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Sechstes Kapitel

Der Aalfang

Wäre der Überfluß, den die Stadt Stralsund und die nicht weit davon entfernte Insel Rügen an allem und vorzüglich an Fischen genießt, nicht allgemein bekannt, so hätte ich hier sehr vieles sagen können. Die Fische sind so wohlfeil, daß sich eine Familie von vier bis sechs Personen für einen Groschen überflüssig sättigen kann. Bei einer gewissen Gelegenheit habe ich selbst einen Hecht von 35 Pfund für zwölf Schillinge gekauft. Die frischen Heringe sind so niedrigen Preises, daß man oft das Wall (achtzig Stück) um einen Schilling kauft, ja wenn ihrer viel vorhanden sind, so zählen sie solche gar nicht, sondern messen sie bloß mit hölzernen Schaufeln, welche den hiesigen Wurfschaufeln sehr gleichen. Es ist wahr, daß sie nicht immer so wohlfeil sind, denn wenn die ersten kommen, so werden drei bis sechs, sodann zwanzig, dreißig, vierzig, bis zu achtzig für einen Schilling verkauft. Die Heringe werden gewöhnlich von den Hornfischen, deren es an den Küsten des Baltischen Meers eine ungeheure Menge gibt, verdrängt; denn sobald die Fischer einige von den letztern fangen, so ist's ein sicheres Zeichen, daß sich die Heringe entfernen. Die Hornfische sind ebenso wohlfeil als die Heringe, denn ein solcher Fisch, der oft über eine Elle lang und so dick wie ein Arm ist, wird gewöhnlich mit einem Sechsling (drei Pfennige) bezahlt, ja ich weiß, daß welche für einen Witten (¼ Schilling) verkauft worden sind. Diese Gattung Fische hat aber für manchen, in Ansehung des Kopfes, welcher mit einem langen Horn versehen ist, und wegen seiner grünen Gräten, etwas Widriges; doch wird der Kopf niemals mitgesotten, sondern weggeworfen. Man sieht daher zu der Zeit, wenn diese Fische gegessen werden, alle Winkel der Stadt mit solchen Hornfischköpfen, welche die Eigenschaft haben, bei Nacht wie faules Holz zu glänzen, angefüllt. Außer den Heringen und Hornfischen sind die Flunnern, Plötzen, Barsche, Kaulbarsche und Hechte die gewöhnlichsten. Was die geräucherten Fische betrifft, welche in Aalen, Flunnern und Heringen bestehen, so sind solche auch nicht teuer; von den letztern hat man zweierlei Gattungen, nämlich Spöckheringe und Flöckheringe, wovon jene unsern Pöcklingen gleichen, diese aber voneinander gespalten sind, so daß sie nur an der Haut des Rückens noch zusammenhängen. Diese letztern sind weit schmackhafter als jene. Ein geräucherter Aal von einer ziemlichen Größe kostet gewöhnlich einen Witten, und es ist eine Lust zu sehen, mit welchem Appetit die gemeinen Soldaten und Strandträger solche auf öffentlicher Straße verzehren. Da ich mich während meinem dasigen Aufenthalte oft mit dem Aalfange belustigt habe, so will ich einige Worte davon erwähnen. Im Winter läßt man ein etwa eine Elle im Diameter haltendes Loch ins Eis hauen, nimmt hierauf eine lange Stange, an deren Ende ein übers Kreuz gehendes Holz oder Eisen, so auf allen Seiten mit spitzigen Haken versehen, befestigt ist. Auf dieses legt man nun etwas Lockspeise, läßt es bis auf den Grund ins Wasser und zieht es, nachdem man einige Zeit gewartet hat, sehr schnell heraus, wo denn nicht selten eine Mandel Aale an den Haken hangen bleibt. Im Sommer säen einige ganz nahe am Strande Erbsen, welche, wenn sie aufgehen und noch jung sind, des Morgens, wenn noch alles vom Tau naß ist, von den Aalen aufgesucht werden. Diese zu fangen wird demnach, aber noch vor Aufgang der Sonne, zwischen dem Erbsenstück und dem Strande eine breite Furche gezogen, über welche (da das aufgeworfene Erdreich trocken ist) die im Erbsenstück befindlichen Aale nicht setzen. Man wartet hierauf, bis durch die Sonne alles trocken wird, gehet dann hinein und greift die Aale, so wie ehemals die Kinder Israel die Wachteln in der Wüste, mit den Händen.


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