Friedrich Rückert
Die Makamen des Hariri
Friedrich Rückert

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Hariris Vorwort.

So spricht der Scheich, der Preiswürdige, Einzige, Abu Mohammed Elkasem, Ben Ali, Ben Mohammed, Ben Othman, Hariri von Basra:

(Gott kühle seine Ruhestätte!)

Gott. Dir danken wir, wie für jede Habe, – also auch für die Redegabe; – wie für des Hauses Ausgang und Eingang, – so für des Geistes Ausklang und Einklang, – und wie für des Kleides An- und Ablegung, – so für des Sinnes Ein- und Auslegung. – Wir danken dir, wie für Tränkung und Speisung, – so für Lenkung und Unterweisung, – zu Zweck-Bedenkung und Kunst-Befleißung. – Wir flüchten zu dir vor des Sprechens Überfluß, – wie vor des Hörens Überdruß; – vor der Worte schädlichem Wucher – und dem Witz, dem Versucher, – wie vor dem Mangel an Sammlung – und der Zunge schmählicher Stammlung – in erleuchteter Versammlung. – Behüt' uns vor unbeholfener Unmündigkeit – und unbesonnener Unbündigkeit, – Zeit und Orts Unkündigkeit; – laß uns vermeiden die Schlappheit und die Steifigkeit, – die Knappheit und die Weitschweifigkeit, – die Leere und die Seichte, – das Überschwere und das Allzuleichte. – Lenke, wie unsern Schritt, – auch unseres Schreibekieles Tritt, – daß er nicht walle die Irrbahn – und nicht falle in Wirrwahn; – laß uns übers Ziel nicht ausschreiten – und im Spiel nicht ausgleiten, – unsere Knoten nicht verschürzen, – unsere Schüsseln nicht verwürzen – und durch Länge unsern Zweck nicht verkürzen, – Lob zu erlangen und Stunden zu kürzen. – Bewahr uns vor denen, die loben, – eh sie unsern Wert erproben, – wie vor denen, die schelten, – eh sie wissen, was wir gelten. – Schütz uns vor der Gönner Überschätzung, – wie vor der Mißgönner Heruntersetzung; – vor der stolpernden Stelze der Stolzen, – wie vor der Witzbolde stumpfen Bolzen. – Und laß uns, ohn' Anstoß und Anstand, – hinwandeln mit Anmut und Anstand – die Bahn, die zu wandeln uns anstand, – mit ruhiger Gelassenheit, – ohne Ausgelassenheit, – mit gewandter Fertigkeit, – ohne Eilfertigkeit. – Gieb uns Einsicht und Umsicht, – daß wir erreichen die Absicht, – und laß uns auftreten mit Vorsicht, – daß uns zu teil werde Nachsicht. – Gieb, daß wir nicht durch Reden vergiften, – noch Unheil stiften durch Schriften, – durch Worte deinem Wort nicht schaden, – noch Verantwortung uns aufladen. – Doch laß uns trotzen den Vorurteilen – und dem Verurteilen vor dem Urteilen. – Laß uns treiben mit Verstand – Prosaspiel und Vers-Tand, – und handhaben sauber – den erlaubten Redezauber. – Unsrer Dichtung Schmuck sei die Wahrheit – unser Ausdruck die Klarheit, – und die Begeisterung die Treibefeder – unsrer Schreibefeder.

Um das bitten wir dich bei deinen hundert Namen – und bei allen Boten, die von dir kamen, – bei ihrem letzten und größten, – dessen Vertretung wir uns getrösten – der mit deinem Wort zum Welt-Heile – ist gesandt an die Weltteile; – der im Himmel genannt wird Ahmed, – aber auf Erden Mohammed – und unter der Erde Mahmud. – Segne ihn und seiner Flucht Gefährten – und seine Helfer, die bewährten, – seinen Stamm, den werten, verehrten, – die ganze Gemeinde der Muselmanen – und alle, die gehn auf rechten Bahnen. – Denn du bist der Allwaltende, – Uralte, niemals Altende. – Allschaffende, Allerhaltende, – der alles mit Lieb' Umfaltende, – und alles, dir zum Preis, Gestaltende.

Nun denn! In vormaligen geselligen Zünften – und gebildeten Zusammenkünften, – deren Leuchte jetzt verglommen ist, – und deren Welle den Strom hinabgeschwommen ist, – hörte man sonst den Namen – und den Ruhm der Makamen, – die aufgezeichnet hatte der Bedi elseman,D. i. das neue Wunder der Zeit, ein Ehrenbeiname des folgenden. – der Ausgezeichnete von Hamedan,Der Dichter Abulfadhl Ahmed, Hamedani, d. i. aus der Stadt Hamedan, gestorben ungefähr hundert Jahre eher als Hariri, der Vorgänger Hariris, und Erfinder oder erster Ausbilder dieser Dichtungsart. – (ihm gnade Gott!) worin er die Geschichte des Ebulfeth IskenderiDer Held der Hamedanischen Makamen, wie Abu Seid der Haririschen. zum Grund gelegt – und die Erzählung davon dem Isa Ben HeschamDer Erzähler der Geschichten, wie bei Hariri der Hareth Ben Hemmam. Man sieht hieraus, wie der äußere Zuschnitt beider Werke vollkommen derselbe ist. in den Mund gelegt; – zwei Personen, die nunmehr sind unbekannt – und ungenannt. – Mir aber winkte einer, dessen Wink Befehl ist,Es soll der Vezier eines abbassidischen Kalifen gewesen sein. – und dem zu gehorchen die Wohlthat der Seel' ist, – Makamen zu verfassen nach dem Vorbild des Bedi, – wenn auch ein Flinker von einem Hinker erreicht wird nie. – Da wandt' ich ein, was man sagt von der Gefahr des Schreibens – und dem Vorteil des Zuhausebleibens; – daß, wer einen Vers will dichten, – sich von Tausenden muß lassen richten, – und daß, wer viel bringt, nicht alles kann sichten; – daß er nicht immer den Honig von Wachs kann läutern, – noch die Nessel sondern aus den Würzekräutern; – gleich dem Viehhirten, der melkt aus kleinen und großen Eutern, – gleich dem Heerführer, der kommt mit Fußgängern und Reitern. – Wer sich auf den Markt stellt, der sei gefaßt, daß man prüfe – seines Wuchses Gradheit und Schiefe, – seines Wassers Seichtheit und Tiefe. – So lange man schweigt, kann man für weise gelten, – aber wenn man spricht, ist's lauter Weisheit selten. – Unter vielen Worten ist manch vergebliches, – unter vielen Gestirnen manch nebliges. – – Doch jener wollte der Einwendung nicht nachgeben, – noch des Unternehmens mich überheben. – Da stand ich, zu seiner Huldigung, – ab von meiner Entschuldigung, – und zum starken Geschäfte – bot ich auf meine schwachen Kräfte, – entwerfend, nach meiner Quelladern Sprödigkeit – und meiner Einsichten Blödigkeit, – nach meines geistigen Vermögens Beschränktheit – und meiner von Sorgen Gekränktheit, – einige und vierzig Makamen, gewebt aus Ernst und Scherz, – gegossen aus Gold und anderem Erz, – gedichtet aus dünnen Fäden und dichten, – geschichtet aus bunten und lockern Geschichten, – voll mannigfaltiger Ereignisse – und unvergleichlicher Gleichnisse; – versehn mit Anspielungen und Beispielen, – die überall herbeispielen, – und geschmückt mit Spielwörtern und Wortspielen, – die in einem fort spielen; – besetzt mit den Edelsteinen des Ausdrucks, – gestickt mit den Perlen des Gedankenausschmucks, – bereichert mit Rätseln und Sprichwörtern, – Redespitzen und Stichwörtern, – Schriftstellen und Gemeinplätzen – und besondern Sprachschätzen, – abwechselnd mit muntern Ausbrüchen – und feierlichen Aussprüchen, – mit Possen der Vertraulichkeit – und Glossen der Erbaulichkeit, – mit Witzreden, welche lachen, – und Strafreden, die weinen machen. – All das hab' ich auf die Person des Abu Seid von Serug gedichtet – und es durch den Mund des Hareth Ben Hemmam von Basra berichtet; – und habe mich unterzogen all dieser Mühe, – nur daß daraus dem Leser Lust und Belehrung erblühe, – und daß es dem Hörer diene zur Erheiterung – und zu seiner Kenntnis Erweiterung. – Ich habe mich in den Versen, den beigegebnen, – nicht halten wollen auf dem Weg, dem gar zu ebnen; – habe nicht wollen von fremdem Schatze borgen, – sondern meinen ganzen Haushalt selbst versorgen. – So sind denn alle Lieder, Mageres und Feistes, – die eingefleischten Kinder meines Geistes; – und ich tische hier nichts auf, als – mein eigenes Salz – und mein eigenes Schmalz, – mein Süßes und mein Saueres ebenfalls. – Bei dem allen bekenn' ich, daß der von Hamedan – bleibt mein Vortreter auf der Bahn, – der den Vorsprung gewonnen habende Reiter, – dem nicht nach und nicht nah kommt sein Nachschreiter; – und daß, wer nach ihm noch was thun will im Feld der Makame, – und hält' er auch die Beredsamkeit des Kodame,Der Name eines berühmten Redners. – immer nur wird schöpfen von seiner Neige – und sich halten müssen auf seinem Steige. – Göttlich hat der Dichter gesagt:

Und was mich betrübt, ist, daß ich tief Schlummer atmend lag,
Als hold ihr Geseufz anhob die Turtel im Laube.
Denn hätt' ich geseufzt vor ihr um Soda,Ein weiblicher Name, die Geliebte. so hätt' ich wohl
Geheilt diesen Gram, dem jetzt mein Herz bleibt zum Raube.
Doch erst seufzte sie, dann ich, und ihr Seufzen weckte meins;
Ich sprech': O der Nachahmung! der Preis bleibt der Taube.

Nun hoffe ich, daß ich mit den Scherzen, die ich ersonnen, – und mit den Fäden der Unterhaltung, die ich gesponnen, – nicht sein möge wie der Hörnerträger auf der Aue, – der seinen Tod aufscharrte mit seiner Klaue;Ein Sprichwort, das folgende Erklärung hat: Ein Feldaraber fand einen Widder in der Wüste, den nahm er und hatte Lust, ihn zu schlachten; aber er hatte kein Messer bei sich. Da wühlte der Widder, sich sträubend, mit seinen Füßen den Boden auf, und es kam ein Messer hervor, damit schlachtete ihn der Araber. – noch den Verlorenen beigezählt, – denen die Gnade Gottes fehlt, – deren Mühe vergebens ist und eitel ihr Fleiß – und umsonst ihr Schweiß; – sie glauben es wohl gemacht zu haben, – doch ihre Arbeit wird mit ihnen begraben. – Aber wenn auch die Verständigen nicht erbarmlos – richten werden, was ich gedichtet harmlos, – und die Günstigen werden lieben und loben, – was ich geschrieben und gewoben; so werden doch die Mißwollenden, Grollenden, – die nicht Sehenden, und die nicht sehen Wollenden – geringschätzig blicken auf diese Sachen – und sich zwingen, an keiner Stelle zu lachen. – Ihr sei der Schaden, den sie sich selbst zufügen, – daß sie sich um ihren Part betrügen – an dem von uns aller Welt zugedachten Vergnügen.


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