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Moselländische Volkslegende.
Als noch mit seiner Jünger Schar
Unser Herr Christus auf Erden war,
Hat's ihnen, das ist weltbekannt,
Oft mißbehagt im Gelobten Land,
Dieweil in Israel, wie es hieß,
Kein rechter Glaube sich spüren ließ,
Davon sie dachten mehr zu gewahren
Bei Samaritern und Heidenscharen.
Huben sich also auf die Bein'
Und zogen rüstig querfeldein
Über Berg und Tal, durch Nebel und Guß,
Bis sie kamen an den Moselfluß.
Da wohnt' ein Völklein derb und bieder,
Schlichte Herzen und starke Glieder,
Ging immer gradaus, niemals krumm,
Hatt' eine Art von Christentum.
Da fand der Herr nicht viel zu schaffen,
Weder Pharisäer noch Baalspfaffen,
Sie sagten ja, sie sagten nein,
Und gleißten nicht mit Heuchelschein.
War aber gar ein bucklig Land:
Über Felsen, wo die Rebe stand,
Schien die Sonne so glühend heiß,
Herr und Jünger troffen von Schweiß.
Der Heiland sprach, Scherz oder Ernst:
»St. Peter, weil du doch nichts lernst,
So lauf einmal, hast lange Bein',
Ins Dorf und hol ein Schöppchen Wein.«
Das ließ sich Petrus nicht zweimal sagen,
Ein Schöppchen war just sein Behagen:
Nur schlug ihm nie ein Schlückchen an,
Das er nicht mit eignem Gaum getan.
Drum lief er was er mochte laufen,
Tät sich erst selbst ein Schöppchen kaufen,
Denn der Weise nutzt Gelegenheit.
Unten schmal und oben breit,
Humpengroß einen hölzernen Becher
Leert' in einem Zuge der Zecher.
Doch auch des Herrn er nicht vergaß,
Er ließ ihm messen christlich Maß:
Den Becher hoch zum Rande voll,
Daß er im Gehn ihm überschwoll.
Doch schade für den edeln Saft,
Versiecht' im Sande seine Kraft:
Besser den Schaum hinwegzunippen!
Er hebt ihn an die durst'gen Lippen,
Nippt, trinkt und nippt und nippt und trinkt
Bis der Wein im halben Humpen blinkt.
»Wer kann dafür, der Durst ist schuld:
Das Messer hab' ich ja, Geduld!
Den hohlen Rand hinweggeschnitten,
Bleibt noch unmäßig viel inmitten.
Nun aber schwippt es wieder über
Und wird zunichte: trink' ich's lieber!«
Und so mit Schnitt und Trunk und Schnitt
Wird's klein und kleiner Schritt für Schritt.
Nun endlich ist der Herr erreicht.
Spricht Petrus: »Herr, du denkst vielleicht,
Ich brächte dir ein Fuseltröpfchen,
So winzig klein ist hier das Schöppchen.
Doch scheint's ein trinkbar guter Wein,
Auch darf es uns nicht bange sein,
Da mit so wenigem, wenn du willst,
Du Herr uns Durst und Hunger stillst.«
Da sprach der Herr: »Du bist ein Schalk;
Was löschtest du denn deinen Kalk?
Du wolltest wohl den Sichern spielen,
Falls heut' nicht Tropfen vom Himmel fielen?
Behalte du dein Miseräbelchen;
Doch wische dir hernach das Schnäbelchen;
Ihr andern kommt, ihr sollt allein
Für diesmal meine Gäste sein.«
Noch heute werden im Moselland
Die Schoppen Miseräbelchen genannt:
So klein sie sind, laßt sie uns leeren
Ihrem Erfinder St. Peter zu Ehren.
K. S. [Karl Simrock]