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Um auf mich selbst zurückzukehren, so wünschte ich mir kein besseres Leben unter der Sonne; denn da ich einmal das Ratrumwendreter, Stellpakas, Musketpax Schwedische Kommandowörter. und dergleichen gelernt hatte, so machte mir mein Dienst viel Spaß, besonders wenn Nummer Et Wenn die Mannschaft Nummer Et marschierte, so mußte solche allemal eine ganze Minute auf einem Beine stehen und das andere ebenso lange vorwärts in die Höhe halten, damit sich der Mann angewöhnen sollte, beim Marschieren fest und gerade zu gehen. Trug sich's aber zu, daß einer, wegen Ungewohnheit der Sache oder ungleichem Erdreich, von der Linken zur Rechten wankte oder gar fiel, so warf ein solcher seinen auf einem Beine stehenden Kameraden und dieser den folgenden um, so daß oft zwanzig bis dreißig wie Kartenblätter umfielen. Diese Art zu marschieren nebst den langen Degen, welche die Mannschaft im Manövrieren hinderten, wurden von dem Reichsrat von L – abgeschafft. marschiert wurde. Denn als Rottmeister hatte ich einen sehr bequemen Dienst und aus einer zweiten Ursache Zutritt in mehr als einer artigen Gesellschaft. Auch die Unteroffiziersuniform gefiel mir; diese ist derjenigen der Oberoffizier' völlig gleich, und nur ein gelbes Band am Hute, nebst einem Offiziersportepee, unterschied die letztern von erstern. Endlich floß mir auch durch den nämlichen Kanal, dem ich meine Charge zu verdanken hatte, von Zeit zu Zeit soviel Geld zu, um ganz gut leben zu können. Diese angenehme Lage, welche mir eine glückliche Zukunft versprach, hatte aber kaum acht Monate gedauret, als mein ganzes Glücksgebäude durch folgenden Zufall vernichtet wurde.
Eines Tages befand ich mich nebst einigen andern Unteroffizieren an einem öffentlichen Orte, wo wir uns mit einer Partie Tarock unterhielten; wir hatten zufälligerweise italienische Karten, und ein gewisser Feldwebel Sta – nahm daher Anlaß, einigemal eine Vergleichung zwischen mir und dem Pagat Wer weiß, was der Pagat auf der italienischen Karte vorstellt, wird leicht begreifen, worin die Vergleichung bestanden habe. zu machen. Anfangs lachte ich über seine Bonmots, als ich aber merkte, daß er die Absicht hatte, sich über mich lustig zu machen, so sagte ich ihm, daß ich mir ferner allen Scherz dieser Art ernstlich verbitten müsse. Dieser Sta –, der überhaupt ein unruhiger Kopf und gewohnt war, überall den Ton anzugeben, trieb aber die Sache immer weiter, so daß meine Kameraden, die meine Nachgiebigkeit ohnedem schon übel auslegten und mich für zu zaghaft hielten, es mit ihm aufzunehmen, anfingen, mir sehr zweideutige Blicke zuzuwerfen. Ich stand also auf, bat einen andern, meine Karten zu nehmen, ging mit der Versicherung, in einer Viertelstunde wiederzukommen, an den Ort, von dem mir alle Hülfe kam, und bat um einen guten Rat, wie ich mich unter solchen Umständen zu benehmen hätte. Ich erhielt zur Antwort, mich durchaus nicht mit dem gedachten Sta – in Weitläuftigkeiten einzulassen, ja nicht einmal in die Gesellschaft zurückzugehen, sondern diese Vorkehrung wurde getroffen, daß mich jemand auf Befehl des Majors An– daselbst suchen und dabei sagen mußte, daß ich mich augenblicklich nach Eskoton einschiffen müßte, welches auch würklich geschah, und ich kehrte erst nach fünf Monaten nach Stralsund zurück. Doch dieses alles brachte für mich eine ganz entgegengesetzte Würkung hervor; denn anstatt daß die Sache vergessen werden sollte, so mochten meine Kameraden mich während meiner Abwesenheit dem oftgedachten Sta – als einen furchtsamen Hasen geschildert haben; weil er gleich nach meiner Zurückkunft in mein Quartier kam, im Zimmer herumbramarbasierte und mir den Antrag tat, des andern Morgens mit ihm vor das Trebseer Tor zu gehen. Diesen Schritt konnte ich, ohne das Märchen der ganzen Garnison zu werden, nicht wohl vermeiden; denn hätte ich auch den ersten Weg einschlagen wollen, mußte ich doch Stralsund wieder verlassen, und damals war mir alles eins, gedachten Ort oder unsern Planeten zu meiden. Es war schon gegen Abend, und mein Unstern wollte, daß m – G – sich nicht in Stralsund befand; ich brachte daher noch denselbigen Tag meine Sachen in Ordnung, schrieb einen Brief nach W –, legte mich zu Bette und schlief wider alles Vermuten recht gut. Des andern Morgens ging ich nebst einigen guten Freunden versprochenermaßen vor das Trebseer Tor. Hier fand ich den nun zum letzten Male nennenden Sta–, und ich kann nicht sagen, wie sein Anblick auf mich würkte. Den Mann vor mir zu sehen, der mich um alles bringen wollte, was ich damals Schätzbares auf der Welt hatte, und das mußte ich verlieren, die Sache mochte ausfallen wie sie wollte, brachte mich dermaßen in Zorn, daß ich kaum die Zeit erwarten konnte, ihn zu überzeugen, daß er mich mit Unrecht für einen feigen Mann gehalten hatte; und in der Tat dauerte es nicht lange, so wurden die Umstehenden inne, daß er sehr übel getan hatte, meine Nachsicht für Furchtsamkeit zu halten.
Nach diesem Vorfalle warf ich mich in meinen Überrock, nahm meine Kokarde vom Hute, steckte dafür eine Greifswalder Burschenschleife darauf und nahm meinen Weg nach dem Sülzer-Moor zu. Kaum war ich eine Stunde gegangen, als mir ein ganzer Trupp armer Leute begegnete, die mich um ein Almosen baten; ich gab ihnen also im Vorbeigehen eine Gabe, und da es einige Schillinge sein mochten, so dankte mir der ganze Haufe, mit dem Zusatze: auch fleißig für mich zu beten. Ich wandte mich hierauf um, gab ihnen alles Geld, das ich hatte, und behielt nur eine einzige Krone für mich. Diese guten Leute weinten für Freude, weil sie vielleicht noch nie ein ähnliches Almosen auf öffentlicher Landstraße erhalten hatten, und wünschten mir tausend Glück auf den Weg; worauf ich ihnen aufrichtig gestand, daß ich es brauchen könnte, und meinen Weg eilfertig fortsetzte. Gegen Abend erreichte ich das Sülzer-Moor, welches außer dem gewöhnlichen Wege außerordentlich gefährlich zu passieren ist; denn man trifft bald Strecken von achtzig bis hundert Schritten weit voller Torfgruben an, die sich oben wieder zuschließen, wenn jemand das Unglück hat, hineinzufallen. Zuweilen kommt ein Strich fester Boden, bald wieder Morast und überschwemmte Plätze, und diese Abwechslung reicht bis jenseits des durchs Moor fließenden tiefen Flusses Recknitz. Hier entstand nun die bedenkliche Frage, wie ich hinüberkommen sollte. Denn kaum hatte ich einige Schritte vorwärts gewagt, als ich auch gleich bis an die Lenden hineinsank. Ich ging hierauf in das der Stadt Marlow geradeüber, dicht am Moor liegende Dorf, wo mir eine gutgekleidete Frau begegnete, welche ich fragte, ob sie den Weg bis nach Marlow wisse. Sie nahm mich mit in ihre Wohnung, welches die Schule war; von da aus zeigte sie mir den rechten Weg, den ich aber für dieses Mal nicht nehmen konnte; denn mitten auf dem Moor steht das Grenzhaus, wo jeder von der schwedischen Seite kommende Reisende seinen Paß aufweisen muß, der mir fehlte. Ich frug sie hierauf, ob nicht noch andere Wege hinübergingen, die etwa näher wären, und erhielt zur Antwort, daß kein andrer gangbar sei und daß es nur die Überläufer wagten, sich der halb versunkenen und überschwemmten Wege anzuvertrauen. Sie ging die Anhöhe mit hinunter und brachte mich auf den rechten Weg; doch ließ ich mir den andern, der nach ihrer Meinung von den schlimmen noch der beste wäre, auch zeigen, und diesen schlug ich, sobald sie mich verlassen hatte, ein; allein ich sah sehr bald die Unmöglichkeit, auf diese Art hinüberzukommen. Ich ging also wieder zurück, schnitte mir einen langen, unten mit einer dreizackigen Gabel versehenen Stock ab, raffte einiges dünne Gesträuche und Schilf zusammen, wovon ich zwei kleine Faschinen machte, die ich mit meinen Strumpfbändern so zusammenband, daß ich das eine Ende des Bandes in der Hand halten und die Bündel hinter mich herziehen konnte. Hierauf begab ich mich wieder auf den Weg, und wenn ich nun zitternde Torfgruben fand, so legte ich eine von diesen Faschinen vor mich hin, trat mit dem einen Fuße darauf, suchte mit der Gabel des Stocks einiges Gras oder Wurzeln zu fassen, und während daß die erste Faschine zu sinken anfing, warf ich die zweite vor mich hin, trat mit dem andern Fuß darauf, stützte mich auf meinen Stock, und auf diese mühsame und gefahrvolle Art mußte ich oft funfzehn bis zwanzig Klaftern weit fortschreiten. Mitten auf diesem Moor traf ich den Weg (denn es war im Herbst) wohl auf hundert Schritte ganz unter Wasser an. Hier verweilte ich ein wenig und sahe mich um, wurde aber niemanden gewahr, welches mir teils lieb war, denn es hätte doch jemand kommen können, den ich nicht gern gesehen haben würde, teils war mir es leid, niemanden um Rat fragen zu können, wie dieses neue Hindernis zu übersteigen sein möchte. Anfänglich wollte ich diese Wasserfläche, die sich ziemlich weit in die Breite ausdehnte, umgehen, nach reifer Überlegung fand ich aber, daß dieses noch gefährlicher sei, weil ich, abgerechnet, daß ich viel üble Torfgruben hätte antreffen können, vielleicht gar den Weg aus den Augen verlieren konnte, welches mich in die äußerste Gefahr gesetzt haben würde. Ich untersuchte also mit dem Stocke sowohl die Tiefe des Wassers als auch den Boden selbst und fand, daß ersteres nicht viel über 1½ Ellen tief und der Weg mit Brettern und Steckenholz belegt war, auf welchen Steine lagen, die wahrscheinlich durch ihre Schwere das Holzwerk versenkt hatten. Nichts blieb mir hier übrig, als hindurchzugehen oder einen Umweg um das Wasser zu nehmen. Doch hielt ich die vor Augen habende Gefahr für geringer als die, so ich auf dem andern Wege hätte antreffen können, und ging hinein. Ich fand Schritt vor Schritt Steine liegen, die ich allemal mit dem Stocke aufsuchen mußte; schon war ich bald hindurch, als ich einen sehr spitzigen antraf; da ich ihn nun unter dem Wasser nicht sehen konnte, so trat ich fehl, wankte und war auf dem Punkt, um hineinzufallen, so daß ich mich vermittelst des Stocks nur mit vieler Mühe noch erhielt. In diesem Augenblick fielen mir die Worte der mir unterwegs begegnenden armen Leute ein, denn wenn auch gleich bei den meisten ihr »Ich will ein andächtiges Vaterunser für Sie beten!« bloße Gewohnheit ist, so glaube ich doch, daß es einige würklich tun und daß ein solches, wo nicht besser, doch ebenso gut ist als derjenigen ihres, so es auch fürs Geld und oft recht mechanisch herbeten. Genug, diese Gedanken fielen mir damals ein, und mit selbigen kam ich nicht allein glücklich durchs Wasser, sondern auch bis an die Recknitz. Hier verweilte ich ein wenig, nicht sowohl um auszuruhen, als vielmehr der Vorsehung für die überstandene Gefahr zu danken; denn wenn auch gleich die Andacht nicht allemal in mir rege wird, wenn der Türmer die Glocken anzieht, der Schneider ein neues oder, wie es bei einem Iris mehr der Fall ist, ein umgewendetes Kleid bringt, so ist doch gewiß niemand mehr von dem Dasein eines ewigen Wesens und der alles lenkenden Vorsehung und der Pflicht, dieselbe zu verehren, überzeugt als ich; und vielleicht gibt es wenige, bei denen sie sich so deutlich bewiesen hat als bei mir. Als ich mich, wie gesagt, am Ufer des Flusses ein wenig aufgehalten hatte, rufte ich dem Fährmann, um mich überzusetzen; allein ich erstaunte nicht wenig, als dieser erschien, weil er mich den Augenblick erkannte. Dieser Mann hatte nämlich viele schwedische Deserteurs über den Fluß gebracht; als dieses in Stralsund bekannt wurde, schickte der Oberste Höpper einige Vertraute dahin, um zu sehen, ob er sie überfahren würde, wenn sie sich für Überläufer ausgäben, in welchem Falle sie ihn arretieren und mit zurückbringen sollten. Da er nun keine Schwierigkeit machte, sie alle überzusetzen, so brachten sie ihn mit nach Stralsund. Doch wußte er sich ziemlich herauszuwickeln und bekam keine andere Strafe, als daß er drei Monate auf der Hauptwache sitzen und selbige reinigen mußte. Weil ich nun gewöhnlich meine Wache auf der Hauptwache nahm, so hatte er mich oftmals daselbst gesehen. Er stutzte gewaltig über meine Greifswalder Studentenschleife und sagte: »Ob ich gleich sehe, daß etwas Ungewöhnliches vorgefallen sein muß, so will ich Sie doch ohne alle Schwierigkeit übersetzen.« Er hielt sein Wort und tat sehr wohl daran; denn im Weigerungsfall hatte ich den nämlichen Entschluß gefaßt als der Herr Baron von Trenck bei einem fast ähnlichen Vorfalle an der polnischen Grenze.