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Am folgenden Sonntage bestieg ich die Kanzel und hielt meine Predigt. Unglücklicherweise waren das schöne Wetter und ein militärisches Fest, welches fast die ganze Bevölkerung auf eine der Stadt nahe gelegene Wiese gelockt hatte, Ursache, daß ich an diesem Tage eine noch viel geringere Zuhörerschaft dort vorfand, als gewöhnlich. Diese bestand aus einigen Greisen, wovon die meisten harthörig waren, aus drei oder vier bejahrten Frauen, die sich um den Fuß der Kanzel gruppirt hatten, und aus meinen zwei jungen Freundinnen, deren Wegzeiger ich vor kurzem gewesen, und die hier in größerer Entfernung in dem leeren Chore unseres ungeheuren Domes allein saßen. Ich wurde fast verdrießlich, als ich sie dort erblickte; denn wenn es auch sehr wahr ist, was unsere göttliche Religion vorschreibt, man solle die Glücklichen auf das Unglück vorbereiten, weil es zugleich das Loos aller Kinder Adams und auch die Geißel ist, womit sie Gottes Hand zum Heile zwingt: so ist es doch nichtsdestoweniger peinlich, die Jugend auf die Unvermeidlichkeit des Unglücks hinzuweisen und durch zu frühzeitige trübe Ermahnungen jene Freude zu stören, die naturgemäßerweise in ihr sich geltend macht. Außerdem verbarg ich mir nicht, daß es die zufällige Erscheinung dieser beiden jungen Mädchen und der Eindruck, den dieselbe auf mich gemacht hatte, war, was mich veranlaßte, den Text zu ändern, und zwar dergestalt, daß es mir vorkam, als wollte ich, anstatt wie gewöhnlich Dinge von ganz allgemeiner Anwendung vorzubringen, mich gegen ihre berechtigte Heiterkeit auflehnen und ihnen ungerechterweise eine Sünde daraus machen. Sie hörten mir indeß mit gewissenhafter Aufmerksamkeit zu, ungeachtet des fernen Getöses von Kanonenschüssen und Fanfaren, das von Zeit zu Zeit meine Stimme übertönte.
Das Predigen ist eine so schwierige Kunst und von so zweifelhaftem Gelingen, daß, je länger ich es übe, ich um so mehr in meinem Gebet Gott um Verzeihung bitte, daß ich mich demselben mit so unzureichenden Kräften, als mir zu Theil geworden sind, gewidmet habe. Man sollte, um sich für einen wirksamen Prediger halten zu dürfen, durchaus mit der Fähigkeit, schnell Gedanken zu entwickeln, und mit hinreichend geläufigem Ausdruck begabt sein, um die Rede nur im Augenblick des Predigens selbst entstehn zu lassen, nachdem man mit Einem Blicke übersehen hat, was für Menschen, sie anzuhören, gegenwärtig sind, um solchermaßen im Stande zu sein, Belehrungen an sie zu richten, die ihrer Erscheinung und der Tragweite ihrer Einsichten angemessen sind. Ist das nicht der Fall, so bringt das Korn, mag es noch so gut sein, weil es nicht auf den rechten Boden fällt, keine Aehre und die Ernte des Herrn geht so durch die Unzulänglichkeit seiner eigenen Arbeiter verloren. Darum sehe ich auch darauf, daß mein Sohn ebensowohl im Denken als im Ausdruck geläufig wird durch Uebungen, die zu dieser Fertigkeit führen, und am Sonntagabend bemüht er sich, sowohl zu Hause, wenn es regnet, als auf dem Spaziergange, wenn wir uns an einem einsamen Orte befinden, über einen Text, den ich ihm gebe, vor mir zu predigen, und es glückt ihm, mit immer größerer Salbung und geringerer Anstrengung, darin stets mehr und mehr. Möge der gütige Gott seinen Segen über diesen jungen Menschen ausgießen, der meine einzige Freude ist, in Jesu Christo, unserm Herrn und Heiland! –