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50.

Nun waren es nur noch drei Tage, bis zum Dienstag, der für die Abreise der Damen festgesetzt war, und Niemand war erschienen, um sie in Empfang zu nehmen, so daß ich es für geeignet hielt, mich gegen Gertrud betreffs dieser Abreise und der Umstände zu erklären, die mich wider Willen zwangen, sie in's Werk zu setzen. Kaum hatte sie die ersten Worte dieser Erklärung angehört, als sie den lebhaftesten Widerwillen dagegen kundgab und versuchte, sich gegen die Nothwendigkeit, die ich ihr auseinandersetzte, zu sträuben. Doch zu einsichtig, um nicht sehr schnell zu begreifen, daß aller Widerstand gegen diese Nöthigungen vergeblich wäre, überkamen darauf Niedergeschlagenheit, Bitterkeit und Leid ihr Herz, und sie überließ sich den Regungen der schmerzlichsten Traurigkeit. – »Was soll aus Rosa werden«, sagte sie weinend, »aus der so umhergetriebenen, verstoßenen Rosa, ohne Pflege um sich her, ohne ein Lager für die nächste Nacht?« – Was sollte aus beiden werden am Ziel dieser Unglücksreise, da ihre Eltern ihnen Verzeihung versagt hatten; und war diese Rückkehr, wider deren Befehle und durchaus im Gegensatz zu ihren Wünschen stehend, nicht geeignet, sie noch mehr zu erzürnen? Würden die Ihrigen nicht Gewalt gebrauchen, um sie Rosa zu entreißen, während Rosa selbst mit Gewalt an irgend einen Verbannungsort gebracht werden würde? – Hierauf schlang sie im vollen Ausströmen ihres Gefühls ihre Arme um meinen Hals und rief aus: »Und Sie verlassen, Sie verlassen, mein gütiger Herr Bernier! für immer diese geheiligte Behausung verlassen, die von nun an die theuersten Bande, die rechtmäßigsten Neigungen, die einzige Schutzwehr für uns in sich schließt! Ach, warum sind wir nicht ebenso gut als Ihre Töchter geboren worden, wie wir es dem Herzen nach geworden sind! Wie wir durch Ihre Wachsamkeit jene Verirrungen, die wir nun so hart büßen, vermieden hätten, so würden wir mit jedem Tage nur noch mehr das Glück genießen, unter Ihrem Schutze zu leben und Ihre alten Tage zu verschönern!« ...

Diese Reden bewegten mein Herz lebhaft, und ohne zu bedenken, daß ich dazu gezwungen war, fand ich mich sehr grausam, diese armen Kinder so unbarmherzig zu betrüben. – »Erschweren wir uns das Leiden nicht dadurch, daß wir uns erweichen«, sagte ich zu ihr; »lassen Sie uns diese Thränen unterdrücken, womit wir nur unsern Muth entkräften. Er fehlt mir, meine liebe Gertrud, da ich mich von Ihnen trennen soll. Uebrigens wird Sie mein Sohn begleiten.« – »Ihr Sohn?« unterbrach sie mich, mit erleichtertem Tone. – »Ja, mein Sohn«, fuhr ich fort, »der nicht zugegeben hat, daß dies Jemand anders thäte, und der Ihnen, wie ich überzeugt bin, gute Dienste leisten wird. Aus Schicklichkeit werden Sie beide das Innere der Kutsche allein einnehmen, und jener wird sich zur Seite des Führers setzen, stets bereit, Ihnen unter allen Formen, als Helfer, Freund, Botschafter und, wenn es nöthig wäre, sogar als ehrerbietiger Sachwalter bei Ihren Familien zu dienen.« – »Wie sehr rührt mich seine Aufopferung«, sagte hierauf Gertrud; »und daß Sie, bester Herr Bernier, alle Ihre Wohlthaten gegen uns mit einem noch kostbareren Opfer für Sie, aber freilich auch mit einem noch köstlicheren für uns, beschließen wollen! Wir werden Sie noch zu besitzen glauben; was weiß ich? ... noch ist nicht Alles verloren! und ich kenne den Charakter des Herrn Andreas nur zu gut, um in ihm nicht den würdigsten Anwalt unserer Sache und den sichersten Vertheidiger der Rechte jener unauflöslichen Freundschaft, die mich an Rosa bindet, zu sehen.« – Da ich sie so gestimmt sah, suchte ich dies zu benutzen, um mich mit ihr über die Art und Weise zu besprechen, in welcher wir Rosa alles dies beizubringen hätten, damit sie soviel als möglich über die Umstände, die ihr zu große Ueberraschung, Schreck oder Angst verursachen möchten, im Dunkeln bliebe, und wir waren endlich einverstanden, daß von morgen ab Gertrud beginnen sollte, sie schrittweis darauf vorzubereiten, damit sie die Ankündigung der Reise ertrüge und ihr endlich gefaßt entgegensehe, wie Gertrud selbst sich zwingen sollte, ihr mit gutem Beispiel, mit Hoffnung und Genugthuung darin voranzugehn.


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