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Hareth Ben Hemmam erzählt:
Ich lebte in Kati'at Elrebi, – als der Frühling der Welt neuen Glanz verlieh, – mit einer Gesellschaft von Jünglingen, deren Angesichter – heller waren als seine Lichter, – und deren Sinn und Gemüte – holder als seine Blum' und Blüte; – deren Anmut süßer als der Morgen taute, – und deren Gespräch entbehrlich machte Flöt' und Laute. – Wir hatten aber geschworen, in treuer Gemeinschaft zu weiden, – jede Trennung zu meiden – und keine Sonderung zu leiden, – sodaß keiner ein Körnlein des Genusses für sich genösse, – noch die andern von einem Tröpflein der Lust ausschlösse. – Da beschlossen wir an einem Tage, dessen Jugend loderte – und dessen Frühglanz zum Frühtrunk auffoderte, – auszuwandeln auf der Freude Spuren – zu einer der grünen Fluren, – daß wir unsere Blicke klärten – an den verklärten Gärten, – und glätteten der Gemüter Falt' und Bruch – durch Regenduft und Blumenruch. – Wir zogen, den Monden gleich an Zahl, – den Trinkgenossen des GadhimeDie beiden Trinkgenossen des Gadhime, ein Bild der Eintracht und Unzertrennlichkeit. Gadhimet Elebresch, der König von Hira, verschmähte aus Stolz jede Trinkgenossenschaft und pflegte zu sagen: Ich bin zu groß, um andre Trinkgenossen zu haben, als die Ferkadan (die beiden Kälber, zwei Sterne im kleinen Bären). So trank er denn eine Schale, und zwei Schalen goß er jenen beiden aus. Dies währte so, bis sein Schwestersohn (und künftiger Nachfolger), Amru Ben Adi, genannt der Träger der Halskette, verloren ging (ihn hatten die Dschinnen entführt) und die beiden Männer Malik und Akil ihn wiederfanden. Als sie ihn nun zu dem König brachten, stellte er ihnen freie Wahl der Belohnung; und sie wählten seine Trinkgenossenschaft, so lange er und sie leben würden. Es wird gesagt, daß sie seine Gesellschaft vierzig Jahre lang teilten, bis der Tod sie schied. Andre setzen hinzu: Sie waren so unerschöpflich an Unterhaltung, daß sie in der langen Zeit nie eine Geschichte wiederholten. gleich an Wahl, – zu einem Geheg', das seinen Schmuck hatte angelegt – und den Glanz seiner Farben angeregt; – und mit uns zog der KastanienbrauneDer Wein, genannt Kumeit, das kastanienrote Roß, der Fuchs. Ein lustiger Geselle mit einer Brausche am Kopf ward gefragt, woher er diese habe? Er versetzte: der Fuchs ist mit mir durchgegangen. Darauf ward ihm gesagt: Du hättest den Schimmel dazu spannen sollen. Der Schimmel ist natürlich das Wasser., – geführt von Schenken guter Laune, – samt dem Sänger, der erweitert des Hörers Brust – und jedes Ohr bewirtet mit Lust. – Als sich mit uns nun niedergelassen die Wonnen – und die Schalen hatten ihren Kreislauf begonnen, – kam uns ein Gast, ein ungebetner, – unumwundner, unbetretner, – vor dessen bejahrtem Mantel wir empfanden ein Grauen, – wie schwarzgelockte Mädchen vor einem Grauen, – und fanden getrübt die Lauterkeit unseres Tags – durch die Einmischung dieses Schattenschlags. – Doch er grüßte mit Annehmlichkeit – und setzte sich mit Bequemlichkeit, – öffnete lächelnden Gesichts – Würzeschachteln der Red' und des Gedichts; – und that nicht, als ob es ihm nicht behagte, – daß niemand Rede stand, wo er fragte, – und wo er nieste, niemand Gott helf sagteTeschmit oder Teßmit heißt: einen beim Niesen begrüßen. Die Überlieferungen vom Propheten sagen: Wer niest oder räuspert und sagt: Lob sei Gott in jedem Zustand! dadurch werden abgewendet siebzig Übel, deren das geringste der Aussatz ist. Ferner: Wenn einer von euch niest, sage er: Gott sei Lob! und wer ihn beglückwünscht, der sage: Dein erbarme sich Gott! und jener erwidere: Gott lenke euch und bestelle wohl euer Herz! Es ist also noch eine Umständlichkeit mehr, als bei uns, und eine nicht leicht abzulassende, weil dort der Religionsstifter selbst sich damit befaßt hat, dergleichen Gebräuche zu heiligen.. – Doch wir kamen seiner Freimütigkeit nicht entgegen – und gedachten schon seiner Freiheit das Handwerk zu legen, – als unser Sänger den Laut aufschlug und mit Gesang die Laute schlug:
Wie lang verschmähst du meinen Bund, So'adEin Name für die Geliebte.? Und achtest nicht dies Herz, für dich im Blut? Geduldet hab' ich, bis Geduld erlag, Mein Mut verzagt vor deinem Übermut. Nun gelte das Gesetz der Billigkeit, Daß eines thue, wie ihm eines thut: Und dünkt es dir, daß ich zu schlecht dir sei, So dünkt es mich, ich sei für dich zu gut. |
Da ward von uns der Zitherschläger gefragt, – warum er erst »dünkt es dir,« dann »dünkt es mich« gesagt? – Doch er schwor bei seinen Eltern im Grabe, – daß er es so von seinem Lehrmeister habe. – Da teilten sich die Stimmen der Gemeinde – und stritten für die zwei Kasus wie Feinde; – die einen behaupteten in beiden Fällen den Dativ, – die andern erlaubten an beiden Stellen nur den Accusativ. – Und es erhitzte sich die Kampflust der Streiter; – da lächelte unser Eingedrungener wie ein Eingeweihter, – ohne daß er die Lippe machte zur Rede weiter; – bis daß nun das Kampfgetöne des kriegerischen Geschlechts verstummt war – und das Waffengedröhne des Wortgefechts versummt war; – da sprach er: Mein Volk, laß dir verkündigen – die Regeln, die bindenden, bündigen, – gegen welche die Sinnigen nicht sündigen. – Der Dativ ist hier statuiert – und der Accusativ sanktioniert; – beide stehn in voller Eintracht und vollkommener Einheit – mit der grammatischen Reinheit; – doch zwischen beiden ist eines Unterschiedes Feinheit, – die sich nicht läßt erfassen von eines Gesetzes Allgemeinheit. – Sprach's, da wurden eins die Entzweiten, – um in Masse gegen ihn zu streiten; – da rief er, bedrängt von allen Seiten: – Heran, wenn ihr im Schilde führet Witze, – denn ich führ in der Rechten Blitze; – wer löst die grammatischen Rätsel, die ich besitze? – Zuerst hört und wenn ihr's wißt, – laßt mich hören, was das ist:
1. | Das gestern war und heut gewesen, Und morgen wird zuerst es sein, Und merkt, gemeinschaftlichen Namen Mit einem trägt's von diesen drei'n. |
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Nur ratet vereint, – was dieses meint: | |||
2. | Weil es eins ist, das zerfällt in vieles, Sagt man's billig in der Vielzahl aus; Die die Vielzahl dann für Einzahl halten, Bilden eine neue Vielzahl draus. Sag es, wenn du's weißt, so gehe nie dein Glück dazu, noch falle drein dein Haus. |
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Nun saget genau, – was ist das für ein Bau: | |||
3. | Höher wird's nicht, aber edler, Wenn ihr setzet Ho davor. Doch das Ho war dran von Ursprung, Bis sich's durch Gebrauch verlor. |
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Nun erkläret geschwind, – was die zwei Worte sind: | |||
4. | Wo die Lüfte des Frühlings hauchen, Um dich schlüpfen Vogel und Reh, Kannst du eines zum Pfühl dir machen; Und ein andres zum Dach, versteh; Jenes hat R oder W zum Anfang, Dieses zum Anfang G oder W. |
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Nun zeiget an, – wo man das finden kann: | |||
5. | Es verändert die Farbe nicht, Wenn man ihm vorn ein L abbricht. Mit dem L war es irdisch noch, Ohne das L ist es himmlisch Licht. |
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Nun suchet gelinde, – wo sich dieses finde: | |||
6. | Es ist der Name einer Frucht, Die zwar dem Gaumen wohl behagt; Doch wo sie sich dem Ohr vereint, Da wird darüber nur geklagt; Und wer sich die gefallen läßt, Der ist das, was der Name sagt. |
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Nun versuchet kecke, – wie dieses schmecke: | |||
7. | Wenn's in einer Schale ist, Sind's der Teile zweie; Wenn's auf einem Haufen liegt, Sind es zwölf und dreie. |
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Nun sprechet meisterhaft, – was ist das für eine Eigenschaft: | |||
8. | Vom Roß und sich rühmt's der Araber, Denn es ist rüstig und bequem; Doch ist am Boden und am Weibe Das Gegenteil ihm angenehm. Ein M hat's oder H zum Anfang, Dasselbe ist's mit dem und dem; Doch wenn du es vom Boden brauchest, Gieb ihm zum Anfang nur das M. |
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Nun fasset weise – und löset leise: | |||
9. | Welch Wort verliert, wenn ihm ein Un Wird vorgesetzt, nicht die Bedeutung? Doch der verliert, der von ihm, mit Oder ohne Un, hat die Bestreitung. |
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Nun alle herbei, – sinnet, was dieses sei: | |||
10. | Da meist es ist dem Fuß verbunden, So weiß, wenn man den Fuß ihm raubt, Fast niemand recht, wie er's soll brauchen, Mit oder ohne S am Haupt; Da einer das ihm zugehörige S ihm vom Fuß entzogen glaubt, Ein andrer meint, es sei vom Fuße Das fremde S ihm angestaubt. |
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Nun wer ergründet, – was das verkündet: | |||
11. | Mit einer Silb' ist's abgethan; Was ist es? Flügel hat's am Leib. Mit einem A ist es ein Mann, Mit einem U desselben Weib. |
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Doch wer dieses weiß, – dem geb' ich den Preis: | |||
12. | Zwei Wörter weiß ich, in jedem Worte Verschmolzen sind der Begriffe zwei. Im ersten Wort gilt eine Sache Mit ihrer Zeit dir für einerlei; Im andern eine Person zugleich mit Dem Raum, als ob sie nichts Eignes sei. So seltsam sind in ihrer Bedeutung Die beiden Wörter: es steht dir frei, Zu sagen, daß das erste im andern, Und daß das andre beim ersten sei. |
Hier hab' ich euch nun gegeben zwölf Rätsel nach eurer Zahl, – zu eurer Qual; – und wollt ihr mehr, so steht's in eurer Wahl. – Der Erzähler spricht: Unser Scharfsinn stand stutzend – vor seinem Rätseldutzend; – wir wußten seine Hehre nicht zu erklimmen – und in seinem Meere nicht zu schwimmen. – Statt der früheren Beschwerung über seinen Besuch, – beschworen wir nun ihn um Belehrung über seinen Spruch; und der vorigen Verunehrung zum Widerspruch, – unterstützen wir mit Verehrung unser Gesuch. – Und endlich war geschlossen der Kauf, – wir thaten die Hand und er den Sinn uns auf.Wir fügen hier die Auflösung unserer zwölf Rätsel bei, so wie Hariri die Erklärung der seinigen auch in einem Anhang zur Makame giebt: – Als er nun, was er wollte, erbeutet – und, was er sollte, uns gedeutet; da bereuten wir vor seines Geistes Glanz – erst unsres Sinnes Verblendung ganz; – wir reichten ihm, zur Versöhnung ob unserer Verhöhnung, die Schale, – und räumten für unseren Vorwitz ihm den Vorsitz beim Mahle. – Doch er bog sich zurück – und zog sich zurück, – wog das Haupt und zog den Atem lang, – schnob einen Seufzer und erhob den Gesang:
Das Alter hat mich abgemahnt, daß ich mich zugeselle Der Lust, und mich gemahnt, daß ich mit Ernst mein Haus bestelle. Wie dürfte sich den Morgentrank des Weines der erlauben, Dem aufgegangen, in der Nacht des Haars, des Morgens Helle?Das Ergrauen der Haare ist ein Morgengrauen, das die Nacht des Sinnenrausches vertreibt und die Tagesklarheit der Besinnung herbeiführt. Geschworen hab' ich, daß mich nie das geist'ge Naß soll netzen, Solange wohnen wird der Geist in seines Leibes Zelle; Daß nie die Hand mir halten soll den schaumgekrönten Becher Und nie bewandeln Mostesduft der Lippen trockne Schwelle; Daß ich nie scheuchen meinen Gram will mit dem Gramverscheucher Und nie versenken meine Qual im süßen Schlummerquelle: Nie mit dem rauschenden Gewand des Rausches mich bekleiden Und aus dem Born der Nüchternheit nur schöpfen meine Welle. Das Alter hat mit blasser Schrift auf meinem Haupt geschrieben Das Weinverbot, dagegen nun der Trieb nicht widerbelle. Es hat im Meer der Sinnlichkeit erhöht die kahle Klippe, Daran der Nachen böser Lust, der gläserne, zerschelle. Und thörte ich mit greisem Haupt, verlieren würde unter Den Ehrenlichtern von Ghassan das mein'ge seine Stelle. Sie sind ein Volk, die machen sich's zur Pflicht, den Gast zu ehren; Das Alter ist ein schlimmer Gast, doch ehr' ihn, o Geselle! |
So sprach er, dann entwand er sich, wie sich eine Schlang' entwindet, – und verschwand, wie eine Sommerwolke verschwindet; – ich aber wußte, daß es war der serugische Ehrenpreis, – der poetische Mond, der durchwandelt den Sphärenkreis. – Und unseres Mahles letzte Frucht – war Betrübnis über seine Flucht; worauf unsere Lust sich zerstreute, – indem unser Verlust uns reute.