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Am Rhein, am grünen Rheine, da ist so mild die Nacht,
Die Rebenhügel liegen in goldner Mondespracht.
Und an den Hügeln wandelt ein hoher Schatten her
Mit Schwert und Purpurmantel, die Krone von Golde schwer.
Das ist der Karl, der Kaiser, der mit gewalt'ger Hand
Vor vielen hundert Jahren geherrscht im deutschen Land.
Er ist heraufgestiegen zu Aachen aus der Gruft,
Und segnet seine Reben und atmet Traubenduft.
Bei Rüdesheim, da funkelt der Mond ins Wasser hinein,
Und baut eine goldne Brücke wohl über den grünen Rhein.
Der Kaiser geht hinüber und schreitet langsam fort,
Und segnet längs dem Strome die Reben an jedem Ort.
Dann kehrt er heim nach Aachen und schläft in seiner Gruft,
Bis ihn im neuen Jahre erweckt der Traubenduft.
Wir aber füllen die Römer und trinken in goldnem Saft
Uns deutsches Heldenfeuer, uns deutsche Heldenkraft.
Als Anno elf gekeltert war,
Schien noch die Sonne heiß und klar.
Die Sonne schien so klar und heiß,
Vor seiner Türe weint' ein Greis.
Hielt in der Hand ein Glas mit Wein
Und helle Tränen tropften drein.
»Was weinst du, guter alter Mann,
Hat dir ein Feind zu nah getan?«
»Zu nah getan hat mir kein Feind:
Ich weine, weil die Sonne scheint.«
»Wie sprichst du kindisch, unbedacht:
Wer weint denn, weil die Sonne lacht?«
»Auch wein' ich, weil der Wein so gut;
Gar köstlich schmeckt dies Traubenblut.«
»So bist du, Alter, nicht bei Trost:
Wer wäre gutem Wein erbost?
Um guten Wein und Sonnenschein
Soll man von Herzen fröhlich sein.«
Darauf der Alte schluchzend spricht:
»Das, lieber Herr, versteht Ihr nicht.
Wie würd' erst dieser Wein so gut,
Wenn er noch hing' in solcher Glut?
Daß wir zu früh gelesen han,
Darüber wein' ich alter Mann.«
Ein edler Wein wuchs Anno elf:
Daß Gott uns bald an bessern helf!
»Du läufst nur in die Schenke
Und willst schon wieder fort?
Sieh dich doch um, ich denke
Dies ist ein hübscher Ort.«
Mir will er nicht behagen,
Muß gleich mich weiter tragen;
Was eure Glocken läuten,
Das weiß ich wohl zu deuten;
Mich bringt die Medizin um:
Malum vinum, malum vinum.
Ich mag kein solch Gebämpel,
Der Ton sei voll und rein.
Gebämpel gibt den Stempel
Geringem Bämpelwein.
Ihr habt nicht rechte Glocken,
Drum muß das Wachstum stocken.
Es sind nur schlechte Schellen,
Die in die Ohren gellen.
Fort, seh' mich nicht einmal um:
Vinum malum, vinum malum.
Komm mit, im Sonnenscheine
Liegt dort ein Glockenhaus
Und überall zum Weine
Lädt dich ein grüner Strauß.
Da ist ein Maigeläute,
Das oft mein Herz erfreute.
Du wirst dich hingewöhnen,
Hörst du die Glocken tönen.
Stets wechselt Ton mit Ton um:
Bonum vinum, vinum bonum.
Wie schön zur Abendstunde
Die Glocke ruft zum Wein!
Die Gläser in der Runde,
Sie klingen froh darein.
Das Läuten will nicht enden,
Du mußt noch eine spenden.
Nicht enden will das Läuten:
Was soll uns das bedeuten?
Perfectum omne trinum.
Vinum bonum, bonum vinum.
K. S. [Karl Simrock]
Sie saßen noch beim ersten Glas,
Und sprachen dies und sprachen das
Und kamen nicht vom Flecke.
»Was ist denn das mit euch, ihr Herrn?
Ei, beichtet doch, ich wüßt' es gern,
Ob euch der Wein nicht schmecke?«
»Herr Paster, ach, Herr Paster,
Der Wein hat gar kein Laster;
Ihn zu trinken ist kein onus:
Vinus bonus, vinus bonus.«
»Koch, andre Gläser, bessern Wein,
Und schenk den Herren fleißig ein,
Wenn sie das Wachstum loben.
Das ist ein Doktorwein, nicht wahr?
Der macht uns Sinn und Augen klar
Und hebt das Herz nach oben.«
»Herr Paster, ach, Herr Paster,
Dem stehn wir wie Pilaster.
Bonus vinum, bonus vinum,
Wenn auch noch kein superfinum
»Koch, neue Gläser, und herbei
Das Beste was im Keller sei
Links unterm Sand begraben.
Nun kostet recht: was sagt ihr nun?
Wollt ihr mir jetzt Bescheid nicht tun,
So mag euch keiner laben.«
»Herr Paster, ja, Herr Paster,
Das ist ein Magenpflaster!
Bonum vinum, bonum vinum;
Dieser lehrt auch gut latinum.«
»Ei seht, ihr Schälke, schwacher Wein,
Begreif ich jetzt, lehrt schwach Latein;
Laßt denn ein Lied erklingen.
Ich stimm' es euch im Deutschen an,
Lateinisch übersetzt ihr's dann:
So kann es Cäsar singen.«
»Herr Paster, ja, Herr Paster,
Nur seid kein Kritikaster.
Bonum vinum, vinum bonum,
Lehrt auch immer bonum tonum.«
»Habt's brav gemacht: nun sieht man's ein,
Ein guter Wein lehrt gut Latein,
Ihr habt es klar erwiesen.
Nun tut noch eins und übersetzt
Mir gut Latein ins Deutsche jetzt,
So werdet ihr gepriesen.«
»Herr Paster, ja, Herr Paster,
Das tun wir viel gefaßter.
Gebt dem Deutschen nur zu trinken,
Und sein Reim wird selten hinken.«
Pastor:
Sunt, si quid video, causae tibi quinque bibendi:
Hospitis adventus, praesens sitis atque futura,
Et vini bonitas et quaelibet altera causa.
Erster Gast:
Täuscht nicht alles, so gibt's zum Trinken mir fünferlei Gründe:
Erstlich Freundesbesuch, dann Durst, den man spürt und befürchtet,
Endlich die Güte des Weins und irgend andere Ursach'.
Zweiter Gast:
Zum Trinken gibt es Gründe
Nur fünf, soviel man weiß;
Doch tust du keine Sünde,
Mehrst du die Zahl mit Fleiß.
Der Durst zuerst: verdürsten
Ist aller Welt ein Graus:
Die Bauern wie die Fürsten,
Sie bürsten im voraus.
Der andre Grund zu trinken
Ist alt und neuer Wein.
Wir trinken bis wir sinken,
Schenkt uns ein Freund nur ein.
Zum dritten, in der Tasche
Das Geld ist Grund genug,
Denn Tasche reimt auf Flasche:
Drum frisch, noch einen Zug!
Doch sei'n die Geldentblößten
Darum nur unbesorgt:
Der vierte Grund mag trösten,
Daß uns der Wirt noch borgt.
Dem Winzer klingt noch besser
Des letzten Grundes Trost:
Wenn man die alten Fässer
Muß leeren neuem Most.
Ei ja, das wär' ein Leben!
Wir lägen vor dem Spund;
Woll' uns der Herr nur geben
Recht bald den fünften Grund.
Pastor:
»Euch lehrt der Wein Deutsch und Latein,
Drum sprecht, ihr zwein, hier fleißig ein
Und nehmt mich in die Schule.
Was noch der Wein nicht hat gewußt,
Das lehrt ihr zwein aus voller Brust
Von euerm Dichterstuhle.«
»Herr Paster, ja, Herr Paster,
Wir sind hier gerne Gaster:
Euer tertium si datur,
Nos videbis raro satur.«
K. S. [Karl Simrock]