuender Weise. So blieb ihm aber doch auch wieder eins versagt, was er zuweilen erstrebt: die Tiefe ernstester Forschung. Man darf freilich zugeben, daß Trinius geschichtliche Streifzüge gut gelingen. Aber dafür ist auch kaum ein hohes Maß von Forscherernst nötig; dafür genügt schon ein Aufmerken, ein Erwachen aus den Träumen, die auf Wanderpfaden eingeholt werden können, Streifzüge sind keine Beweismittel für Forschersinn.

Ein schlichter Wandersmann wird nun ja auch gewiß auf die Vorzüge exaktester Forschung verzichten können. Sie passen am Ende gar nicht in seinen Kram hinein. Für ihn ist mehr ein Aufschimmern sorgloser Wanderfröhlichkeit am Platze, ein Aufschimmern von der gleichen Natürlichkeit und Ungezwungenheit, wie es bei sinnendem Rückerinnern der Weise einfacher Menschen entspricht.

Eine glückliche Mischung solchen Schlages zeigt denn auch Trinius' Schaffen. Es ist echt thüringischer Art. Ihm bleiben die Tiefen verschlossen, die sich nordischer Grübelei erschließen; ihm eignet nicht die spielende Leichtigkeit, die lachende Tändelei des Südens. Aber ihm ward ein Geschenk in die Wiege gelegt, das auf Unerreichbares in fröhlicher Genügsamkeit verzichten läßt und das ihm zugleich von überallher jenes unbewußte Gefallen einträgt, das der unbefangenen Natürlichkeit eines frischen Thüringer Waldkindes ohne eigenen Wunsch und Willen entgegenfliegen muß, weil diese Art halt gar so herzig ist. –

August Trinius entstammt der Provinz Sachsen; er wurde am 31. Juli 1851 zu Schkeuditz im Regierungsbezirk Merseburg geboren. Aber schon in den ersten Monaten seines Lebens kam der heutige Thüringer Wandersmann selber ins Reich der grünen Waldberge. Erfurt, das damals noch den Charakter einer ein wenig düsteren Festungsstadt hatte, wurde ihm eine zweite Heimat, bot ihm bis zum zwölften Lebensjahre eine Heimstätte. Dann kamen lange Jahre, die in Berlin verlebt werden mußten, in der Stadt, die Trinius' Bildungsgang am meisten beeinflußte und deren nähere und weitere Umgegend ihm danach den Stoff zu ersten schriftstellerischen Versuchen bot. »Märkische Streifzüge« sind's, die die ersten Wanderfrüchte einschließen. Man hat bei ihrem Erscheinen davon gesprochen, daß sie sich Fontaneschen Wegen in eigenartigster Weise anschlössen, daß Trinius der »Matthisson der Mark« sei. Man kann das ja zugeben, wird aber doch wohl sagen können, daß der kongenialste Wanderführer der Mark Brandenburg Theodor Fontane ist. Beim Thüringer Gau liegt die Sache anders; hier verwächst die Triniussche Eigenart mit dem innersten Wesen von Land und Leuten einheitlich zu einem Ganzen. So liest man denn die Bände des »Thüringer Wanderbuchs« samt den zahlreichen sonstigen Einzelartikeln und Sammlungen, die das »grüne Herz Deutschlands« zur Heimat haben, mit immer neuem Wohlgefallen.

Außer diesen Wanderbüchern ist auch sonst noch mancherlei aus Trinius' Klause (der Dichter wohnt nun schon seit Jahren im Städtchen Waltershausen, in Koburg-Gotha, dessen verstorbener Herzog Alfred Trinius den Hofratstitel verlieh) hervorgegangen. Das dreibändige »Alldeutschland« nähert sich wohl noch am meisten den Wanderskizzen. Bei dem vierbändigen Werke »Geschichte der deutschen Einheitskriege 1864/71« ist davon aber schier gar nichts zu spüren. Hier zeigt Trinius vielmehr eine gewisse Schärfe des Urteils, namentlich in bezug auf die Schilderung des Übergangs nach Alsen, die dem Verfasser sogar ein Militärvereins-Boykott zuzog, ihm allerdings auf der anderen Seite die Anerkennung des berufensten Sachkenners, Moltkes, eintrug.

Sehr oft ist Trinius weiterhin als Erzähler hervorgetreten. Wohl ein Dutzend Bände Novellen und Erzählungen sind von ihm erschienen. Sie erweisen sich allesamt als echte Kinder Triniusschen Geistes, als Wandergaben, die mit leichter Hand gegeben wurden, die angesehen sein wollen als die Erträgnisse einer nicht gerade tiefschürfenden, aber doch gefälligen, geschickt unterhaltenden Art. Auch solche Gaben wird man ja willkommen heißen dürfen. Bieten wir denn also einen Strauß kleiner Erzählungen und Wanderskizzen dar. Möge der anspruchslose erfrischende Hauch Thüringer Volkstums, der sie alle belebt, viele erfreuen! Damit: Glückauf dem »Thüringer Wandersmann« und all denen, die ihm nachzufolgen vermögen in herzstärkender Wanderfreude!

Eisenach.

O. Weltzien.


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