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65.

Um die Hälfte des Septembers begaben wir uns auf die Reise nach Bremen. Da ich seit siebenundzwanzig Jahren meine Parochie nicht verlassen hatte und übrigens Alles dazu beitrug, mir das Herz zufrieden und freudig zu stimmen, so war mir diese Reise ein voller Genuß. Die Natur, die Gegenden, die Menschen, die Gasthöfe, Alles erschien mir in festlichem Zustande, und zwanzigmal des Tages dankte ich Gott, daß er mir bis zum Spätalter Lebenskraft genug verliehen hatte, um noch mit Frische zu empfinden, und Stärke genug, um mich ohne Mattigkeit zu ergötzen. Was Andreas anbetrifft, so hatte er sicherlich noch weit mehr Genuß als ich, wiewohl anderer Art; und während ich mich Allem ganz hingab, war er nur für Gertrud da, und Menschen, Fluren, die schöne Natur glitten vor seinen Augen vorüber, ohne ihn sehr von seinen Gedanken abzuziehen.

In Bremen wurden wir von den beiden Familien Gertrudens und Rosa's mit dem rührendsten Wohlwollen empfangen, und ich hatte das Glück, zu sehen, daß mein Sohn daselbst weit günstiger aufgenommen wurde, als ich es erwartet hatte. Außer daß er ziemlich hübsch von Gestalt und von einem Aeußern war, das durch Gesundheit und Anstand anziehend ist, gewann ihm auch sein offenes Wesen die Herzen, und man fand an ihm jenen besondern Vorzug, welchen einem, sonst den Sitten der vornehmen Welt fernstehenden, jungen Menschen die strengen Uebungen des Geistes und die bescheidene Zurückhaltung des evangelischen Berufes ertheilen. Gertrud selbst, von der Natur so wohlbegabt, um mit eben so verständigem als seinem Sinne die Vortheile eines eher ausgezeichneten als glänzenden oder auch nur schmeichelhaften Standes zu schätzen, wurde mehr und mehr stolz auf ihren zukünftigen Gatten, und die sittsame Vertraulichkeit dieser beiden jungen Wesen nahm mit ihrer gegenseitigen Liebe zu. Als die Zeit, sie zu vereinigen herangekommen war, segnete ich ihre Ehe in der Hauptkirche zu Bremen ein, in Gegenwart eines großen Zuströmens von Menschen, und am nächsten Tage befanden wir uns mit unserer Gertrud und in Begleitung der Mutter Rosa's, die eine zwar traurige, aber doch auch trostbringende Wallfahrt zu dem Grabe ihrer Tochter thun wollte, auf dem Rückwege nach Genf.


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