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Hareth Ben Hemmam erzählt:
Ich hörte: Als Abu Seid nun hinaus war über die neunmal neun – und dünner wurden die Mähnen dem alten Leun, – dachte er, in einem Anfall von Schwächlichkeit, – an des menschlichen Lebens Zerbrechlichkeit – und befand, es sei das best' am End' – auch zu machen ein Testament. – So ließ er denn seinen Sohn vor sich kommen, – nachdem er seine Sinne zusammengenommen, – und sprach: Mein Söhnlein! ich werde nun bald ziehn mit den Schwalben – und mein Auge mit der schwarzen Schminke des Todes salben. – Du aber warst durch Gottes Gnade meines Alters Stab – und wirst nach mir bleiben die Blum' auf meinem Grab. – Du warst mein Schildhalter und Handreicher – und bleibst mein Stammhalter und Nachfolger auf dem Throne der Landstreicher, – der fechtenden Sassansbrüder Vorfechter – und ihrer Ehrenburg Thorwächter, – der Leitstier ihrer vielzerstreuten Herde – und der Leitstern ihrer Wanderungen über die Erde. – Du bist nun zwar nicht der Thor, – den die Mahnung muß zupfen beim Ohr; – doch Gott hat gesagt: Mahn in alle Wege, denn du bist ein Mahner;Worte des Korans, von Gott an Mohammed gerichtet.– und bahne die Stege, denn du bist der Bahner. – Und die Ermahnung ist der Gemütesfalten Plätt- und Glättstein – und der Geistesscharten Wetzstein. – So will ich denn um deines Besten willen – dir überliefern meinen letzten Willen – mit Lehren, dergleichen nicht SethDas Testament von Seth, Adams Sohn, der als allgemeiner Stammvater der Menschen und zugleich als erster Gründer des Islams und der Kaaba betrachtet wird, ist im Morgenlande nicht bloß mythisch und sprichwörtlich berühmt, sondern der Geschichtschreiber Elmokanna führt es wörtlich an; es enthält allgemeine Lehren der Gottseligkeit in ziemlich koranmäßigem Tone. Es wird wohl durch die Patriarchen-Geschlechtsfolge, über die Flut hin und weiter, mündlich überliefert worden sein; oder warum nicht auch schriftlich? da ja derselbe Seth schon 50 Blätter voll Offenbarungen von Gott empfangen haben soll. hinterließ, – und mit Segen, wie ihn nicht Jakob verhieß. – Und wie du in treuem Gedächtnis – wirst behüten mein Vermächtnis – und dich vor Übertretung hüten, – so behüten dich Gottes Güten, – daß grün sei dein Strauch – und voll dein Schlauch – angenehm geachtet dein Hauch – und hochsteigend deines Feuers Rauch. – Doch wie du verschmähest meine SurenSuren heißen die Kapitel des Korans. – und nicht gehest auf meinen Spuren, – so sei leer deine Flasche – und löcherig deine Tasche – und wenig deiner Herdesasche.Reich an Asche ist eine sprichwörtliche Bezeichnung für reich überhaupt, weil der Reiche gastfrei ist oder sein soll, für die Gästebewirtung aber der Aschenhaufen des Herdes zeugt. – Mein Söhnlein! ich habe versucht meine Schwinge – und geprobt meine Klinge – und mir geprüft die menschlichen Dinge, – habe schätzen lernen den Mann nach seinem Stadel,Nach seiner (vollen) Scheune, seinem wirklichen Gehalt und wahren Vermögen. – nicht nach seinem Adel, – nach seinen Kasten und Kisten – nicht nach seinen Ahnenlisten, – und befunden, daß es ankommt auf den Verstand, – nicht auf den Stand, – auf die DrittelDrittelstücke, wie Dreier, für Geld überhaupt. und die Mittel, – nicht auf den Kittel und den Titel. – Eingeteilt hat, wer sich verstand auf Leute, – die Welt in vier Stände: der Raufleute, – der Kaufleute, Schnaufleute und Laufleute. – Die Raufleute sind die zum Leuteraufen – berufenen Kriegs- und Friedensbeamtenhaufen. – Doch ich fand, daß, wenn sie ihren Strauß gerauft, – sie selber werden ausgerauft. – Sie schweben auf den grünen Matten – als der GnadensonneDes obersten Herrschers. Schatten, – die sich lassen von ihrem Blick regieren – und, wenn sie untergeht, sich in die Nacht verlieren. – Ich lernte: Was gefällt, das fällt, – und was angestellt wird, wird auch wieder abgestellt; – und es schreckt mich von der Süßigkeit der Angewöhnung – ab die Verdrießlichkeit der Abgewöhnung.Die Entwöhnung des Säuglings ist ein häufiges Bild für die Schmerzlichkeit der Entsagung, besonders bei den erotischen Dichtern. – Die Kaufleute aber haben keine Ruhe der Gemüter, – sowie keine der Güter; – alle Stürme und Riffe – lauern auf ihre Schiffe, – und auf ihre Karawanenkameltriebe – alle Zöllner und Gaudiebe. – Wie schlimm ist, daß sie selber kein Teil haben – an den Schätzen, die sie für andre feil haben; – und wie übel, daß sie verkaufen müssen, – was andre erkaufen zu Genüssen. – Die Schnaufleute aber sind die Feldbauer, – denen wird Gottes Welt sauer, – und ihr Ruhm ist nicht weit erschollen, – weil sie haften an ihren Schollen, – wo sie kämpfen mit Schnecken – und Heuschrecken, – düngen mit ihrem Schweiß ihren Acker – und ernten ihren Fleiß für ihre Placker. – Die Armen gleichen den Lasttieren – und die Reichen den Masttieren, – die man aufspart zum Gastieren. – Endlich die Laufleute sind die Beispringer, – die Handlanger und Herbeibringer, – die da Künste treiben und Handwerke, – ernste Geschäfte und Tandwerke. – Von diesen allen fand ich kein ersprießliches, – unverdrießliches, nutznießliches, – kein gnügliches und vergnügliches, – überall fügliches, niemals trügliches, – als das Handwerk, das Sassan gegründet – und zunftmäßig geründet, – seine Ordnung der Welt verkündet – und seine zerstreuten Glieder zu einem Leib verbündet, – als eine Genossenschaft freier, standgleicher, – unter sich verbandreicher Handreicher, – Landstreicher und Landschleicher. – Ich habe sie kennen gelernt nach ihren Standesarten – und mich ausgezeichnet unter ihren Standarten – und habe gefunden, daß dieses das Handwerk ist, das überall geht, – die Mühle, die nie stille steht, – der Brunnen, welcher nie versiegt, – der Handel, der nie darnieder liegt, – der in allen Nächten fliegende Leuchtwurm, – der von jedem Orte sichtbare Leuchtturm, – die Fackel der Leitung, die leuchtet den Blinden, – das Panier, zu dem sich die Lahmen finden. – Ihre Verbindung ist die weiteste – und ihr Stamm der ausgebreitetste, – überall gastend – und nirgends rastend, – bald nah, bald fern, – sie wandeln in den Lüften wie der Stern – und haben auf Erden keinen Herrn. – Sie fürchten nicht den Sultan, – doch nehmen sie seine Huld an; – sie fürchten nicht der Beamten Donner und Blitz, – denn sie haben keinen Sitz – und keinen Besitz als ihren Witz. – Sie sind es, die nirgends zu Hause sind. – weil sie überall beim Schmause sind, – sie, die ohne ein Körnlein zu streuen, – sich des täglichen Brotes erfreuen, – wie die Vögel, die in der Frühe hungrig aufstehn – und abends satt in die Wipfel hinaufgehn.Ein Wort Mohammeds, augenscheinlich nach dem Evangelium. – Da sprach der Sohn: Mein Vater! – du hast gesprochen als ein treuer Berater, – doch hast du dich nur gefasset kurz; – mache länger der Rede Schurz, – mich unterrichtend, wie ich das Geschäfte soll fassen beim Schopf, – mich belehrend, wie man am Fische isset den Kopf.Im Arabischen: Wie oder von wo man das Schulterstück am Kamel isset, d. i. wie man ein schweres, kitzliches Geschäft angreift. – Er sprach: Das Hauptstück der Kunst ist Regsamkeit – und Bewegsamkeit, – und ihre Hilfsmittel sind Durchtriebenheit – und Abgeriebenheit, – behende Schmächtigkeit ohne Feistigkeit, – kurze Bedächtigkeit und große Dreistigkeit, – dann ein quecksilbernes Gehirne – und eine eherne Stirne. – Denn wer sich scheut – ist nicht gescheit; – und wer nicht ist ruhlos und rastlos, – dessen Schiff ist mastlos, – dessen Baum astlos und bastlos. – Dein Rock soll heißen Gramlos – und dein Stock Schamlos – und dein Name Namlos. – Sei rascher als Wolkenzug – und überraschender als Heuschreckenflug, – muntrer als das Reh im MondscheinDem Reh schreibt das arabische Sprichwort eine besondere Munterkeit beim Mondschein zu, ein lustiges Hüpfen und Tanzen. worin es sich oft so sehr vergißt, daß es den Raubtieren zur Beute wird; daher ein zweites Sprichwort: Bethörter (oder unvorsichtiger) als das Reh im Mondschein. – und lebhafter als die Eidechs' im Sonnschein. – Scheue nicht Mühe und Stäte – frühe oder späte! – Denn schürst du dein Feuer, so wird es brennen, – rührst du dein Steuer, so wird dein Schifflein rennen, – und führst du in deine Scheuer, so wirst du haben auf deiner Tennen. – Du sollst deinen Eimer hängen in jeden Bronnen – und an jedem Zaun deine Wäsche sonnen; – jeden Strauch sollst du rütteln – und jeden Baum im Vorbeigehn schütteln, – dir Pfeifen schneiden aus jedem Rohre – und vorbeigehn keinem offnen Thore. – Denn am Stab unsres Ältesten Sassan stand geschrieben: »Wer langt, erlangt; – wer säumt, versäumt,« – Und fliehe die Trägheit wie eine häßliche Schramme! – denn sie ist die Wurzel zu der Armut Stamme, – der Hilfsbedürftigkeit Mutterwamme, – der Ratlosigkeit Stillamme, – der Dämpfer der Geistesflamme; – jeder Funken erstickt in ihrem feuchten Schwamme, – und jeder, der wandelt auf ihrem Damme, – versinkt im Schlamme. – Drum plaudre nicht – und schlaudre nicht, – und zaudre nicht – und schaudre nicht. – Zage nicht, sondern wage!– frage nicht, sondern jage! – Denn der Zweifel erörtert nicht, – und die Bedenklichkeit fördert nicht. – Wer lange sinnt, beginnt nicht behende, – und wer nicht beginnt, gewinnt nicht das Ende. – Und das Sprichwort sagt: Wer wagt, macht Kehraus, – wer zagt, geht leer aus. – So sei nicht träge wie ein Faultier, – sondern unermüdlich wie das Maultier, – kühn wie der Aar, – beredt wie der Star, – listig wie der Fuchs, – scharfsichtig wie der Luchs, – behend wie das Wiesel, – unverwüstlich wie der Kiesel, – gewandt wie die Schlange, – packend wie die Zange, – glatt wie der Aal – und fest wie der Stahl. – Sei nicht spröde – und nicht blöde! – denn Blödigkeit bleibt mager, – und Sprödigkeit hat ein kaltes Lager. – Sondern sei keck wie die Ziege, – unabweislich wie die Fliege, – unentfliehbar wie die Bremse, – unverfolgbar wie die Gemse – und unermüdbar wie die Ämse, – habgierig wie der Geier, – hochfliegend wie der Reiher, – wanderlustig wie die Störche, – stets frohen Muts wie die Lerche, – wie der Hahn früh und spät auf der Wacht, – wie der Adler im Sonnenlicht und wie der Kauz in der Nacht. – Sei stets auf den Beinen wie ein Kreisel, – stets im Schwung wie eine Geißel, – stets mitten im Schwarm wie ein Weißel. – Sei in der Luft wie ein Pfeil – und in der Kluft wie ein Keil, – allwärts rund wie die Kugel, – stets auf dem Flug wie ein Vogel, – und an jedem Flecke – in deinem Haus wie die Schnecke. – Wechsle Farben wie der Hals der Taube – und schillere wie die Traube, – und schlage deiner Rede bunten Reif – wie einen Pfauenschweif.– Lerne Worte schmücken – und Ohren entzücken – und Herzen berücken. – Scheue keine Lüge – und fürchte keine Rüge. – Richte dein Glockenspiel nach dem Wind – und dein Puppenspiel nach dem Kind. – Es giebt einen Brocken für jeden Köter – und für jeden Fisch einen Köder. – Lerne, wie man den Igel anfaßt, ohne sich zu stechen, – und das Siegel löst, ohne es zu zerbrechen, – wie man die Nessel angreift, ohne sich zu brennen, – und die Fessel abstreift, ohne sie zu trennen. – Halte den Aal nicht beim Schwanze – und nicht bei der Spitze die Lanze. – Eh du melkest, streichele; – und eh du bittest, schmeichele. – Komm nicht nach dem Schmaus – und nicht, wann der Markt ist aus. – Sattle das Pferd, eh du reitest, – und schnalle den Schuh, eh du schreitest. – Schwimme nicht stroman;– fürchte dich vor keinem Strohmann. – Vortritt ist besser als Nachtritt, – Frühritt besser als Nachtritt. – Schaue nach dem Ziele – und scheue nicht die Schwiele. – Gehe nicht schräg – nach dem, was dir liegt auf dem geraden Weg; – aber wo es nicht geht auf dem graden, – da geh getrost auf den Seitenpfaden. – Denn nicht umgeht die gute Krümme, – aber krumm geht's dem Ungestüme. – Du sollst dich keinen vergeblichen Gang lassen reuen – und keinen zweiten scheuen; – denn nicht auf einen Hieb fällt ein Stamm, – und der Wolf holt auf einmal nur ein Lamm. – Darum nimm fürlieb wie ein Taubenkröpfchen, – das vom Platzregen nur schluckt ein Tröpfchen, – und sei begnügsam wie das Zeischen, – das sein Nest baut aus kleinen Reischen. – Nimm für Grünes das Fahle – und für Breites das Schmale; – nimm für Frisches das Schale – und für Neues das Kahle, – und danke dem Geber auch für eine Nußschale. – Auch laß dich Abschlagung nicht grämen – und Abweisung nicht lähmen; – gieb die Hoffnung nicht auf, daß in Felsquadern – sich verbergen Quelladern, – und verzweifle, so lang ein Weg dir frei stand, – nicht an Gottes Beistand! – »denn an Gottes Beistand verzweifeln allein die Ungläubigen.«Worte des Korans. – Doch wo du zu wählen hast zwischen morgen und heut', – zwischen dem, was man verspricht, und dem, was man beut', – so wisse: besser ist jeder Handel bar; – denn Menschensinn und Geschick ist wandelbar. – Zwischen heut und morgen sind Grüfte – und zwischen Versprechen und Erfüllen Klüfte. – Du aber gehe nicht tiefer ins Wasser, als fester Sand ist, – und lange nicht höher, als deine Hand ist; – mische Wasser unter den Saft der Reben – und Sparen unter das Ausgeben: – und da, wo dir die Nahrung ausgeht, gehe geschwindest; – denn dein Vaterland ist da, wo du Weide findest. – Sei überall gewandt und verschlagen, – so kann es dir nichts verschlagen. – wohin dich die Winde verschlagen; – niemand wird dich verschlagen.
Hier nimm ein Testament, desgleichen Sich nie ein Erbe durft' erfreuen; Das, tadellos und mängelfrei, Mag keines Richters Auge scheuen; Gewürzt mit Sinnes Trefflichkeiten, Ein lautrer Mischtrunk echter Treuen. Lab dich daran und thu danach, Um mein Gedächtnis zu erneuen; Auf daß von dir die Welt einst sage: Seht dieses Welflein jenes Leuen.D. i. wie herrlich artet er seinem Vater nach. Welflein, Löwenjunges. |
Dann sprach er: Mein Söhnlein – hier ist mein Rat, – bei dir steht die That; – bist du gehorsam, wohl geschehe dir! – doch bist du ungehorsam, wehe dir! – Ich stelle dich mit dieser Kundschaft – unter Gottes Vormundschaft – und hoffe, du wirst nicht täuschen über meinem Grabe – die gute Meinung, die ich von dir habe. – Da sprach der Sohn: Mein Väterchen! nie sei abgebrochen dein Zelt, – noch von dir geräumt die Welt. – Aber deine Worte – sind mir Horte, – deine Sprüche – Wohlgerüche, – deine Reden – goldne Fäden. – Und sollte nach dir atmen diese Brust – (nie müsse ich kosten deinen Verlust!), – so werde ich handeln nach deiner Handlungen Richtschnur – und wandeln auf deines Wandels Richtspur, – daß man sagen soll: O wie zeigt sich der Sauerteig im Brot! – wie kehrt das Morgenrot wieder im Abendrot! – Da freute sich Abu Seid, lächelte und sprach: – Seinem Vater zu gleichen ist keine Schmach.Ein Sprichwort. – Hareth Ben Hemmam erzählt: Ich erfuhr, daß alle Kinder von Sassan, – als sie hörten dies Testament, es nahmen zum Maß an, – dessen Lehren sie über die Lehren LokmansDes, unter uns nur als Fabeldichter bekannten, Lokmans Weisheitslehren und Ermahnungen an seinen Sohn sind im Koran (Sure 31) vorgetragen, und eben daraus sind im obigen Testament mehrere Stellen angewandt oder umgewandt. schätzten – und neben die Mutter des KoransSo wird die erste Sure des Korans genannt, weil man sie als Inbegriff und Wurzel des ganzen Buches betrachtet. Sie enthält gleichsam einen schwachen Nachklang des Vaterunsers und wird auf ähnliche Art als Gebet gebraucht. setzten, – sodaß sie noch jetzt es einprägen ihren Kindern, – es ihnen für nützlicher haltend als goldene Flindern.