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Dreißigstes Kapitel

Über die Reiskultur

Gegenwärtig befinden sich im Banat Temiswar folgende Reisplantagen. Die erste und größte, 600 Joch haltende, wird vom Oberlieutenant Navatsky administrieret, gehört aber der Madam Jarzabeck eigentümlich; die zweite, von 500 Joch, gehört dem Herrn Secondo Limoni; die dritte, auch von 500 Joch, hat Herr Francesco Barbieri erst vor einigen Jahren vom höchstseligen Kaiser erhalten; und die vierte, von 150 Joch, ist dem Herrn Carlo Arisi, die ich ausführlicher beschreiben will.

Etwa eine halbe Stunde oberhalb Katai, nach dem Dorfe La Scuglie zu, wird das Wasser vermittelst eines zwölf Schuh breiten Hauptkanals aus der Bersava bis an die Reisfelder geleitet, wo zwei den ganzen Reisbau umgebende Nebenkanäle von ihm auslaufen, die sich wieder in verschiedene kleine teilen, welche sich durch das Innere der Reisfelder ziehen und mit dem Hauptkanal Gemeinschaft haben, um die entlegenen Kammern mit Wasser versehen zu können. Gleich beim Eintritte des Hauptkanals in die Reiskammern wird dessen Wasser durch einen Querdamm in die Höhe getrieben, damit es durch die auf beiden Seiten des Ufers angebrachten Öffnungen oder Einschnitte in die Kammern laufen kann, wo es immer aus einer in die andere rinnt, bis es wieder durch die Seitenkanäle in den Hauptkanal geleitet wird. Vor dem erwähnten Querdamm hatte der Kanal eine große Öffnung, durch welche die ganze übrige Wassermasse in einem halben Zirkel um den Damm herum wieder in gedachten Kanal fließt. Sobald nun das Wasser im Kanal. wieder tiefer läuft, als die an demselben angebrachten Öffnungen sind, durch welche es durchfließen muß, so wird es durch einen andern Querdamm wieder zur erforderlichen Höhe getrieben, und so wird bis zum Ende der Reisfelder fortgefahren, wo die Quer- und Seitenkanäle sich mit dem Hauptkanale vereinigen und die Pila (Stampfmühle) in Bewegung setzen. Die Aussaat des Reises geschieht im Banat gewöhnlich in der Hälfte des Aprils und wobei folgendergestalt zu Werke gegangen wird. Sobald die Kammern geackert und die Dämme wieder aufgeworfen sind, wird das Wasser hineingelassen, wozu oft vier bis sechs Tage erfordert werden, während welcher Zeit der Same in Säcke getan und mit solchen ins Wasser geworfen wird, wo er zweimal 48 Stunden liegenbleibt; dadurch wird der Same erwärmt, so daß er bald keimt, und zugleich durch das eingesogene Wasser schwer, damit er beim Säen sogleich untersinke. Sind nun die Kammern angelaufen, so gehen die, so ihn säen, hinein und werfen den Reis ebenso wie unsere Bauersleute ihr Korn aus, worauf einige, um die ausgestreuten Körner mit Erde zu bedecken, große Dornfaschinen darinne herumschleifen lassen, doch ist dieses nicht durchaus nötig. In Monatsfrist wird er gewöhnlich drei bis vier Zoll hoch, ist aber auch in dieser Zeit, in Ansehung des Windes, der größten Gefahr ausgesetzt; denn setzt derselbe durch heftiges Blasen das Wasser in starke Bewegung, so wäscht dieses die jungen, noch nicht eingewurzelten Pflänzchen los, so daß sie auf dem Wasser herumschwimmen und verderben; deswegen wird es um diese Zeit abgelassen, und bleibt der ganze Reisbau etwan vierzehn Tage ganz trocken; dieses verursacht, daß die Pflanzen einwurzeln und nichts mehr vom Winde zu befürchten haben. Nachdem solches geschehen ist, gibt man dem Reis das Wasser wieder, welches bis im Monat Juli darauf stehenbleibt, wo man es zum zweitenmal abschlägt, um den Reis jäten zu können; denn länger darf man nicht wohl warten, weil, sobald der Knoten etwas über der Erde erhaben ist, die Pflanze knicket, sobald sie beim Jäten niedergetreten wird, und sich nicht wieder erhebt. Ehe der Reis in die Blüte tritt, ist ihm eine kalte Witterung äußerst schädlich, weil die Ähre dadurch verhindert wird, durchzubrechen, worauf der Reis gewöhnlich dunkelgrün wird und verdirbt. Sobald als er gejätet ist, wird das Wasser wieder draufgeschlagen und bleibt bis zur Ernte stehen. Die Höhe des Wassers darf nicht immer gleichbleiben, und muß man sich sehr sorgfältig darnach richten, ob er dessen viel oder wenig braucht. Will sich der Reis überwachsen, welches man daran merken kann, wenn seine Blätter anfangen, dunkelgrün zu werden, so muß man denselben sehr tief unter Wasser setzen, welches seinem Wachstume Einhalt tut; sieht man im Gegenteil, daß es ihm daran fehlt, so kann man ihm dadurch zu Hülfe kommen, daß man nur so wenig darinnen läßt, um den Boden höchstens einige Zoll hoch zu bedecken; denn je geringer die Wassermasse ist, desto eher wird sie von der Sonne erwärmt und desto mehr trägt solches zum Wachstume des Reises bei. Noch vorteilhafter ist folgendes Mittel: Man läßt die Kammern ganz voll Wasser, verstopft dann alle Öffnungen, durch welche es ab- und zufließt, welches sodann in weniger Zeit in Fäulnis übergeht und also zwar dem Reis sehr zuträglich, aber der Luft außerordentlich schädlich ist und eben aus der Ursache, wo große Reisfelder sind, nicht geduldet wird. Wenn der Reis sehr dichte steht und man nicht wohl merken kann, ob wenig oder viel oder gar kein Wasser in den Kammern ist, so darf man nur eine Erdscholle oder Stein in diejenigen hineinwerfen, zu denen man nicht wohl kommen kann, wo das durch den Wurf verursachte Plätschern den Reisbauern sogleich verrät, wieviel darinne ist. Soll der Reis eine gute Ernte versprechen, so muß derselbe so aussehen, wie der Same bei anhaltender Dürre auf unsern Feldern, nämlich die Spitzen der Blätter müssen gelblicht sein, denn sobald sie dunkelgrün werden, ist es ein Zeichen, daß er verderben will. Ist nun der Reis zur Reife gediehen, welches im Banat gemeiniglich gegen das Ende des September geschieht, so wird das Wasser einige Tage vorher abgeschlagen, der Reis sodann geschnitten, durch Pferde ausgetreten und überhaupt wie ander Getreide behandelt. Es ist fast kein Produkt ergiebiger als der Reis; nicht selten findet man eine Pflanze von einem einzigen Korne, die dreißig, fünfunddreißig, bis vierzig Stengel treibt, deren jeder mit einer vollkommenen Ähre versehen ist, und eine gute Ernte entschädiget den Besitzer eines Reisfeldes für zwei bis drei Mißjahre. Im Jahr 1781 konnten wir aus Mangel des Samens nur fünfzig Joch mit Reis besäen; wir hatten eine sehr mittelmäßige Ernte, demohngeachtet bekamen wir 3229 Metzen. Da nun im Banat 1750 Joch oder 2 800 000 Klaftern Reisfelder sind, so folget, daß, wenn sie besäet werden, 113 400 hiesige Viertel geerntet werden können.

Sobald der Reis ausgetreten ist, wird er zum Weißmachen auf die Mühle gebracht. Diese gleichet einer Ölmühle, mit dem Unterschiede, daß anstatt zwei Stampfen nur eine in jedes Loch fällt und diese nicht in Holz, sondern in Marmor eingegraben sind, deren ein Marmor gewöhnlich zwei enthält; fünf bis sechs solche nebeneinander gestellte Steine machen eine mittelmäßige Mühle aus. Die Stampfen müssen ihr gehöriges Gewichte haben und sind unten mit fünf stählernen Zacken versehen, wovon die eine in der Mitte gerade, die übrigen aber schräge um dieselbe herumstehen. Die Stampfen dürfen weder zu tief oder zu hoch fallen, denn im ersten Falle werden die Körner zerschlagen, und im zweiten gehen die Hülsen nicht ab. Durch diese Reisfelder werden jährlich mehr als 2000 Walachen, Walachinnen und Kinder, welche letzteren zum Jäten gebraucht werden, beschäftiget und erhalten von Ostern bis zu Michaeli fünf, von Michaeli aber bis Ostern nur vier Gulden, so daß oft eine Familie vier bis fünf Gulden wöchentlich verdienen kann, welches für Walachen gewiß eine beträchtliche Summe ist.

Die große Ergiebigkeit des Reises hat mich bewogen, hier einige Jahre Versuche ins kleine zu machen, weil ich aber keinen andern Ort als im Stadtgraben, wo das neben der Mauer im Schatten hinfließende Wasser zu kalt war, und der Reis keine Sonne hatte, so konnte mir es nicht gelingen, ihn zur Reife zu bringen; demohngeachtet bin ich weit entfernt, zu glauben, daß er hier nicht gezogen werden könne; denn man hat bei Pest und in Braunschweig, welches letztere doch weiter gegen Norden liegt, Versuche gemacht, und er ist an beiden Orten zur Reife gediehen. Wir haben hier besonders zwischen Siebeleben und Tütleben eine sumpfichte Pläne, wo sich Versuche machen ließen, ohne daß man nötig hätte, Gräben zu ziehen und Dämme aufzuwerfen; allein es müßte von jemandem geschehen, der etwas daran wenden kann, ohne solches, im Falle es mißlingen sollte, zu fühlen.

Ich komme wieder auf den Reisbau zu Katai zurück. Kaum hatte ich hier ein Jahr zugebracht, als mir die unsichere Lebensart zur Last wurde, und ich würde den Schritt, meinen Militärdienst niederzulegen, unter jedem andern Bewegungsgrund als den, der mich dazu determinierte, bereut haben. Von der Lebensart, die man hier führt, will ich nur einiger Worte gedenken. Was Essen und Trinken anbetrifft, so hatten wir an allem Überfluß, zumal, wenn es die Wege zuließen, konnten wir uns das, was wir auf dem Lande nicht haben konnten, von Temiswar kommen lassen; allein was die Sicherheit betrifft, so mußten wir alle Augenblicke befürchten, von Räubern geplündert, gemißhandelt oder umgebracht zu werden. Zwar hatten wir zu unserer Sicherheit sechs Mann Wache bei uns, allein dieses waren selbst Walachen, auf die man sich eben nicht sonderlich verlassen kann. Deswegen wurden wir durch jedes bei der Nacht entstehende Geräusch in Furcht gesetzt, und ich erinnere mich, daß ich eine Zeitlang, weil die Räuber in einem nur eine Viertelstunde entfernten Dorfe eingefallen und sehr übel gehaust hatten, mein Nachtlager alle Nacht verändert und bald auf dem Boden, bald im Stalle, bald im Garten unter diesem oder jenem Baume geschlafen habe. Sobald sich nun in der Nacht etwas reget, so pflegt man sogleich aufzuspringen, sein geladen Gewehr in die Hand zu nehmen, ohne welches sich niemand niederlegt, und sich überhaupt so in Bereitschaft zu halten, als wenn man eine verlorne Post zu bewachen habe.

Hier machte ich das zweite Mal die Bemerkung selbst, daß auch die gefahrvolleste Lage eines Menschen durch Zeit und Gewohnheit viel von seinem Fürchterlichen verliert; denn so groß die Gefahr auch war, in der wir schwebten, so sprachen wir doch zuweilen ganz kaltblütig davon, ja der schon genannte Herr Oberlieutenant Navatsky hat sich oft über die Veränderung meines Nachtlagers lustig gemacht, weil, wie er sagte, mich mein kleiner Hund, der mich nie verließ, den Räubern durch sein Bellen verraten würde, und gleichwohl war nur wenige Zeit vorher der Lieutenant Jarzabeck in der nämlichen Stube von den Räubern erschossen worden.

Dieser Herr saß einst des Abends nebst seiner Frau ganz allein am Tische und las in der Legende der Heiligen, als ein Schuß durchs Fenster ihn am Kopfe verwundete; er stand auf, um durch die Tür hinauszulaufen, doch ehe er sie erreichte, fiel ein zweiter, der ihm zur linken Seite hinein- und zur rechten herausging, so daß er gleich auf der Stelle tot darniedersank. Man kann sich die Angst und Schrecken der Madam Jarzabeck vorstellen; sie sprang sogleich fort, um Hülfe für ihren Mann in dem über tausend Schritte von ihrer Wohnung entlegenen Dorfe zu suchen, weil sie glaubte, daß er noch Leben haben könnte. Sie traf die Räuber noch vor der Tür an, lief mitten durch sie hin, ohne die mindeste schlechte Behandlung von ihnen zu erfahren; da die Mörder auch nicht das geringste raubten, ohngeachtet sie nicht verstört wurden und beinahe nicht verstört werden konnten, so war allerdings zu vermuten, daß sie zu dieser Tat von jemandem erkauft worden waren.

Diese Lebensart wird nun gewiß niemand beneidenswert finden, wenn man gleich den Gaum mit allen möglichen Leckerbissen kitzeln kann; demohngeachtet leben eine Menge Menschen im Banat, die der Gefahr unterworfen sind, über kurz oder lang gemißhandelt oder erschlagen zu werden.


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