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Florenz führt unter den italienischen Städten mit Recht den Beinamen die schöne. Ihre Lage ist vortrefflich; ringsherum ist sie mit fruchtbaren Hügeln umgeben, welche sich nach und nach zu Bergen erheben. Wenn man auf einem Turme steht, so geben die übereinander aufsteigenden Reihen von Häusern, deren 10 000 an der Zahl sind, und der durch die Stadt strömende Arno eine der schönsten Aussichten. Auf dem Platze des alten Palastes befinden sich eine große Menge Statuen, worunter David, die schöne entführte Sabinerin, Perseus, Herkules und Cosmus vorzüglich schön sind. Das einzige, warum ich nach Florenz ging und welches man in einem prächtigen achteckichten Saale des Palastes Pitti sieht, will ich nur anmerken. Dieses ist nämlich die weltberühmte Mediceische Venus; sie ist von weißem Marmor, etwas über fünf Fuß hoch, den Kopf hält sie ein wenig nach der linken Seite, die rechte Hand vor den Busen, und mit der linken bedeckt sie den schönsten Teil ihres Leibes, doch ohne ihn zu berühren, und setzt dabei das rechte Knie ein wenig vor. Hatte diese Statue für mich soviel Reizendes, was muß nicht ein Kenner dabei fühlen? Der Name des Künstlers, der dieses Wunderwerk gemacht hat, steht am Fußgestelle, wie folget: ΚΛΕΟΜΕΝΗΣ ΑΠΟΛΛΟΔΟΡΟΥ ΑΘΗΝΑΙΟΣ ΕΠΟΙΗΣΕΝ.
Nicht weit davon steht noch eine andere, viel größere Venus. Weil ich diese nun im Anfang für die Mediceische genommen hatte, so mußte ich über meine Kenntnis in Kunstsachen herzlich lachen; ich sagte dem Cicerone, daß es mir wie dem kleinen Damon mit dem Zeisig und der Nachtigall gegangen wäre, allein er wußte nichts von Gellerten. In dem nämlichen Saale stehen noch sechs Statuen, zwei, die miteinander ringen, ein schlafender Cupido, ein Faun, ferner der Bauer, so seine Sichel wetzt und dabei die Catilinische Verschwörung mit anhört.
Als ich mich einige Zeit hier aufgehalten hatte, hörte ich zufälligerweise von einem gewissen Bianchetti, daß ihn einige Frauen als Domenichino annehmen, aber weder seine Mutter noch seine Geliebte es zugeben wollten, weil sie ein Liebesverständnis besorgten, indem sich eine schöne junge Frau darunter befände, welche ihrem Manne, ohngeachtet er bis zur Raserei eifersüchtig sei, doch eine ganz zierliche Krone zu verschaffen wisse. Weil ich neugierig war, sie zu sehen, so zeigte er mir solche bei den Franziskanern in der Messe. Ich entschloß mich, auf einige Zeit den Domenichino bei ihr zu machen, allein Bianchetti sagte mir, daß es nicht wohl angehen würde, ohne die andern auch mit zu bedienen, weil sie schon miteinander übereingekommen wären. Hierauf erkundigte ich mich bei ihm, wer die gnädigen Frauen alle wären, und erfuhr, daß die eine eines Schneiders, die andere eines Kutschers, die dritte eines Glöckners und die vierte (die erwähnte Schöne) die Frau eines Sensale (Mäcklers) sei. Ich bat gedachten Bianchetti, mir zu der Ehre zu verhelfen, die drei übrigen um der vierten willen zu bedienen, welches er mir versprach und gegen Bezahlung einiger Pinte Modeneser Wein auch hielt. Gleich den ersten Sonnabend schickte mir die Schneiderin durch mehrerwähnten Bianchetti eine mir ziemlich passende Livree aus dem Hause Strozzi, an welcher ihr Mann nur die Aufschläge geändert hatte; und kommenden Sonntag hatte ich die Ehre, sämtliche Herrschaften eine nach der andern in die Messe zu begleiten. Damit meine Livree nicht so allgemein bekannt werden möchte, mußte ich die Schneiderin in das Servitenkloster, die Kutscherin in die Laurenzikirche, die Glöcknerin nach Sankt Mark zu den Dominikanern und letztere in die heilige Kreuzkirche zu den Franziskanern begleiten. Das war eine artige Motion, denn sobald ich die Gemahlin des Kutschers nach Sankt Laurenzi gebracht hatte, mußte ich über Hals und Kopf laufen, um die Frau Schneidermeisterin bei den Serviten abzuholen, und währenddem daß die Frau Sensalin ihre Messe anhörte, so holte ich des Glöckners teure Ehehälfte bei Sankt Mark ab. Weil mehrgedachte Signora des Sensale wirklich ein sehr schönes und liebes Geschöpfchen war, welches sich vielleicht eben deswegen etwas länger in der Kirche aufhielte, und ich allein ihrentwegen den Domenichino machte, so ging ich wieder in die Messe, stellte mich nicht weit von ihr und sahe sie zuweilen mit einer Miene an, die ihr zu verstehen geben konnte, daß ich sie auch außer der Kirche zu bedienen wünschte; sie mochte es gleich bemerkt haben, auch müßte sie nicht die Signora des alten Sensale gewesen sein, wenn sie es nicht hätte merken sollen; denn als wir nach Hause kamen, frug sie mich, warum ich unter der Messe mehr auf die Kanzel als auf den Messe lesenden Franziskaner gesehen habe. Nun ist es wahr, daß eben diese Kanzel bei den Franziskanern, welche aus weißem Marmor und mit der Lebensgeschichte des heiligen Franziskus, so in halberhabener Arbeit daran zu sehen ist, pranget, ein sehr kostbares Werk ist; allein meine Signora, welche während der Messe darunter stand, interessierte mich so sehr, daß ich kaum bemerkt hatte, ob der heilige Franziskus oder der König von Saba die Hauptperson daran vorstellte. Da sich aber ihr Gemahl in der Nähe befand, so sagte ich ihr, daß ich kein Auge von der so schönen Kanzel hätte verwenden können, bei welchen Worten ich einen verstohlnen Blick auf ihr verräterisches Halstuch warf, den der Alte von keinem Domenichino erwartete und also auch nicht bemerkte. Sie wußte ihren Argus durch ein kleines Geschäfte zu entfernen, und sobald ich dieses sahe, hatte ich die Kühnheit, meiner Gebieterin zu sagen, daß ich bloß ihrentwegen den Domenichino-Rock angezogen habe und daß ich ihn sogleich der Frau Schneidermeisterin wiederschicken würde, wenn ich nicht die Ehre haben sollte, ihr auch außer demselben meine Aufwartung zu machen. Ich wollte eben noch etwas sagen, als der Alte schon wieder erschien. Sie frug ihn, ob er nicht etwa eine Bottega wisse, wo jemand verlangt würde; ich käme seit wenig Wochen von Rom, wo ich Mackeronen und Nudeln gemacht habe, worauf er antwortete, daß ja ihr eigener Bottegajo jemanden brauchte. Ich war über das Mackeronen- und Nudelnmachen ganz verstummt, weil ich in meinem Leben nie welche hatte machen sehen und die Absicht, so sie dabei haben mochte, gar nicht erraten konnte. Demohngeachtet beteuerte ich ihm, daß ich sehr gut damit umzugehen wisse; denn ich dachte, die Sache würde sich schon von selbsten an die Hand geben, und der Mann könne doch nicht mehr tun, als mich wieder fortschicken, wenn ich mich etwa bei dem Nudelmachen zu dumm anstellen sollte. Genug, ich war von dem Nudelmacher, welches ein Genueser war und in ihrem eigenen Hause wohnte, angenommen und hatte es gut bei ihm, ohne daß ich nötig gehabt hätte, mich um sein Nudelmachen zu bekümmern. Nun hatte ich alle Tage Gelegenheit, meine Gebieterin zu sehen und zu sprechen, welches aber doch allemal in Abwesenheit des Sensale geschehen mußte. Einst war ich oben bei ihr auf dem Zimmer, als der Alte, den wir unter einigen Stunden nicht erwarteten, auf einmal hineintrat. Ich stand am Fenster, betrachtete den daran hängenden Thermometer und wollte eben eine Ursache des Besuchs hervorsuchen, als sie ihm mit ganz unbefangener Miene sagte, daß mich Herr Zignani, so hieß der Genueser, den Augenblick heraufgeschickt habe, um sich zu erkundigen, ob der Barbiererladen bei Ponte vecchio schon verkauft sei. Er antwortete hierauf, daß es nur seit einigen Tagen geschehen wäre. Es war gut, daß der Alte seine Brille nicht auf der Nase hatte, um meine Verlegenheit merken zu können. Ich war über den guten Ausgang meines Besuchs recht froh, nahm mir aber zugleich vor, das Domenichino-Handwerk niederzulegen; denn wie leicht hätte der Sensale eine halbe Stunde eher kommen können, wo er mich gewiß nicht beim Thermometer angetroffen und folglich auch die Erkundigung wegen des Barbiererladen bei Ponte vecchio nicht den nämlichen Erfolg gehabt haben würde. Ich mußte mit Grunde befürchten, daß das, was nicht geschehen war, noch geschehen könne, und sagte meiner Signora bei dem letzten Besuche, daß ich als ein Deutscher wichtige Gründe hätte, mein mit so vielen Kontreband verknüpftes Domenichino-Amt niederzulegen. Ich beurlaubte mich bei ihr aufs zärtlichste, sagte dem Nudelmacher, daß ich gesonnen wäre, meinen Stab weiter fort zu setzen, und ging über Mailand und Bizzighetone nach Cremona.