Karl Simrock
Rheinsagen aus dem Munde des Volks und deutscher Dichter
Karl Simrock

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Germersheim und Speier

160. Kaiser Rudolfs Grabritt

Was wandelt denn durchs Land für Trauerkunde?
       Die Leute stehn und weinen an den Wegen,
       Und alle Glocken klangen in die Runde.
Und einen Zug seh' ich herabbewegen
       Zum Tale sich von Germersheim dem Schlosse,
       Und auf der Straße weit den Staub erregen.
Und herrlich raget über all dem Trosse,
       Der weinend folgt und schmerzlich weheklagend,
       Ein Greis hervor auf langsam gehndem Rosse.
Und Priester ihm zur Seite, Kreuze tragend,
       Gebete sprechend, feierliche Lieder
       Mit Schluchzen singend, Segensworte sagend.
Und durch die Felder geht der Zug hernieder
       Zum Rheine hin; und alle Leute weinen
       Und schaun und fragen sich und weinen wieder.
»Der Kaiser ist's, den diese Klagen meinen,
       Der Kaiser Rudolf ist's; er will mit denen,
       Die schon in Speier schlafen, sich vereinen.
Der Kaiser Rudolf ist es; da, wo jenen,
       Die vor ihm herrschten, ist das Grab bereitet,
       Will er sein Haupt aufs Sterbekissen lehnen.
Der Kaiser ist's: er weiß, sein Engel leitet
       In dreien Tagen ihn zur Todespforte:
       Der Kaiser ist es, der zu Grabe reitet!«
Und er ist tot; mit solchem Schmerzensworte
       Gehn Zähr' und Seufzer in das Land als Boten,
       »Rudolf ist tot.« So klingt's von Ort zu Orte.
Und alles kommt und drängt und will mit roten,
       Verweinten Augen nur noch einmal schauen,
       Nur einmal noch den heißgeliebten Toten.
Es zeigen ihren Kindern ihn die Frauen:
       »Seht, diese Hand ließ einst sich das verwaiste
       Deutschland als Braut in rechter Liebe trauen.«
Sie stehn und jammern; doch die allermeiste
       Wehklag' erhebt ein Alter, dem am Kinne
       Und Scheitel längst die Locke schon ergreiste.
»Ihr Fürsten, gönnt mir eins nur zum Gewinne,
       Nur eins zum Trost. Ich schuf aus festem Steine
       Einstmal sein Bild mit meinem besten Sinne.
Das Werk der Lieb' und Treue, laßt es seine
       Ruhstätte nun für alle Zeit bewahren;
       Zu Rudolfs Denkmal g'nügt sein Bild alleine.
Zu Rudolfs Denkmal, der mit grauen Jahren
       Die Krone wie ein Jüngling hat getragen,
       Drin Mild' und Recht die schönsten Steine waren.«
Der Meister sprach's und trat mit neuen Klagen
       Zum toten Kaiser, welchem tiefgefaltet
       Der unbewegten Stirne Furchen lagen.
»Noch ist das Bild zu Ende nicht gestaltet!
       So rühre, Meißel, manches Bilds Gestalter,
       Noch einmal dich, eh' meine Hand erkaltet!
Denn eine Falte grub ihm noch das Alter.
       Nun sei, o Hand, zur letzten Arbeit eilig!
       Wer so in Sorgen war des Reichs Erhalter,
An dessen Stirn ist jede Falte heilig.«

            W. Wackernagel.

 


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