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Hareth Ben Hemmam erzählt:
So erzählte mir Abu Seid, der Seruger:
Ich hatte, seit ich mein Wandertier gezäumt – und mein Vaterquartier geräumt, – in keinem anderen Wunsche gewacht noch geträumt, – als nach BasraDie Vaterstadt des Dichters, deren Verherrlichung, ein Nebenzweck des Kunstwerks, hier in der vorvorletzten Makame eingeleitet, in der letzten aber vollständig ausgeführt wird.zu kommen, zur Beaugenscheinigung – dessen, was laut der Zeugenvereinigung – von allen bewährten Männern – und gelehrten Kennern, – die Stadt enthält an Schätzen und Labsalen, – an geweihten Plätzen und Grabmalen, – an Gebäuden, Stiften und Zünften, – weisen Leuten, Schriften und Zusammenkünften; – und hatte Gott angelegen mit Gebeten, – daß ich dürfte ihren Staub betreten, – um mich zu erquicken an ihren Gartenbeeten, – zu riechen den Duft ihrer Blume, – den ich erfahren vom Ruhme, – und zu kosten ihre Früchte, – die mir gepriesen das Gerüchte. – Und als ich nun das Glück umfing, – und sich an ihr mein Blick erging,
Sah ich an ihr, was Augen lieblich kühlet Und macht, daß dort kein Fremdling Heimweh fühlet. |
Da, in einer Frühe, als der Tau frischte – und die dunkle Schminke der Nacht abwischte, – als jedem, der noch schlief, – der WarnvaterDer Hahn. rief, – macht' ich mich auf, in der Stadt herumzugehn – und nach meinem Bedürfnis mich umzusehn. – Und das Durchstreichen ihrer Straßen – und Durchkreuzen ihrer Gassen – brachte mich zum Quartier, das seinen Namen nahm – von den Benu HaramEin Stadtviertel von Basra, wo bei der Anlegung der Stadt unter dem Kalifen Omar sich der arabische Stamm der Benu Haram ansiedelte; das Viertel, worin Hariri selbst wohnte, der davon den Zunamen Harami führt.– wo man sieht hohe Gebäude – und Wohnungen der Freude, – Moscheen, geweiht der Feier, – und vielbesuchte Weiher; – wo man gewahr, – gepaart und geschart, – Merkwürdigkeiten aller Art.
Da wohnen Heiligkeit und Weltlichkeit, Die wie zwei Nachbarinnen sich vertragen. Da schlägt des Buches Seiten einer um, Den andern hörest du die SaitenMusik ist nicht weniger, als der Wein, eine unerlaubte weltliche Lust. schlagen; Der eine löst der Flasche Siegel hier, Ein andrer dort entsiegelt Zweifelsfragen. Der will im Geist die Fülle Gottes fassen, Der hat am vollen Fasse sein Behagen. Wie mancher Koranleser, Voranesser, Verdirbt sich hier die Augen, dort den Magen. Du bist geladen, Gast. An welchen Laden Du pochen magst, du wirst dich nicht beklagen. Hier kommst du wie gebeten zu Gebeten, Und recht gelegen dort zu Gastgelagen. Du magst nun Bücher oder Becher suchen, Nach weisen Leuten oder Lauten fragen. |
Als ich nun (sprach Abu Seid) so herumspazierte – und revierte, – Sehenswertes betrachtend – und Spähenswertes beachtend, – erblickte ich, da der Tag schon war an seiner Neige – und die Sonn' an ihrer Niedersteige, – eine Moschee, durch ihren Glanz berühmt – und durch ihrer Besucher reichen Kranz geblümt;Die Moschee ist der Versammlungsort für die gebildete Gesellschaft, die sich dort in der Zwischenzeit der Gebetstunden unterhält. Einen Hauptgegenstand der Unterhaltung macht, für Araber überhaupt, Sprache und Grammatik aus, besonders aber für die Bewohner von Basra, dem Hauptsitz grammatischer Gelehrsamkeit. – und hörte, wie eben die Versammelten – durcheinander redeten und stammelten, – begriffen, zu der Wissenschaft Förderung, – in einer sprachlichen Erörterung. – Da stand ich stille, – und es war mein Wille – nicht, zu profitieren von ihrem Grammatikum, – sondern von ihnen zu profitieren ein Viatikum. – Doch es währte nicht länger, als man braucht, um brennende Kohlen – vom Nachbarshause zu holen;Bei einer solchen Gelegenheit geht man schnell, damit die Kohlen nicht unterwegs verlöschen; und die Eile des Feuerholenden ist im Arabischen sprichwörtlich. – als das Gespräch unterbrochen ward, – weil der Gebetruf gesprochen ward,Der Ruf des Mueddhins (Muezzins) von der Höhe der Moschee, wodurch er die eingetretene Gebetstunde, fünfmal des Tages, anzeigt. – und dem Ruf auf dem Fuß nach – der ImamDer öffentliche Vorbeter oder Leiter der gemeinschaftlichen Andachtsübungen. folgte, der vortrat und den Gruß sprach. – Da bargen sich die Schneiden – des Wortes in die Scheiden, – und die von den Polstern der SitzungWo sie, sich unterhaltend, gesessen hatten. erhobenen Glieder – beugten sich auf den Teppichen der Andacht nieder.Jeder Moslem führt einen Teppich mit sich, um die zum feierlichen Gebete gehörigen Knieungen und Niederwerfungen darauf zu verrichten. – Ich vergaß auf eine Weile, im Werk der Erhebung – und Gottergebung, – die auf den Unterhalt gerichtete Bestrebung. – Als nun dem Gesetze genügt war, – der Frömmigkeit Acker gepflügt war, – und die Kette sich trennte, die von der Andacht gefügt war; – trat hervor aus der Menge ein wohlgestalter – Mann von mittlerem Alter, – der sich zeigte als des Wortes Walter – und der Wohlredenheit Entfalter, – sprechend: Ihr achtbaren – Nachbaren! – deren Näh' ich aus der Ferne kommend erwählt, – um euretwillen von meinem Ursprung losgezählt – und als fremder Zweig eurem Stamme vermählt;Der Sprechende ist ein Eingewanderter. – die ihr seid meine Kammer und mein Schrein, – wie sollt' euch meine Heimlichkeit verborgen sein? – Ihr wisset, daß Wahrheit ist der Schmuck der Vernünftigen – und daß die Schande dieser Welt ist leichter als die der künftigen; – dann: daß guter Rat ist eins der guten Werke – und Unterweisung eine Urkunde der Glaubensstärke; – daß der Fragende verdient Unterrichtung – und der Ratende übernimmt eine Verpflichtung;Nämlich die Verpflichtung, nach bestem Wissen und Gewissen zu raten. – daß mein Freund ist, der mich schilt, – nicht der mir hält der Entschuldigung Schild; – und daß, wer mich recht liebt, – mich zurechtweist, nicht mir recht giebt. – Da sprachen die Versammelten: Trauter Genoß! – und vertrauter Herzenssproß! – Was ist das Geheimnis von deinen Rätselworten – und der Schlüssel zu deines Redegebäudes Pforten? – Sage, was du verlangst? daß du es erlangest, – ob du Großes auch verlangest. – Denn bei dem, der uns gemacht zu deinen Brüdern – und unsre Lieb' und Treue zu deinen Hütern! – wir werden dir den Rat nicht abschlagen – und die That nicht absagen. – Er sprach: Gottes Güte mög' es euch güten – und seine Hut euch behüten. – Ihr seid von denen, mit denen ohn' Ungemach – sich wohnen läßt unter einem Dach; – an denen kein Fehl ist – und vor denen kein Hehl ist. – So will ich euch entfalten, was mich engt, – und eurem Urteil vorhalten, was mich drängt und zwängt. – Wisset: daß einst in des Glückes Verkümmerung – und des Wohlstands Zertrümmerung – ich mit Gott gemacht einen Anschlag – und ihm gegeben des Gelübdes Handschlag, – nie starkes Getränk zu erhandeln, – noch mit Zechern zu wandeln, – noch mich mit Wein zu erfüllen – und mit Rausch zu verhüllen. – Dann verführte mich die Lust – und der Feind in der Brust, – mit Schlemmern zu verkehren – und Maße zu leeren, – die Würde zu verletzen – und den Gaumen zu netzen, – zu taumeln und den TummlerGroßer Becher. zu tummeln; – und zu schwärmen mit den wilden Hummeln, – ohn' Erröten zu schlürfen den Roten, – mein Gelübde vergessend wie einen Toten. – Und so weit ging meine Vermessenheit – in des Teufels Besessenheit, – daß ich auch am Feiertag – im Schenkenfeuer lag – und in der Fastnacht – war vom Rausche festgemacht. – Doch nun bin ich in der Betrübnis – um das gebrochene Gelöbnis, – in der Reue Haft – durch den Sündensaft – am Herzen wund – um den verletzten Bund, – zerknirscht und ermangelnd des Trostes – über die Verschlingung des Mostes. – Nun, o mein Volk, welche Sühnung wisset ihr mir, die mich der Sünde fern – und wieder nahe bringe meinem Herrn? – Wie er nun so (sprach Abu Seid) den Knoten der Red' entschürzte – und sein Anliegen mit Seufzern würzte; – sprach die Seele zu mir: Abu Seid! – Hier ist Fangezeit; – halte Hand und Netz bereit! – Und als er geendet, sprang ich auf vom Sitz, – drang durch die Reihen wie ein Blitz – und trug vor:
O Frommer, dessen Edelmut Weit übersteigt Gedanken, Und der du suchest Rat, um zu Bestehn vor Gottes Schranken! Ich hab' ein Mittel gegen das, Was dich an Gram macht kranken; Du magst das Leid, das mich betraf, Vernehmen und mir danken. Der Männer von Serug, die fromm An ihrem Glauben hangen, Bin einer ich und wohnte dort In hohen Wohlstands Prangen, Geehrt, gehorcht, gewohnt, Befehl Zu geben, nicht zu empfangen. Mein Haus war ein Zusammenfluß Der Gäst' aus allen Landen; Wo offen weit die Thore stets Und frei die Güter standen. Einkauft' ich durch Freigebigkeit Die Ehren, ab die Schanden, Und achtete Kleinode klein, Die durch Verschwendung schwanden. Nach meiner Halle steuerten Die nächtlichen Verbannten; Denn meine Feuer, wenn der Geiz Die seinen löschte, brannten, Gleich einem Leitstern, welchen sie Als Truglicht nie erkannten. Und also grünte lang mein Glück Und blühten meine Flammen; Bis Gott die Huld, die er ob mir Entfaltet, schlug zusammen. Da ließ aus einem Zwietrachtskorn Er einen Kriegsbaum stammen, Und Griechenheere kamen, die Im Blut der Gläub'gen schwammen, Die unsre Stadt verwüsteten Und raubten Kind und Ammen. Geplündert ward mein Gut, und ich Als Bettler ging von dannen, Von Fremden jetzt gewinnend, was Sie einst von mir gewannen. Doch in der Armut Wirbeln, die Mein ganzes Glück verschlangen, Beklag' ich nichts wie den Verlust Der schönsten meiner Spangen, Der einz'gen Tochter, welche fiel In Feindeshand gefangen; Sie löst' ich gern mit meinem Blut, Sie wollen's nicht empfangen; Und was sie wollen, Gold und Gut, Ist mir durch sie entgangen. Nun weißt du, welchen Kummer Gott Hat über mich verhangen; Und wenn du heilen willst zugleich Die Blässe meiner Wangen Und deines durch der Sünde Schuld Zerstörten Herzens Bangen; So hilf mir, daß mein Kind befreit Werd aus der Haft der Schlangen. Dein Sühngeld sei ihr Lösegeld,In Gefangenschaft, besonders der Ungläubigen, Gefallene loskaufen, ist das größte der verdienstlichen Werke eines Moslems. Verachte nicht das Mahnen! Zu Gottes Wohlgefallen kannst Du so den Weg dir bahnen, Verzeihung findend, daß du hast Verlassen seine Fahnen, Und machend, was du Böses hast Gethan, zum Ungethanen. Daneben wirst du vor der Welt Erhöht auf Ruhms Altanen, Weil meines Dankes Größe wird Entsprechen dem Empfahnen. |
Abu Seid sprach: Als nun ausgebraust war mein Redeschwall – und jener baute auf meiner Worte Wall, – trieb ihn die böse Lust zum guten Werke, – und der Sündenhang gab ihm zum Opfer Stärke. – Er zahlte mir eine Summ' aus auf dem Platz – und sicherte mir durch Verschreibung einen zweiten Satz. – Doch ich ging heim, – zufrieden mit dem angewandten Vogelleim, – und konnte nun, dank meinem blauen Dampfe, – mir den Bauch füllen mit PframpfeDicker Mehlbrei und dergleichen. – und, Preis meinen tönenden Glocken, – mir den Mund stopfen mit Brocken. – Da fragte ich (erzählt Hareth Ben Hemmam): – Und empfindest du über deinen Betrug keine Scham? – Doch er sprach unbeklommen: – Ich fühle mich vielmehr in Freudigkeit entglommen, – daß ich ein frommes Werk gefördert zu meinem Frommen; – denn jenem ist die Sünd' abgenommen – und ich bin zu Gelde gekommen. – Dann sang er:
Diese Welt, die Mördergrube, Voll von Löw- und Tigerkatzen, Siehe, wie du ungezaust Kommest zwischen durch die Tatzen. Spähe, was du haschen mögest, Merke, was du kannst erschwatzen; Schatze! denn die Zeit ist stets Auf der Lauer dich zu schatzen. Hetze, statt gehetzt zu werden; Welt ist all ein Wald für Hatzen. In die Schlingen locke Schlangen, Aus den Ritzen locke Ratzen. Wenn der Falke dir entgangen, Nimm fürlieb nur mit dem Spatzen; Und erhältst du nicht den Thaler, So begnüg dich mit dem Batzen. |