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Sechsundzwanzigstes Kapitel

Der Pope

Wie froh war ich nicht, als ich mich wieder in Mehadia bei meiner klaren Quelle befand, deren Wasser ich mit Wollust genoß, und es dauerte nicht lange, so stellte mich der geschickte Bataillonsfeldscher Körner zum zweiten Male wieder her, so daß ich nach wenig Wochen meinen Dienst bei der Compagnie verrichten konnte. Allein nach einigen Monaten hätte ich durch folgenden Vorfall bald mein Leben eingebüßt.

Wenige Tage vor der Musterung, wo schon alles Erforderliche fertig war, bekamen wir von Temiswar zwei Wagen Montierungsstücke, davon die Hälfte nach Schuppaneck abgegeben werden sollte.

siehe Bildunterschrift

Die Residenz des türkischen Paschas in Orsowa

Ohne Begleitung durfte sie der Hauptmann nicht fortschicken, und wollte er einige Mannschaft von seiner Compagnie mitgehen lassen, so mußte zuviel an den Musterlisten geändert werden. Er sagte mir also, daß, da ich bei ihm nur zugeteilt sei, so wäre es einerlei, ob ich die Musterung zu Mehadia oder Schuppaneck passierte, und bat mich, mit gedachten Montierungsstücken dahin abzugehen, weil sie auf diese Art keiner andern Begleitung bedürften. Nun hatten die Räuber den Tag vorher zwischen Döplitz und Schuppaneck einige Raitzen erschlagen, und es war zu vermuten, daß noch einige von ihnen in dasiger Gegend herumstreifen und bei dem geringsten Winde, den sie von diesen Kleidungsstücken erhielten, Jagd auf selbige machen möchten; und ich gestehe, daß ich nicht ganz ohne Furcht war; allein wer wird solche beim Militär merken lassen. Ich machte mich daher mit meiner schnellen Ochsenpost auf den Weg und ging sachte hinterher, um, im Fall sich Räuber sehen lassen sollten, mit ihnen zu kapitulieren oder mein Heil in der Flucht zu suchen, je nachdem es die Umstände an die Hand geben würden. Allein ich war kaum eine Stunde von Mehadia weg, als mir, anstatt der Räuber, ein starkes, mit Regen und Schloßen vergesellschaftetes Gewitter begegnete, welches ich, da ich den Wagen nicht aus den Augen verlieren durfte, bis nach Döplitz aushalten mußte. Da dieses das einzige jenseits der Szerna liegende Dorf ist, das man von Mehadia bis Schuppaneck antrifft, so nahm ich mir vor, in dem diesseits liegenden, dem Döplitzer Popen zugehörigen Wirtshause zu übernachten. Ich ließ also die aus funfzig Mänteln, dreihundert Röcken und ebensoviel wollenen Beinkleidern bestehenden Montierungsstücke abladen und bat den Popen, solche in seine Stube zu nehmen, weil die, so das Gastzimmer vorstellen sollte, weder Türen noch Fenster hatte, allein er schlug mir solches in allen Gnaden ab. Daß ich die ganze Nacht in den nassen Kleidern, ohne Bette und Feuer (denn außer Türen und Fenstern fehlte im Gastzimmer auch der Ofen) zubringen und mich vielleicht auch noch bestehlen lassen sollte, mußte mich natürlicherweise verdrießen; da ich nun überdieses nicht nässer werden konnte, als ich schon war, so hieß ich die Walachen die abgeladenen Montierungen wieder aufladen und nach Schuppaneck fahren. Es ist wahr, es regnete noch sehr stark, und die Szerna brauste mit gräßlichem Getöse über das mit Steinen von allerhand Größen besäete Flußbette hin, und der Walach brachte ein »Gospodi po milie« nach dem andern hervor; demohngeachtet fuhr ich in diesem Wetter, welches von hundert vielleicht neunundneunzig zurückgehalten haben würde, fort, allein es wäre mir auch bald sehr übel bekommen. Wir waren nämlich kaum aus dem Gebürge in die zwischen Döplitz und Schuppaneck liegende kleine Ebene gekommen, als neuerdings ein mit Schloßen vermischter starker Regenguß herabfiel und uns nötigte, unter den Wagen zu kriechen. Aber auch hier konnte ich mich nicht lange halten, denn das Wasser kam so stark den Weg herabgeschossen, daß es den Wagen fortzuschwemmen drohte. Da ich auch sahe, daß die vor mir liegende Brücke mit fortgerissen wurde, so war guter Rat teuer, wo wir uns hinwenden sollten. Vor uns hin zu kommen war durchaus unmöglich, und wollten wir das Gebürge gewinnen, so war zu besorgen, daß die Szerna den Weg überschwemmt habe. Ich wunderte mich, daß der Walache bei so augenscheinlicher Gefahr nicht die mindeste Furcht blicken ließ, sondern mich nur mit unverwandten Augen ansah, um zu hören, was er tun sollte; und er war außer sich für Freude, als ich ihm sagte, daß er umwenden und das Wirtshaus zu erreichen suchen möchte. Weil wir wieder ins Gebürge kamen, fanden wir den Weg schon hin und wieder mit fortgerollten Steinen, Sand und Kies angefüllt, und besonders lag an einer Stelle von letzterm so viel, daß wir kaum mit äußerster Mühe hindurchkamen; und kaum waren wir hinüber, so löste sich eine ganze Masse oben vom Gebürge los und bedeckte mit großem Geprassel eine ziemliche Strecke Wegs, so daß uns einige Minuten Verzug das Leben gekostet haben würden. Da wir das gedachte Wirtshaus erreicht hatten, war es schwer, über das aus dem davorliegenden Tale hervorschießende Wasser zu kommen, und der jenseits stehende Pope rief mir immer zu, mich nicht hineinzuwagen. Doch was war zu tun? Hinüber wollte und sollte ich, und weil wir auch einige Gewehre auf dem Wagen hatten, so nahm ich zwei davon, pflanzte die Bajonette auf, kehrte sie nach unten zu, und mich so auf dieselben stützend, kam ich glücklich hindurch. Der Walache setzte sich auf einen Ochsen und schwamm mit dem Wagen, ohne das mindeste im Wasser zu verlieren, herüber. Nun fand ich an diesem Popen einen ganz andern Mann; er selbst half den Wagen abladen und die Montierungen in seine Stube tragen, und sobald sich das Wasser ein wenig verlaufen hatte, ließ er Holz holen, Feuer machen und brachte meinem walachischen Fuhrmanne Sprinza Melai und Raki, welches er sich recht wohl schmecken ließ. Den Tag darauf mußten wir liegenbleiben, weil die Brücken erst gemacht und die Wege aufgeräumt werden mußten; und ohngeachtet schon mehr als zweihundert Wagen von dem Herabgefallenen weggeschafft worden war, so fanden wir doch beim Durchfahren noch ebensoviel liegen; und an drei Orten hatte das Wasser solche Höhlungen gerissen, daß wir den Wagen ebensovielmal abladen, zerlegen und stückweise hinübertragen mußten, welches aber beim walachischen Fuhrwesen eben keine große Mühe erfordert. Ich habe gesagt, daß den zweiten Tag die Brücken schon wiederhergestellt waren, und mancher könnte sich darüber wundern, weil der Brückenbau gewöhnlich viel Zeit wegzunehmen pflegt; allein die Walachen gehen sehr einfach damit zu Werke. Sobald zum Beispiel eine Brücke vom Wasser weggerissen wird (denn durch andere Zufälle leiden sie fast nie, weil sie das Wasser nie lange stehen läßt), so hauen sie einige Bäume um, versehen sie oben mit Zapfen, stellen sie ins Wasser oder in den Sumpf, legen hierauf zwei andere, die soviel Löcher als erstere Zapfen haben, dies- und jenseits so auf, daß die Zapfen in die Öffnungen passen; nun werden ohne weitere Umstände von Ästen entblößte kleine Bäume nebeneinander gelegt, und so ist die ganze Brücke fertig. Trifft man nun, wenn man über solche Brücken fährt, eben die Mitte, so geht die Sache gut, kommt man aber dem einen oder dem andern Ende zu nahe, so schlagen diese Hölzer um, und man läuft Gefahr, ins Wasser zu fallen; doch steigt man gewöhnlich in der Nähe von solchen Brücken vom Fuhrwerke ab.

In Ansehung der Brücken ist es im Banat da, wo keine Landstraßen sind, überhaupt schlecht bestellt; denn es gibt hin und wieder beträchtliche Bäche, wo nie oder doch äußerst selten eine Brücke angetroffen wird. Zwischen Mehadia und den Warmen Bädern findet man sehr selten eine Brücke über die Bellarega, ohngeachtet einem das Wasser bis über die Hüften reicht und so reißend ist, daß es die kleinen Steinchen unter den Füßen wegnimmt. Bei Slatina ist ein noch weit größerer Fluß, über dem nirgend eine Brücke für das Fuhrwerk und oft kaum Stege für Fußgänger angebracht sind.

Sobald die Musterung in Schuppaneck vorbei war, eilte ich wieder nach Mehadia, wo ich einen Brief von der Witwe des Adjutanten Vigna fand, in welchem sie mir meldete, daß sie das Graf Soroische Gasthaus am Wienertore nebst den daranstoßenden Zimmern in Pacht genommen und das Inventarium der vorigen Wirtin ablösen wolle; zugleich bat sie mich, im Falle es tunlich sei, auf einige Wochen nach Temiswar zu kommen, um ihr bei ihrer Einrichtung ein wenig mitzuhelfen. Ich schrieb daher sogleich an das Regimentskommando und bat um sechs Wochen Urlaub; weil mich aber der Hauptmann nicht gerne missen wollte, so mochte er solches verhindert haben, und ich bekam eine abschlägliche Antwort. Hierauf schrieb ich an meine Freundin, sich in Temiswar an den Grafen Soro zu wenden, welches sie tat, und in vierzehn Tagen bekam ich einen Brief von Madam Vigna und der Hauptmann einen vom Generalkommando, mit der Weisung, mich nach Temiswar abgehen zu lassen. Als mir der Hauptmann Nachricht hievon gab, sagte er dabei, daß ich gute Freunde in Temiswar haben müsse, wobei er mir einige Vorwürfe machte, daß ich seine Compagnie, ohne die geringste Ursache zu haben, verlassen wollte. Diese Vorwürfe waren gerecht, denn der würdige Offizier war nicht allein mein Vorgesetzter, sondern auch mein Gönner; und als ich ihm die Ursache erklärte, warum ich nach Temiswar gehen wollte, so war er sehr damit zufrieden und wünschte mir glückliche Reise, mit dem Zusatze, so bald als möglich wiederzukommen. Doch ehe ich diese Gegend verlasse, muß ich etwas von einer kostspieligen Wasserleitung melden, die sich in der Nähe von Mehadia befindet.


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