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Nachdem wir ans Land gestiegen waren, ging meine erste Sorgfalt dahin, die »Kaiserkrone« aufzusuchen und dessen Besitzer mein Empfehlungsschreiben einzuhändigen. Dieser Mann las es sehr geschwinde durch und sagte mir hierauf, daß er, da der Aufenthalt in seinem Gasthause mir wahrscheinlich zu kostspielig sei, dafür sorgen werde, mich zu einem Manne zu bringen, bei dem ich so sicher als in seinem eigenen Hause sein würde. Er ließ einen Mann kommen, mit dem er in gewissen Verhältnissen stand, und trug ihm auf, mich mit Wohnung und allen andern Bedürfnissen zu versorgen, wofür ich wöchentlich fünf holländische Gulden bezahlte. Hier gefiel es mir ganz gut, nur daß mir dazumal die allzu lange regelmäßige Andacht des Mannes, welche jedesmal vor und nach Tische eine ganze Stunde dauerte, etwas lästig wurde, weswegen ich auch nur einige Wochen bei ihm blieb. Bald nach meiner Ankunft zu Amsterdam ließ ich mir auf dem Ostindischen Hause die Bücher aufschlagen, da es sich denn ergab, daß die 125 Gulden, die der schon gedachte brave Mann meiner Mutter ausgezahlt hatte, kaum den fünften Teil des empfangenen Geldes ausmachten. Anfänglich wollte ich klagbar einkommen, erkundigte mich auch deswegen bei dem Rechtsgelehrten Herrn G –, welcher mir versprach, die Sache auszuführen; da ich ihm aber als ein Fremder fünfzig Gulden antizipieren sollte und überlegte, daß die Sache verjährt und sehr weitläufig sei, so ließ ich es dabei bewenden.
Bei meinem neuen Wirte, der ein Schwabe war, lernte ich verschiedene Leute kennen, die mit zur See gewesen waren. Mit diesen unterhielt ich mich oft über verschiedene die Seefahrt betreffende Gegenstände, die mir in der Folge nützlich gewesen sind. Da ich große Lust bezeugte, eine Seereise mitzumachen, aber keine praktische Kenntnis von der Schiffahrt hatte, weil ich nur einigemal über das Baltische Meer hinüber- und wieder herübergefahren war, so suchte ich mir wenigstens theoretische zu erwerben und benutzte jede Gelegenheit, wo ich etwas lernen konnte, um wenigstens nicht als Matrose oder gemeiner Soldat mitzufahren; und es gelang mir insoferne, daß ich als Bottelier auf einem nach Marokko bestimmten Kriegsschiffe angenommen wurde.
Mein Dienst, den ich nun zu verrichten hatte, bestand darinne, daß ich auf die Vorratskammer achthaben und darauf sehen mußte, daß bei dem Essen nichts zugrunde ging oder verdarb. Des Morgens bekam das Schiffsvolk in bloßem Wasser gekochte Graupen, dazu aber alle Wochen einige Pfund Butter und Käse, erstere, um ihr Frühstück damit zu schmalzen und den Käse zum Vesperbrot zu speisen. Die meisten bestreichen solchen mit Butter, essen ihn zum Frühstück und Vesperbrot und lassen die Graupen zum Besten des Schiffs in der Küche oder Vorratskammer; denn selten essen mehr als der vierte Teil des Schiffvolks von diesen Graupen. Das Mittagsmahl bestand im Anfang unserer Reise mehrenteils in grauen Erbsen mit Speck, allein in der Folge wurde auch Stockfisch und zuweilen Reis aufgetragen; der Schiffskoch mußte allemal lieber etwas mehr als weniger ansetzen, denn es darf durchaus nicht fehlen; bleibt aber etwas übrig, so wird es zur kommenden Mahlzeit verwendet. Meine Schuldigkeit erfoderte, eine Stunde vor dem Essen im Schiff herumzugehen und die Mannschaft zu fragen, wieviel sie zu essen begehrte; da nun gewöhnlich acht Mann zusammen speisen, welche Tischgesellschaft auf den Schiffen ein Back heißt, so tritt solche bei oder vor Ankunft des Botteliers zusammen, wo einer den andern fragt, ob er viel oder wenig essen wolle, hiernach richten sie sich und begehren vier, fünf, bis sechs Portionen, denn acht volle würden sie nicht verzehren können. Die Zahl der Portionen und die Nummer des Backs wird nun mit Kreide an die hölzernen Schüsseln geschrieben, woraus sie essen und so beschaffen sind, daß man solche bei stürmischem Wetter aufhängen kann, hierauf eine in die andere gesetzt und dem Koch gebracht. Dieser hat einen großen, eine gute Portion haltenden Löffel, tut derer soviel hinein, als an den Schüsseln angemerkt sind, und setzt eine neben die andere hin. Nun wird zum Essen gerufen, worauf jedes Back einen hinschickt, der nach der Nummer seiner Eßgesellschaft sieht und seine Schüssel abholt. Unterdessen daß das Gemüse verzehrt wird, richtet man den Speck an; allein hier muß allemal der Offizier von der Inspektion gerufen werden. Dieser besieht alle Schüsseln, worin der Speck angerichtet ist; ein Mann mit einer Mulde voll gekochten Speck folgt ihm nach; findet nun der Offizier, daß die acht Portionen, so daraus gemacht werden müssen, zu klein ausfallen möchten, so läßt er noch ein oder nach Befinden mehrere Stücke darzulegen. Darauf wird zum Fleischabholen gerufen, bei welcher Gelegenheit ich mehrmalen gesehen habe, daß einige von den Mitgliedern ein Stück davon entwendet und in ihre weite Beinkleider verborgen haben. Des Abends bekommen sie das nämliche Gemüse, doch ohne Speck, aber gut geschmalzt. Nun ist es, wie gesagt, die Pflicht des Botteliers, darauf zu sehen, daß die Leute nicht mehr zu essen begehren, als sie würklich verzehren können. Deswegen trägt fast jeder einen Tau bei sich, mit welchem sie denen, die sich in Ansehung dieses Punktes etwas zuschulden kommen lassen, eine Erinnerung zu geben pflegen. Dieses hatte ich als den einzigen Umstand, der mir bei meinem Dienste mißfiel, unterlassen, weil ich ohnedem glaubte, daß, wenn auch aus Versehen eine halbe Portion graue Erbsen verdürbe, doch der Republik Holland nicht der geringste Schade daraus entstehen würde; ob es gleich überhaupt genommen gut ist, wenn darauf gesehen wird, daß das Schiffsvolk nicht mehr zu essen begehre, als zu Stillung ihres Hungers hinreichend ist; denn auf den Schiffen hat man keinen Markt, die Bedürfnisse des Lebens zu kaufen, wenn solche fehlen. Ich war schon einigemal von dem diensthabenden Offizier erinnert worden, einen Tau bei mir zu tragen, glaubte aber, daß es nichts zu bedeuten hätte; allein als mir der Kapitän einstens deswegen ein »Godomi marplexoms Jong« an den Hals warf, so machte ich einen Tau an meinem Rocke fest und erhielt nun, da ich es immer bei mir hatte, einen Lobspruch wegen meines Diensteifers für das Wohl der Republik. Was den Trunk anbetrifft, so hatte die Mannschaft hinlänglich Bier zu trinken, solange nämlich das mitgenommene dauerte; ja es wurde ihnen nicht einmal zugemessen, sondern ein großes Faß, dessen Deckel man auf- und zumachen konnte, war mit eisernen Reifen oben am Verdeck festgemacht, woran mehrere Becher hingen; wer nun Durst hatte, ging die Treppe hinauf, schöpfte sich und trank nach Belieben; ja manche, die zu bequem waren, die Treppe zu steigen, und doch oft vom Durst heimgesucht wurden, setzten sich neben das Faß hin, um es desto näher zu haben. War es nun leer, so meldete es der erste, so nichts mehr schöpfen konnte, worauf ich ein andres aus dem Raume nehmen und es wieder anfüllen ließ. Mit dem Wasser, welches alle Tage zum Kochen ausgegeben wurde, ging man so ratsam um, daß der Wasser- Bottelier den gemessensten Befehl hatte, niemanden welches nehmen zu lassen, und diesen Befehl befolgte er auch genau, den Fall ausgenommen, wenn er wußte, daß jemand unpäßlich war. Unten, wo das Wasser aus dem Raume gepumpt wurde, stand eine Schildwache bei der Öffnung, wo es aufs Verdeck gereicht wird, eine zweite und bei der Küche eine dritte, welche alle des Unterschleifs wegen da standen. Für die Reinlichkeit des Schiffes mußten die Quartiermeister sorgen, welche es auf folgende Art scheuern ließen. Man hatte altes Netzwerk an lange Stangen befestigt, diese wurden an einem Tau ins Meer geworfen; sobald es Wasser gesogen hatte, wurde es herausgezogen und auf dem Verdecke herumgeschleift; war der Schmutz auf diese Art erweicht, so nahmen andere krumme eiserne Scharren, um ihn loszukratzen; hierauf wurde wieder mit nassen und dann mit trockenen Netzen darüber her gefahren, bis das Verdeck ganz rein wurde. Indes wurde dieses Verfahren auf der See nicht so oft wiederholt, als wenn wir bei irgendeinem Orte vor Anker lagen. Woran ich mich aber nur mit vieler Mühe gewöhnen konnte, war das Schlafen in den Hangematten; diese Hangematten sind folgendergestalt beschaffen. Was eigentlich das Bette ausmacht, ist ein langes Stück grobes leinenes Tuch, an dessen Enden viel kleine Taue befestigt und durch zwei muldenförmige Hölzer gezogen sind, die nachgehends am Ende, wo sie mit einem eisernen Haken versehen sind, zusammenlaufen. Jeder hat seine eigenen Nägel, welche gewöhnlich über seiner Kiste angeschlagen sind, woran er seine Hangematte des Abends befestigt. Legt man sich nun hinein, so ziehen sich die Taue straff an, wodurch das Tuch auch muldenförmig wird. Legt man sich aber nicht genau in die Mitte, so schlägt das Bette um, und man purzelt heraus. Diese Hangematten müssen alle Morgen heruntergenommen, zusammengelegt und zwischen die Mastbäume eine auf die andere gelegt werden, um des Tages im Raum mehr Licht und Platz zu haben. Wir trafen auf unserer Reise keinen Feind an, denn kaum hatten wir die marokkanischen Gewässer erreicht, so wurden wir vom Friede benachrichtigt. Demohngeachtet konnte ich mir eine kleine Vorstellung machen, als die Kanonen, deren unser Schiff siebzig führte, bei der Gelegenheit, da die Generalstaaten Musterung hielten, auf beiden Seiten gelöst wurden. Nachdem die Kanonen abgefeuert sind, fahren sie auf zwei Schuhe zurück, der Konstabler nimmt hierauf die Patrone, setzt sich reitend auf den Lauf der Kanone, kriecht durch die Öffnung, durch welche der Lauf der Kanone gehet, ladet sie so von außen und kriecht wieder rückwärts ins Schiff, worauf dann die Kanone durch zwei Taue, welche an der Lafette befestigt und durch am Bord befindliche Ringe gezogen sind, wieder vorgeschoben wird. Mit der Friedenspost hatte unser Kapitän auch andere Verhaltungsbefehle erhalten, vermöge welcher wir nach Indien segeln mußten. Wir fuhren daher in Begleitung eines andern Kriegsschiffes dahin, wo wir nicht ohne Gefahr Malakka als unsern Bestimmungsort erreichten. Diese von Holländern, Mohren, Muhametanern, Portugiesen und andern Nationen bewohnte Stadt liegt auf der südlichen Spitze der großen Halbinsel, jenseit des Ganges, in einer so niedrigen Lage, daß man glauben sollte, sie müsse schon lange vom Meere verschlungen sein. Nicht länger als sechs Wochen hatten wir da zugebracht, als wir in Gesellschaft einiger Kauffahrer, denen unser Schiff zur Begleitung diente, die Rückreise nach Europa wieder antraten. Unterwegs nahmen wir bei den Antillen das letzte frische Wasser ein, welches aber, noch ehe wir den Tagus erreichten, so stinkend wurde, daß man es nur mit Ekel genießen konnte. Ich weiß nicht, ob unser Kapitän mit dem Kriegsschiffe nicht in den Hafen von Lissabon einlaufen wollte oder nicht durfte, denn er ankerte neben einigen Kauffahrern, die nicht nach gedachter Stadt fuhren, bei dem nur eine Meile von Lissabon liegenden Flecken Belem, wo wir uns mit frischem Wasser und recht weißem Zwieback versahen, sodann wieder unter Segel gingen und unsern Weg gerade nach Holland nahmen, wo wir nach einer neunzehnmonatlichen Reise wohlbehalten ankamen. Im Anfange zweifelten viele von meinen Bekannten, daß ich eine lang anhaltende Seereise würde ausdauern können; teils, weil ich nie einen Tropfen Brandewein in meinen Mund gebracht hatte, und noch bis jetzt nicht; teils, weil es mir durchaus unmöglich ist, Tabak zu rauchen, und noch weniger, welchen im Mund zu nehmen; allein ich legte die Reise so glücklich zurück, ohne daß ich von dem mitgenommenen Tabak und Brandewein einen andern Gebrauch gemacht hatte, als selbigen auf der See, und vorzüglich den letzten Artikel, teuer verkauft zu haben. Sobald ich mein gutgemachtes Geld, welches nach Abzug des Vorschusses in 246 Gulden bestand, erhalten, auch einige Dukaten für Tabak und Brandewein gelöst hatte, so nahm ich mir nun vor, etwas anzuwenden, die vornehmsten holländischen Städte zu besehen. Ohngeachtet schon soviel davon geschrieben ist, so möchte ich doch auch gern etwas weniges von dem auskramen, so ich gesehen habe; denn es hat mir doch manchen Reiter gekostet. Also etwas von der Hauptstadt.