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46.

Rosa kam auch, mich zu besuchen, obwohl ich sie, da ich sie leidend wußte, hatte bitten lassen, davon abzustehn. Sie schien mir schwach, sehr mager geworden zu sein und jeden Augenblick auf dem Punkte, in irgend eine vorübergehende Ohnmacht zu fallen. Nachdem wir von meiner Gesundheit gesprochen hatten, fragte ich nach der ihrigen, und da ich sie vielmehr traurig als beunruhigt über ihren Zustand gefunden hatte, so forderte ich sie auf, mir ihr Herz zu eröffnen. – »Ach«, antwortete sie mit der Schwermuth der Muthlosigkeit, »mein guter Herr Bernier, was nutzt es, Ihnen mein Herz eröffnen, es ist nichts mehr darin, selbst nicht einmal die Hoffnung!« – »Wie so, Rosa? wie ist es denn mit jenen Freuden, die Ihnen neulich die Hoffnung gab, Mutter zu sein?« – »Sie sind dahin«, antwortete sie, »mein Kind hat sich nicht mehr bewegt!« – Dann sich dem Weinen hingebend, sagte sie: »Wie könnte es auch von einer so verlassenen Mutter leben! sieht man denn verlassene Feigenbäume reife Früchte bringen? ... Keine Nachrichten von Ludwig! Ebensowenig von unsern Familien! Die Schlechten allein ...« Hier erstarb die Stimme Rosa's auf ihren Lippen, und sie neigte sich, ein Raub dumpfer Schmerzen geworden, bleich und mit geschlossenen Augen gegen Gertrudens Brust. Bei diesem Anblick sah ich voraus, daß sie unfähig sein würde, die Beschwerden der nahe bevorstehenden Reise auszuhalten; eine düstere Beängstigung bemächtigte sich meiner Seele.

Glücklicherweise wurde der Arzt, der mir seinen täglichen Besuch abzustatten kam, in diesem Augenblicke eingelassen, und ich bat ihn, sich sogleich um Rosa zu bemühen, deren Zustand ihm übrigens bekannt war. Nachdem er sie ausgeforscht hatte, und ehe sie noch auf seine Fragen hatte antworten können, gab er mir durch ein Zeichen zu verstehen, daß ihr Zustand bedenklich wäre; dann bat er sogleich Gertruden, ihm bei dem Hinüberschaffen derselben in ihr Zimmer behülflich zu sein, indem sie beide sie auf dem Stuhle, auf welchem sie saß, hinübertrügen; sie wollten sie dann, ohne sie zu entkleiden, auf ihr Bett ausgestreckt hinlegen, und wahrscheinlich würde ihre Ohnmacht sehr bald nachlassen. Gertrud beeilte sich dieser Aufforderung nachzukommen, und ich konnte sie, die diese traurige Fortschaffung bewerkstelligten, von meinem Bett aus beobachten. Hierauf gab meine Bestürzung dem Mitleiden Raum, und Thränen drangen unter meinen Augenlidern hervor.

Der Arzt kam bald wieder an mein Lager zurück und berichtete mir, daß die Ohnmacht wirklich schon gewichen wäre, daß Rosa jedoch, erstaunt, sich in ihrem Zimmer zu finden und einen Herrn an ihrem Bett zu erblicken, einen Augenblick lebhafter Scheu zu überwinden gehabt hätte; daß er ihr jedoch endlich hätte begreiflich machen können, wie nothwendig es sei, die Verordnungen eines sachverständigen Mannes anzunehmen; daß er, so gut als möglich, Fragen in verhüllter Form und unter dem Anschein einer freundlichen Theilnahme an sie gerichtet hätte, und so zu der Ueberzeugung gelangt wäre, daß ihr Zustand, obgleich er Vorsicht und Schonung verlangte, doch nichts Gefährliches zu erkennen gebe. Diese Worte beruhigten mich nicht wenig, und dennoch verschob ich es auf einen andern Zeitpunkt, mich dem Arzt über die Nothwendigkeit zu eröffnen, in der sich Rosa befand, sich nämlich auf eine Reise zu begeben, weil ich unaufhörlich hoffte, daß diese Nothwendigkeit durch die Ankunft ihrer Mutter oder irgend eines ihrer Verwandten, welche mein zweiter Brief veranlassen würde, aufs schleunigste zu ihrer Hülfe herbeizueilen, gehoben werden würde.


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